Mittwoch, 21. Juli 2010

Hingucken und handeln: Die Arbeiterwohlfahrt bietet Erzieherinnen eine kostenlose Fortbildung zum Thema sexueller Missbrauch von Kindern an


Sexueller Missbrauch von Kindern. Das Thema macht Angst, vor allem, wenn es zum Handeln und zu unangenehmen Entscheidungen zwingt. Als Erzieherin in einer Kindertagesstätte kann man mit diesem Thema schneller konfrontiert werden, als einem lieb ist. "Da gibt eine große Ohnmacht", weiß die Diplom-Sozialpädagogin Yansa Schlitzer (Foto) von der Awo-Beratungsstelle für Schwangerschaftskonflikte, Sexualität und Partnerschaft.Deshalb bietet sie zusammen mit qualifizierten Honorarkräften der Arbeiterwohlfahrt eine auf zehn Zeitstunden angelegte Fortbildung an, in der Erzieherinnen kostenfrei lernen können, wie sie Verdachtsmomente erkennen, die auf einen sexuellen Missbrauch hinweisen können, wie sie sich in einer entsprechenden Situation verhalten sollten und wie sie altersgerecht Kinder und Eltern für das Thema sensibilisieren können.


Die Bandbreite reicht von Spielen, in denen Kinder mit ihrem Körper und ihren Gefühlen vertraut gemacht werden, bis zur Gestaltung eines Elternabends, bei dem Eltern dazu angeregt werden, die Persönlichkeit ihrer Kinder zu stärken und sie zu befähigen, im Ernstfall Nein sagen und sich wehren oder Hilfe holen zu können.Drei Kindertagesstätten haben das Fortbildungsangebot in Form eines zwei- bis dreitägigen Workshops bereits wahrgenommen. Es dürfen noch mehr werden.


"Der Bedarf ist da", weiß die Geschäftsführerin der Awo, Adelheid Zwilling. Sie verweist darauf, dass jährlich 20 Anrufe beim Awo-Sorgentelefon Elefon eingehen, die das Thema sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen betreffen. Schlitzer schätzt, dass sie allein in Beratungsgesprächen jährlich mit acht bis zehn Verdachtsfällen konfrontiert wird.Dass die Awo überhaupt in der Lage ist, vorbeugende Aufklärungs- und Fortbildungsarbeit zur Verhinderung des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen zu betreiben, ist nicht mehr selbstverständlich.


Weil die Leonhard-Stinnes-Stiftung zum Jahresbeginn ihre Förderung einstellte, musste der Sozialverband seine vorbeugende Aufklärungsarbeit an Schulen nach 20 Jahren einstellen. An der Gustav-Heinemann-Schule und an der Gesamtschule Saarn schlossen engagierte Eltern die finanzielle Lücke, die auf dieses Angebot für die Schüler der siebten Klassen nicht verzichten wollten. Das kostenfreie Fortbildungsangebot für Erzieherinnen wurde durch eine Projektfinanzierung der Cläre-und Hugo-Stinnes-Stiftung möglich, die insgesamt 50?000 Euro, verteilt auf fünf Jahre, zur Verfügung stellt.Was also können Erzieherinnen tun, wenn sie Verdacht schöpfen oder nach Hinweisen für einen sexuellen Missbrauch von Kindern suchen? Schlitzer will und kann keine fertigen Antworten liefern, warnt aber vor Hysterie und mahnt zur ruhigen Besonnenheit.


Eine guter Anfang sollte aus ihrer Sicht das Hingucken und Hinhören sein, verbunden mit einem regelmäßigen Austausch unter den Kolleginnen. Wenn ein Kind zum Beispiel plötzlich blaue Flecken oder Angstzustände hat oder sich allzu distanzlos verhält, wenn ein Mädchen davon berichtet, dass sie nach dem Duschen immer vom Vater abgetrocknet wird, obwohl sie das längst alleine könnte, oder ein Kind davon berichtet, dass es immer wieder alleine beim alleinlebenden Onkel übernachtet, rät Schlitzer zumindest hellhörig zu werden und die Möglichkeit eines sexuellen Missbrauchs nicht außer Acht lassen.Im Zweifel, auch dazu soll die Fortbildung Erzieherinnen ermutigen, kann man sich auch externe Hilfe bei Beratungsstellen wie der der Arbeiterwohlfahrt holen, ohne gleich mit einem Verdachtsfall zur Polizei gehen zu müssen. "Wir unterliegen der Schweigepflicht", betont denn auch Schlitzer.


Kontakt und Hilfe: Erzieherinnen und Kindertagesstätten, die sich für eine kostenfreie Fortbildung zum Thema sexueller Missbrauch von Kindern interessieren, können sich unter 45 003 225 an Yansa Schlitzer von der Awo-Beratungsstelle für Schwangerschaftskonflikte, Sexulaität und Partnerschaft wenden. Dort ist sie auch per E-Mail an: y.schlitzer@awo-mh.de erreichbar. Die Beratungsstelle der Arbeiterwohlfahrt ist an der Heinrich-Melzer-Straße 17 zu finden. Weitere Informationen über die Angebote der Arbeiterwohlfahrt gibt es im Internet unter www.awo-mh.de.Kinder und Jugendliche, die Fragen zur Sexualität haben oder Schutz und Hilfe bei sexuellem Missbrauch suchen, erreichen das Elefon der Arbeiterwohlfahrt dienstags und donnerstags von 18 bis 21 Uhr unter der kostenlosen Rufnummer 0 800/666 777 6. Alle Anrufer bleiben anonym und die Mitarbeiter der Awo unterliegen der Schweigepflicht.
Dieser Text erschien am 14. Juli 2910 in der NRZ

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