Sonntag, 19. Juni 2011

30 Jahre im Priesteramt: Der Pastor von St. Engelbert, Michael Clemens, zieht eine kritische Zwischenbilanz



Es waren die prägenden und positiven Erfahrungen in der katholischen Jugendarbeit, die ihn seinerzeit zu seiner geistlichen Berufswahl inspirierten. “Ich wollte etwas zurückgeben“, sagt Clemens. Obwohl er zwischenzeitlich der Theologie ade gesagt und Erziehungswissenschaften studiert hatte, kehrte er zur Theologie und zum Priesteramt zurück, weil er sich als jemanden sieht, „der gut mit Menschen umgehen kann und gerne Verantwortung übernimmt.“ Das Priesteramt sieht er als einen Beruf, “den man nur mit Haut und Haaren machen kann.“ Genau das fasziniert ihn.Seit 18 Jahren leitet er jetzt die Gemeinde in einem zunehmend multikulturellen Stadtteil.






„Das multikulturelle Zusammenleben ist eine Herausforderung“, gibt Clemens zu. Doch auch wenn er seine Kirche kritisch sieht und sich manchmal fragt, „wie tief das Christentum bei uns verankert ist“, sieht er keinen Grund für Lethargie und Untergangsstimmung.Zurzeit fühlt er sich durch einen jungen und aktiven Gemeinderat und von steigenden Besucherzahlen im Gottesdienst beflügelt. „Es gibt einen großen Hunger nach Glauben“, ist sich Clemens sicher. Anspruchsvolle Liturgie und Predigten begreift er ebenso als Teil einer einladenden Seelsorge, wie die Einrichtung einer neuen Krabbelgruppe. Auch wenn seine Gemeinde mit dem Engelbertusstift ein Altenheim in ihren Mauern hat, möchte er sie nicht auf Altenpastorale reduziert wissen.






Er selbst hat sich einem Familienkreis angeschlossen, um als Priester in der Gemeinde nicht zu vereinsamen und Menschen zu finden, „die einen mittragen.“ Obwohl er sich selbst mit der Priesterweihe vor 30 Jahren für den Zölibat entschieden hat, glaubt Clemens, dass das Priesteramt auch ohne diesen zu leben wäre. Außerdem ist er davon überzeugt, dass seine Kirche, der er „mehr Offenheit und Echtheit“ und weniger „Wagenburgmentalität“ wünscht, angesichts des Priestermangels nicht umhin kommt, über die Rolle der Frauen in der Kirche neu nachzudenken. „Es geht nicht, dass wir ihnen die Arbeit überlassen, aber sie trotzdem nichts zu sagen haben.“






Auch wenn Clemens seiner Kirche empfiehlt, nicht nur über Strukturen zu diskutieren, sondern auch dem heiligen Geist eine Chance zu geben, empfindet er die jetzigen Strukturen der Großgemeinden als „übergestülpt.“ Nach seiner Ansicht „nehmen sie den Menschen das Gefühl, dass die Kirche im Dorf ist.“






Seine Zukunftsvision ist die einer auf Teilhabe ausgerichteten Kirche, „die den Menschen das Gefühl gibt, mittendrin zu sein.“ Der Pastor von St. Engelbert geht davon aus, dass es noch zwei Generationen dauern wird, bis die jetzigen Gemeindestrukturen von den Menschen vor Ort akzeptiert werden.






Dieser Text erschien am 16. Juni 2011 in NRZ und WAZ

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