Dienstag, 8. März 2011

Karneval mal anders gesehen: Ein Erfahrungsbericht als Elferrat bei der KG Blau Weiß

Normalerweise sitzt der Karnevalsreporter irgendwo hinten im Saal und schaut sich das närrische Treiben auf der Bühne von vorne an. Doch an diesem Karnevalssamstag ist das anders. Da sitzt er bei der Prunksitzung der KG Blau Weiß im Altenhof ganz vorne und erlebt das Geschehen auf der Bühne von hinten. Eine ungewohnte, aber durchaus reizvolle Perspektive.

Von der Elferratstribüne aus kann man vor allem die Beinarbeit der Tanzgarden und Tollitäten besonders gut beobachten und darüber staunen, was sie als Show auf eine gerade mal vier-mal-acht-Meter-große Bühne zaubern. Alle Achtung, auch vor den Jecken, die die Bühne in mehrtägiger Arbeit aufgebaut haben. Auf der Elferratstribüne spürt man jeden Schritt, der auf der Bühne getanzt wird, egal, ob man auf seinem kleinen Klappstuhl sitzt oder gerade steht. Man hat also ganz automatisch den Rhythmus im Körper, bei dem man mit muss.
Apropos Rhythmus. Die wichtigste Regel lernt man als Elferrat sehr schnell. Alle oder keiner. Als Elferrat muss man nicht nur auf das Geschehen auf der Bühne und im Saal, sondern auch auf seine Kollegen achten. Aufstehen, setzten, die Hände zum Himmel, klatschen, schunkeln, singen. Alles geschieht auf der schmalen Elferratstribüne synchron, fast wie von selbst. Das nennt man Gruppendynamik.

Und während sich der Karnevalsreporter sonst auch schon mal gemütlich zurücklehnt, muss er als Elferrat immer auf der Höhe des närrischen Geschehens sein und mitmachen. Als Elferrat soll man ja Vorbild für die Jecken im Saal sein und nicht als Spaßbremse aus Reihe tanzen.
Das an diesem Abend zu fast 100 Prozent kostümierte Publikum sieht der Elferrat übrigens nur schemenhaft. Hier und da erahnt man im nur von einigen Kerzen erleuchteten Saal den einen oder anderen Cowboy, Clown oder Kappenträger.
Der Elferrat von der Presse hat zur Feier des Tages eine bunte Narrenkappe und die Orden des Prinzenpaares und der KG Blau Weiß angelegt, die er im Laufe der Session verliehen bekommen hat. Im reinen Straßenzivil auf einer Elferratstribüne zu sitzen oder zu stehen, hieße ja närrisch betrachtet, fast nackt zu sein.

Auch die roten Stoffnasen, die die Tollitäten den Elferräten gleich zum Beginn der Prunksitzung verpassen, um sie an ihre Pflichten als Stimmungsmacher zu erinnern stehen ihnen gut. Allerdings stellen diese lustig anzusehenden Karnevalsaccessoires für ihre Träger ein zweifelhaftes Vergnügen dar. Denn so lange man sie auf der Nase sitzen hat, kann man nur durch den Mund ein und aus atmen.

Ein eindeutige Vergnügen sind an diesem Abend die Tanzgarden und Musiker der KG Blau Weiß, die mit ihren Kollegen von den Neukirchener Tanzbienen, einem unbeschreiblich weiblichen Männertanzballett ,oder den gut 50 Musikern und Tänzerinnen der Aachener KG Eulenspiegel ebenso für Stimmung sorgen, wie Bauchredner Peter Moreno und die Funky Marys aus Köln.

Die Stimmungssängerinnen vom Rhein lassen die Elferräte auch nicht einfach hinter sich sitzen, sondern holen sie als mitsingende und mitschunkelnde Backroundboys von ihrer Tribüne herunter. Drücken geht nicht. Denn Mitmachen ist erste Elferratspflicht. Der Gott sei Dank bühnenerprobte Blau-Weiß-Präsident Thomas Straßmann muss auf Geheiß der fünf flotten Damen aus der Domstadt sogar ein Tanzsolo aufs Bühnenparkett legen. Manchmal ist es angenehm, wenn man als Elferrat in der ersten Reihe, aber nicht an der Spitze steht. Doch dafür darf der Präsident die Damen auch anschließend mit dem Gesellschaftsorden auszeichnen und bützen. Das Privileg eines Präsidenten. Mann freut sich. Straßmann, der auf seinem Präsidentenplatz abwechselnd mit Zepter, Mikrofon und Programmzetteln hantiert, ist eben ein echter Karnevalsprofi. Das zeigt sich auch als sich die Neukirchener Tanzbienen verspäten und er die Programmlücke gekonnt mit einer selbst gesungenen Schlagerrunde: "Hey, was geht ab. Wir feiern die ganze Nacht" gekonnt überspielt, ohne dass die Stimmung im Saal abstürzt.

Die ganze Nacht feiern die Blau-Weißen dann doch nicht. Nach gut vier Stunden, die auch für die Elferräte, wie im Flug vergangen sind, sorgen die Musiker der KG Blau Weiß mit "Danke Schön. Auf Wiedersehen. Beim nächsten Mal wird es noch mal so schön." für einen stimmungsvollen Ausklang, während die Elferräte über eine kleine Holzleiter von ihrer Tribüne herabsteigen und wieder sicheren Bühnenboden unter den Füßen haben.

Närrische Notizen am Rande:

Als Elferrat habe ich am Samstag bei der KG Blau Weiß mitgemacht. Da war ich froh und hab mehr als einmal gelacht. Die Prinzessin, eine Rheinhessin, hat uns elf närrischen Kollegen rote Nasen mitgebracht, der Stimmung wegen
Die haben wir uns aufgesetzt und wollten sie behalten bis zu letzt. Als Gast im Elferrat war ich auch immer schön parat. Ich bewegte mich nicht nur beim Schunkeln, immer wieder auf und nieder und sang dabei auch manche jecken Lieder
Ich habe auch nicht mit Schorle, Brötchen und Schokoriegeln auf dem Elferratstisch herumgematscht, dafür aber so geklatscht, dass meine Finger waren fast wund. Doch es hat sich gelohnt, denn die Sache war wirklich rund.

Als närrischer Zeitungsmensch konnte ich nicht nur beim Elferrat sitzen und unter den Scheinwerfern schwitzen. Da musste ich zwischendurch auch mal meinen Stift spitzen. Und bei diesem Manöver fiel mir meine rote Narrennasse zwischen die Bühnenritzen
Ich armer Mohr, der seine rote Nase vor der Zeit verlor. Doch Gott sei Dank hatten die Tollitäten Humor. Als sie später noch mal kamen, blieb ihr Tadel wohl im Rahmen. Auch die angedrohte Strafe, den Prinzenwagen heut zu ziehen, traf mich armen Wicht Gottlob nicht. Ich würd es ja tun mit Entzücken. Doch tät ich’s, so fürchte ich, hätte ich es Aschermittwoch am Rücken und müsste bis zum nächsten Elften im Elften schmerzhaft gehen an Krücken.

Dieser Beitrag erschien am 7. März 2011 in NRZ und WAZ

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