Mittwoch, 14. April 2010

Warum Suchtvorbeugung schon im Kindergarten anfangen muss

Beim Thema Sucht denkt man landläufig eher an Jugendliche und Erwachsene, aber nicht unbedingt an Kinder im Kindergartenalter. "Wir wissen aber, dass viele Verhaltensauffälligkeiten, die im Kindesalter entstehen, später bei manchen Jugendlichen in ein Sucht- oder Gewaltproblem münden können", sagt Norbert Kathagen von der hiesigen Fachstelle der Ginko-Stiftung, die sich mit Beratung und Aufklärung um die Vermeidung und Überwindung von Suchtverhalten bemüht. Kurz gesagt: Wer im Kindergarten seine Spielkameraden ständig stört oder ihnen das Spielzeug weg nimmt, schlägt später auch eher zu oder greift zur Flasche, wenn es Probleme gibt.

Deshalb geht Ginko-Mann Kathagen, von Hause aus Sozialarbeiter und Pädagoge, jetzt mit Papilio in die Kindergärten. Papilio, zu deutsch "Schmetterling", ist ein vom Beta-Institut entwickeltes und in Nordrhein-Westfalen von der Barmer GEK finanziell gefördertes Programm, das spielerisch versucht, Kinder in ihrem Sozialverhalten zu stärken und sie emotional zu stabilisieren und damit konfliktfähiger zu machen, damit sie, um im Bild des Schmetterlings zu bleiben, am Ende in ihrer eigenen Persönlichkeitsentwicklung beflügelt werden.Ein wissenschaftlich begleiteter Modellversuch, an dem in Augsburg 700 Kinder teilgenommen haben, zeigt, dass sich das Sozialverhalten der Kinder, die das Papilio-Programm durchlaufen haben ein deutlich besseres Sozialverhalten an den Tag legen, als die Kinder ohne Papilio-Erfahrung.

DerzeitKathagen zwölf Erzieherinnen, wie man mit Papilio Kindern und Eltern pädagogisch Flügel machen kann. Der Trainer setzt bei der Fortbildung der Multiplikatoren auf eine Mischung aus Vortrag, Gruppenworkshop und Rollenspiel.Wie funktioniert Papilio? Kathagen setzt beim spielerischen Element an: Die der Augsburger Puppenkiste entsprungene Paula und ihre Kissenbolde Freudibold, Zornibold und Bibberbold sollen zu ständigen Begleitern des Kindergartenalltags werden.

Mit Hilfe einer Materialkiste, aus der Erzieher unter anderem Mutmachlieder und Mutmachgeschichten hervorzaubern können, sollen sie mit Kindern regelmäßig Gefühle und ihre Ursachen thematisieren. Warum bin ich heute fröhlich wie Freudibold, traurig wie Zornibold oder ängstlich wie Bibberbold? Wer über seine eigenen Gefühle sprechen kann, kann auch besser mit ihnen umgehen und somit auch Konflikte konstruktiver lösen.Zum pädagogischen Werkzeugkasten von Papilio gehören aber auch ein Spielzeug-macht-Ferien-Tag im Kindergarten, mit dem die Phantasie und Kreativität der Kinder angeregt werden soll, damit sich "kein Kind hinter seinem Spielzeug verstecken kann" und man mehr Zeit hat, um Kinder in den Blick zu nehmen und sie frei miteinander spielen zu lassen, indem sie zum Beispiel sich mal selbst einen Ball basteln. "Damit tun sich Kinder oft leichter als die Erzieher, weil sie Spielzeug auch als pädagogisches Handwerkszeug verstehen", weiß Kathagen.Apropos pädagogisches Handwerk.

Bei dem Papilio-Spiel "Meins-deins-unser-Spielzeug" lernen die Kinder, gemeinsam Spielregeln aufzustellen. Denn Norbert Kathagen glaubt, dass man, abgesehen natürlich von einigen nicht zu diskutierenden Grundregeln, mehr Demokratie im Kindergarten wagen kann und auch muss.
"Denn," so betont er, "wenn man Kinder in die Aufstellung von Regeln mit einbezieht, identifizieren sie sich auch eher mit diesen Regeln und halten sie ein.

Hintergrund: Das Papilio-Fortbildungs-Programm kann aus organisatorischen Gründen in der ersten
Staffel nur für maximal zwölf Erzieherinnen angeboten werden. Doch es gibt
bereits weitere Interessenten und Norbert Kathagen möchte in einigen Wochen
bereits eine zweite Staffel der Papilio-Fortbildung starten.Kathagen weist in
diesem Zusammenhang darauf hin, dass alle Kindergärten, Kindertagesstätten und
Familienzentren, die an dem Papilio-Programm teilnehmen, sich für diesen
zusätzlichen Qualitätsstandard zertifizieren lassen können. Das pädagogische
Handwerkszeug, das den Fortbildungsteilnehmern in Form einer Materialkiste an
die Hand gegeben wird, können Eltern auch käuflich erwerben. Wer sich für
Papilio und eine entsprechende Fortbildung zum Preis von 120 Euro interessiert,
kann sich mit Norbert Kathagen von der Ginko-Fachstelle an der Kaiserstraße 90
unter ~ 300 69 44 oder per E-Mail an n.kathagen@ginko-stiftung.de in Verbindung
setzten. Weitere Informationen im Internet: www.ginko-stiftung.de oder
http://www.papilio.de/

Dieser Text erschien am 13. April 2010 in der NRZ

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