Samstag, 23. April 2022

Adel schützt vor Mord und Totschlag nicht

Früher war alles besser. Und Adel verpflichtet. So denkt man landläufig und irrt. Das zeigt eine Mülheimer Kriminalgeschichte, die sich anno 1659 auf der Lipper Heide abspielte. Bei den beteiligten Personen handelt es sich um zwei Mülheimer Grafen. Der eine, Moritz von Styrum, erschießt den anderen, Carl Alexander von Daun-Falkenstein und Broich. Ob die Tat, die den damaligen Broicher Grafen Wilhelm Wirich seines einzigen männlichen Erben beraubte, Mord oder Notwehr war, ist bis heute umstritten.

Folgt man der Broicher Sichtweise, so wurde der 17-jährige Jung-Graf Carl Alexander vom Styrumer Grafen Moritz heimtückisch erschossen. Die Kugel, die ihn traf, liegt heute im Museum von Schloss Broich. Aus Styrumer Sicht stellt sich der Tathergang so dar, dass Moritz von Styrum vom Broicher Junggrafen mit einem Degen bedroht worden sein soll und ihn in Notwehr erschossen hat. Fest steht, dass die beiden Adeligen keine Kinder von Traurigkeit waren und zum Zeitpunkt der Tat stark alkoholisiert waren. Beide hatten eine gemeinsame Hasenjagd und ein sich anschließendes Festmahl beim Abt des Hamborner Klosters hinter sich.

Allerdings eignete sich der damals 25-jährige Moritz von Styrum auch wesentlich besser für die Schurken-Rolle. Denn er hatte als Söldner im Dienste des französischen Königs bereits wegen Plünderung im Gefängnis gesessen und war nur knapp einem Todesurteil entgangen. Als er sich anno 1659 mal wieder in Mülheim aufhielt, stand er als Offizier in den Diensten des Herzogs Ulrich von Württemberg, hatte aber gerade kriegsfrei. Seine Freizeit verbrachte er offensichtlich immer wieder gerne mit Jagen und Trinken. Schon in den Tagen vor dem Grafen-Mord war es zu Irritationen zwischen den Grafen von Broich und Styrum gekommen. Im Vollrausch hatte Moritz 15 Pistolenschüsse auf das Schloss Broich abgefeuert und den Broicher Landesherren Wilhelm Wirich zum Duell herausgefordert. Doch von diesem Ansinnen ließ der ernüchterte Styrumer Graf später wieder ab. Und nach einem Versöhnungstreffen im Kloster Saarn schien der Frieden zwischen den beiden Familien wieder hergestellt. Moritz und Carl Alexander gingen sogar so weit, sich ewige Brüderschaft zu schwören. Doch alle Schwüre nützten nichts, als sich die beiden Grafen am Unglückstag auf der Lipper Heide im Vollrausch ein wildes Wettreiten lieferten und mit Degen und Pistole hantierten, ohne dass sie ihre jeweiligen Gefolgsleute dauerhaft hätten auseinanderbringen können. So kam es, wie es kommen musste. Der Tod seines einzigen Sohnes bedeutete für den Broicher Grafen Wilhelm Wirich, der gerade erst seine Frau verloren hatte, das Ende seiner Dynastie, die mit seinem Tod 1682 endgültig erlöschen sollte. Vergeblich versuchte Wirich, Moritz vor Gericht für seine Tat zu belangen. Der Prozess, der die Styrumer Grafen finanziell fast ruinierte, verlief im Sande. Ironie der Geschichte: 1662 wurde Moritz von Styrum durch Heirat Wilhelm Wirichs Schwager. Fünf Jahre nach dem Tod Carl Alexanders starb Moritz – bei einem Duell in Wien.

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