Dienstag, 25. Mai 2010

Missbrauch: Trotzdem stehen wir zu unserer Kirche: Eindrücke von einer Aktion des Katholikenrates auf dem Kurt-Schumacher-Platz

Missbrauch - Trotzdem stehen wir zu unserer Kirche!“ So steht es auf einem Schild, dass einige Katholikenräte am Samstagvormittag auf dem Kurt-Schumacher-Platz aufstellen. Missbrauch. Das ist ein Wort, das irritiert. Der Vorsitzende des Katholikenrates, Wolfgang Feldmann und sein Katholikenratskollege Rolf Völker aus der Gemeinde St. Engelbert geben zu, dass sie nicht ohne Bedenken und mit einem flauen Gefühl im Magen auf die Straße gehen, um mit den Menschen über die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche im Besonderen und über Wege aus der Kirchenkrise im Allgemeinen ins Gespräch zu kommen.Scharfe Anwürfe bleiben nicht aus. Doch sie bleiben Einzelfälle: „Das ist ein Saustall. Den muss man ausmisten.“ oder: „Das sind alles Verbrecher. Die sollte man aufhängen“ ist da von einigen Passanten zu hören. Sie wollen allerdings nur ihren Frust los werden und nicht stehen bleiben, um mit den Katholikenräten und Pastor Norbert Dudek von der Styrumer Gemeinde St. Mariae Rosenkranz zu diskutieren.Wer stehen bleibt und das Gespräch sucht, tut dies eher aus einer Position des kritischen Interesses oder der kritischen Solidarität mit der Kirche. „Wir sind doch alle Kirche“ sagt zum Beispiel Adele Kroner aus der Broicher Gemeinde Herz Jesu und findet: „Man kann doch gar nicht genug tun, um Missbrauchsfälle aufzuklären und Missbrauch vorzubeugen.“ Sie sieht die Krise auch als Chance für einen Reinigungsprozess der Kirche, meint aber auch, dass auch die Kirche noch mehr als bisher für die therapeutische Betreuung von Missbrauchsopfern tun müsste.In diesem Zusammenhang weist Katholikenrätin Helmi Loewe von der Arbeitsgemeinschaft katholischer Frauen unter anderem auf die Aufklärungsarbeit hin, die der Verein Donum Vitae leiste, „um damit Kinder stark und Eltern aufmerksam zu machen.“

Eine junge Frau, die einen Kinderwagen schiebt, sagt, dass nicht nur die Kirche, sondern auch das Jugendamt die Missbrauchsproblematik in Familien viel stärker in den Blick nehmen müsste. In den Gesprächen, die die Katholikenräte mit Passanten vor dem Forum führen, wird immer wieder deutlich gemacht: Sexuellen Missbrauch gibt es natürlich nicht nur in der Kirche, nicht nur da, wo katholische Priester zölibatär leben, sondern auch in Familien, wo Verwandte oder verheiratete Familienväter die Täter sind.Dennoch sehen die beiden evangelischen Christinnen Renate Wiesner und Marianne Wilde, die es begrüßen, dass die Katholikenräte mit einem Thema, wie dem sexuellen Missbrauch in ihrer Kirche in die Öffentlichkeit gehen, eine Lehre aus der aktuellen Krise in der Abschaffung des priesterlichen Pflichtzölibats. „Der muss weg“, sagt Wilde. und Wiesner meint: „Der Zölibat für Priester ist nicht der Hit. Denn alle Menschen kommen als sexuelle Wesen auf die Welt. Und ich glaube, dass viele katholische Priester sehr einsam sind.“

Das sieht auch Katholikenrat Martin Linssen nicht anders. Die Abschaffung des Pflichtzölibats würde für ihn zudem angesichts des akuten Priestermangels Sinn machen. Mit Blick auf die aktuelle Missbrauchsdiskussion sagt er: „Missbrauch gibt es auch in anderen Bereichen der Gesellschaft. Doch die Kirche stellt hohe moralische Maßstäbe auf und muss sich deshalb die öffentliche Kritik gefallen lassen.“Nach gut zwei Stunden Diskussion und Gespräch hat sich nicht nur bei Rolf Völker und Wolfgang Feldmann, das flaue Gefühl im Magen gelegt und ist der entspannten Gewissheit gewichen, dass sich ihr Einsatz gelohnt hat, wie sie sagen.

Dieser Text erschien am 25. Mai in der NRZ

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