Sonntag, 3. April 2011

Warum sich die Mülheimerin Jennifer Hardes mit 29 Jahren taufen lässt und in die katholische Kirche eintritt


Taufe. Dabei denkt man normalerweise an Kinder. Doch es gibt auch Erwachsene, die sich taufen lassen. Allein 2009 gingen, laut Bischofskonferenz, in Deutschland 3315 Menschen über 14 Jahren diesen Weg, fanden so spätberufen zum christlichen Glauben und zur katholischen Kirche. Das entspricht in etwa dem Niveau der letzten 15 Jahre. Während der Anteil der Erwachsenentaufen damit 2009 bundesweit bei etwa 1,8 Prozent lag, war der Anteil der Erwachsenentaufen vor allem in den ostdeutschen Bistümern deutlich höher. In Magdeburg lag er zum Beispiel bei 10.4 und in Görlitz bei 7,2 Prozent. Gleichzeitig bewegte sich der Anteil der Erwachsenentaufen in den süddeutschen Bistümern Regensburg, Augsburg, Passau und Würzburg nur zwischen 0,9 und 1,1 Prozent.

"In den Südbistümern gibt es ein traditionell starkes katholisches Milieu. Da ist es noch selbstverständlicher, dass Eltern ihr neugeborenes Kind auch taufen lassen. In den ostdeutschen Bistümern ist das ganz anders. Dort finden viele Menschen erst im Erwachsenenalter zum Glauben", erklärt der beim Ruhrbistum Essen für Erwachsenenkatechese und Erwachsenentaufen zuständige Theologe Nicolaus Klimek die regionalen Unterschiede. Sein Bistum lag mit 112 Erwachsenentaufen 2009 und einem Anteil von 2,2 Prozent leicht über dem Bundesdurchschnitt.

Aus seiner eigenen Praxis und aus dem regelmäßigen Erfahrungsaustausch mit seinen Kollegen aus den anderen Bistümern, weiß Klimek, was Menschen im Erwachsenenalter motiviert, sich taufen zu lassen. Er sieht vor allem die "Begegnung mit glaubwürdigen und überzeugten Christen, die Eheschließung mit einem katholischen Partner oder auch Lebenskrisen, in denen sich die Sinnfrage noch einmal ganz existenziell stellt" als die zentralen Schlüsselerlebnisse, die die Tür zum Glauben und zum Eintritt in die katholische Kirche öffnen. "Es ist immer wieder bewegend zu hören und zu sehen, was der Glaube für die Menschen bedeutet und welche Kraft sie durch ihn spüren", berichtet Klimek von inspirierenden Begegnungen mit Erwachsenen, die sich besonders intensiv und bewusst mit dem christlichen Glauben auseinandergesetzt haben, weil sie nicht schon durch ein religiöses Elternhaus geprägt worden sind.

Das gilt auch für Jennifer Hardes. (Foto) Die 29-jährige Umweltschutzassistentin, die an der Universität Dortmund arbeitet und in Mülheim an der Ruhr lebt, bereitet sich zurzeit mit 18 anderen Erwachsenen in einem Glaubenskurs auf ihre Taufe vor. Obwohl ihre Eltern evangelisch sind, spielte Religion in ihrer Jugend keine große Rolle. Der Gottesdienstbesuch gehörte nicht zum Alltag. Mit dem Religionsunterricht in der Schule konnte sie anfangs nicht viel anfangen, weil der Glauben zu Hause nicht gelebt wurde. Die katholische Kirche war für sie, wie ein ferner Planet, galt ihr vor allem als streng, konservativ und lebensfern.

Doch dann lernte sie in der Berufsschule einen katholischen Priester kennen. Der begeisterte sie mit ihrem ausgesprochen lebenspraktischen Religionsunterricht und seiner gelebten Nächstenliebe. Denn der Priester nahm in seinem Pfarrhaus auch Obdachlose auf. "Das hat mich irgendwie aufgeweckt. Und ich habe gemerkt, dass man nicht alles schwarz-weiß sehen kann und das es im Leben viele Grauabstufungen gibt", erinnert sich Hardes.

Später lernte sie einen Mann aus dem katholischen Italien kennen und ließ sich von der Kirchenbaukunst in Bella Italia begeistern. "Wenn man darauf soviel Sorgfalt verwendet hat, muss da was dran sein", dachte und denkt sie immer wieder mit Blick auf alte Gotteshäuser. Doch den letzten Anstoß zur Taufe und zum Eintritt in die katholische Kirche kam erst viel später in Form einer Tauffeier und eines Trauergottesdienstes. "Die Symbolik der Liturgie hat mir gut gefallen. Und ich habe gespürt, dass der Glaube, den man als Teil einer großen Gemeinschaft lebt und mit anderen Menschen teilt etwas ist, woran man sich im Leben festhalten kann," schildert Hardes ihre spirituelle Erfahrung in und mit der katholischen Kirche. Dabei lässt die Naturwissenschaftlerin, die in der Naturbetrachtung göttlichen Ursprung entdeckt, "weil dort alles sehr perfekt aufeinander abgestimmt ist", keinen Zweifel daran, dass sie sich auch eine katholische Kirche vorstellen kann, in der auch Frauen eines Tages Priester werden können, in der der Pflichtzölibat für Priester abgeschafft wird und in der auch Homosexuelle ihren Platz haben.

Kein Wunder, dass es zu Hause "Grund zur Diskussion gab", als die evangelischen Eltern erfuhren, dass sich ihre Tochter katholisch taufen lassen wollte. Doch Hardes, die mit der Taufe im Mai auch die Heilige Erstkommunion und die Firmung empfangen wird, ließ sich nicht von ihrer Entscheidung abbringen. Auch Naturkatastrophen, wie jetzt in Japan, können die Naturwissenschaftlerin nicht in ihrem neuen Glauben erschüttern. Denn sie sieht die Not dieser Welt als "von Menschen gemachtes Problem." Sie kann mit Blick auf Japan zum Beispiel nicht nachvollziehen, wie man in einem geologisch sehr aktiven Gebiet Atomkraftwerke errichten kann. Insofern sieht sie Gott zwar bei den Menschen in Not, aber nicht "als jemanden, der alles glatt bügelt."

Apropos glatt bügeln. Die Freude über Menschen, wie Jennifer Hardes, die aus eigenem Entschluss und freiem Willen den Weg in die katholische Kirche gefunden haben, kann die ebenfalls aus der Statistik der Bischofskonferenz hervorgehende Tatsache nicht "glatt bügeln", dass allein im Jahr 2009 über 120.000 Menschen in Deutschland die katholische Kirche verlassen haben, während nur etwas mehr als 12.000 Menschen in die katholische Kirche eintraten oder wieder aufgenommen wurden und insgesamt 179.000 Taufen 255.000 Sterbefälle gegenüberstanden.


Dieser Beitrag erschien am 31. Mär 2011 in der katholischen Tageszeitung Die Tagespost

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