Samstag, 3. Juli 2010

Wie kann ein Bundespräsident zum Vorbild werden? Drei Fragen an den ehemaligen Leiter der Gustav-Heinemann-Schule

Gustav Heinemann, nach dem die erste Mülheimer Gesamtschule benannt worden ist und Christian Wulff, der heute in Berlin sein Amt antrat, haben eines gemeinsam. Beide Politiker wurden erst im dritten Wahlgang Bundespräsident. Mit Peter Virnich, unter dessen Leitung aus der Gesamtschule der Stadt Mülheim an der Ruhr 1982 zur Gustav-Heinemann-Schule wurde, sprach ich für die NRZ über den Namen seiner Schule und darüber, was der neue Bundespräsident leisten muss.

Warum hat sich die Schulkonferenz damals für den Namenspatron Gustav Heinemann entschieden?
1982 wurde in Saarn die zweite Mülheimer Gesamtschule gegründet. Wir brauchten als Gesamtschule der Stadt Mülheim an der Ruhr einen neuen Namen, um uns so von dieser neuen Gesamtschule zu unterscheiden. Der damalige Schuldezernent Helmut Meyer schlug uns den Namen Gesamtschule Dümpten vor. Doch das hätte nicht ganz gepasst, denn unsere Schule liegt zum Teil ja auch im Stadtteil Winkhausen und hätte deshalb Gesamtschule Dümpten-Winkhausen heißen müssen. Das erschien uns aber als zu umständlich. Deshalb haben wir einen Namensgeber gesucht, der gut in unser Schulprogramm passte und selbst Programm sein konnte. Deshalb stand in der Schulkonferenz sehr schnell der Name Gustav Heinemann zur Debatte, während ein zweiter Name, der von Rosa Luxemburg, vorgeschlagen wurde, aber nicht mehrheitsfähig war. Gustav Heinemann erschien uns als die beste Namenswahl. Denn es war damals ja die Zeit der Friedensbewegung und Gustav Heinemann war ja ein Politiker, der sich sehr für Frieden und gegen unnötige Militarisierung engagiert hat. Als Christ hatte er im Widerstand gegen Hitler gestanden und als Bundesjustizminister sorgte er dafür, dass diskriminierende Gesetze, wie der Paragraph 175, der Homosexualität unter Strafe stellte abgeschafft wurden. Sehr vielen Eltern und Lehrern erinnerten sich damals auch noch sehr gut, wie Heinemann in der politisch aufgeladenen Zeit der 68er Bewegung für politische Toleranz geworben hatte, wenn er zum Beispiel einmal in einer Diskussion feststellte: "Wer mit dem Finger auf andere zeigt, sollte daran denken, dass drei Finger der eigenen Hand auf ihn selbst gerichtet sind."

Wie wurde der Name Gustav Heinemann zum Schulprogramm?
Gleich nach der Namenswahl haben sich Schüler eines Geschichtsleistungskurses daran gegeben, eine Ausstellung über das Leben Gustav Heinemannzu machen und später haben wir die Umbenennung der Schule auch noch einmal mit Gustav Heinemanns Kindern Peter Heinemann und Uta Ranke-Heinemann sowie Gustav Heinamnns letztem Referenten, Martin Losdz unseren neuen Namen ganz offiziell gefeiert. Der Name ist für unsere Schule immer wieder zum Ansporn geworden, aus der Lehrer- Schüler und Elternschaft gesellschaftlich engagierte Initiativen, wie Schule ohne Rassismus, Schreibwerkstätten zu wichtigen gesellschaftlichen Themen, die Europaschule oder in diesem Jahr eine Spendenaktion für die Erdbebenopfer in Haiti zu entwickeln. Immer wieder haben sich Lehrer, Eltern und Schüler gesagt: Das sind wir ja auch dem Namen unserer Schule schuldig.

Wäre in einigen Jahrzehnten auch eine Christian-Wulff-Schule denkbar?
Schulen nach einem Bundespräsidenten zu benennen ist auch heute zeitgemäß. Es gibt ja inzwischen nicht nur Gustav-Heinemann, sondern auch viele Theodor-Heuss- und Johannes-Rau-Schulen. Es kommt auf die Persönlichkeit an. Man muss abwarten und sich fragen, wofür wird Christian Wulff stehen? Ich bin gespannt, wie er sich entwickeln wird und ob es ihm gelingt, das Auseinanderbrechen unserer Gesellschaft in Arm und Reich zu verhindern und zu versöhnen statt zu spalten, etwa, wenn es darum geht, wie gehen wir als Gesellschaft mit unseren sozial benachteiligten Gruppen um. Wenn er sich dabei wirklich große Verdienste erwerben sollte, könnte ich mir vorstellen, dass man eines Tages auch nach ihm Schulen benennen wird. Wenn ihm das nicht gelingt wird er eben in die Reihe der Bundespräsidenten einzuordnen sein, nach denen man eher keine Schulen benennt.

Eine Kurzfassung dieses Interviews erschien am 2. Juli 2010 in der NRZ

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