Mittwoch, 26. Dezember 2012

Warum das Fernsehen, das vor 60 Jahren in Deutschland seinen regelmäßigen Sendebetrieb aufnahm für den Heißener Arnold Fessen mehr als nur ein technisches Gerät und ein Massenmedium ist

Vor 60 Jahren begann in der Bundesrepublik das Fernsehzeitalter. Gerade mal 10.000 Zuschauer sahen am 25. Dezember 1952 das erste regelmäßige Fernsehprogramm, das damals vom Nordwestdeutschen Rundfunk ausgestrahlt wurde. Der Erste Fernsehabend dauerte gerade mal 58 Minuten und bot dem Publikum eine Sendung über die Entstehung der Weihnachtsliedes „Stille Nacht, heilige Nacht“ und das Tanzspiel „Max und Moritz.“ Tags darauf wurde die erste Tagesschau ausgestrahlt. Für Arnold Fessen sind 60 Jahre deutsche Fernsehgeschichte ein elementarer Teil seiner eigenen Lebensgeschichte. Fessen und das Fernsehen. Das ist ist fast so etwas wie eine Liebesgeschichte.

Wenn es nach seinem Vater gegangen wäre, hätte Arnold Fessen sein Berufsleben als Beamter bei der Bundesbahn verbracht. Und tatsächlich hat der heute 69-jährige Bezirksbürgermeister einige Jahre im Fahrdienst der Bundesbahn gearbeitet, eher er sich Ende der 50er Jahre entschloss, seiner großen Liebe zu folgen. „Ich habe mich in die Radio- und Fernsehtechnik verliebt“, sagt Fessen.

Schon als Junge bastelte er gerne an alten Röhrenradios herum. Und dann gab es ab 1952 nicht nur etwas zu hören, sondern auch zu sehen, im Fernsehen. „Der erste Mülheimer, der damals ein Fernsehgerät bekam, war der Heißener Elektrogroßhändler Werner Göntgen“, erinnert sich Fessen.

Ein Philipps-Fernsehgerät aus dem Baujahr 1952, das Fessen zu seiner aus 40 alten Geräten bestehenden Fernsehsammlung zählt, kostete damals 1500 Mark Mark. Er selbst verdiente 1958 bei der Bundesbahn 360 Mark im Monat. „Das Fernsehen war anfangs nur etwas für wohlhabende Leute. Aber es konnte im Wirtschaftswunder schnell seinen Siegeszug antreten, weil die Menschen damals mit Blick auf ihre sicheren Arbeitsplätze Ratenkäufe vereinbaren konnten. Damals hatte man einfach mehr Planungssicherheit“, erzählt Fessen.

Seine erste Fernseherfahrung war das Berner WM-Finale im Juli 1954, als Deutschland zum ersten Mal Fußballweltmeister wurde. Damals sah der 14-jährige Arnold die Helden von Bern über eine Fernsehmattscheibe laufen, die in einer Heißener Gaststätte flimmerte. „Viele Gastwirte haben sich damals relativ schnell ein Fernsehgerät in ihre Gaststätte gestellt, weil sie Angst hatten, dass die Leute sonst zu Hause bleiben würden. Allerdings hat das Fernsehen die Leute in den ersten Jahren auch näher zueinander gebracht. Denn wer kein Fernsehgerät hatte, konnte problemlos bei Nachbarn mitgucken,“ weiß Fessen aus der Frühzeit des Fernsehens zu berichten. Man kann es sich heute nicht mehr vorstellen. Bis zur ZDF-Gründung im Jahr 1963 gab es in Deutschland nur ein Fernsehprogramm, dass auch nur einige Stunden am Abend sendete.

Ab 1955 konnte man sich zum Radio- und Fernsehtechniker ausbilden lassen. Fessen begann seine Ausbildung, die er 1965 mit der Meisterprüfung und der anschließenden Selbstständigkeit abschließen sollte. „Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht“, sagt er und strahlt dabei über das ganze Gesicht. Im Laufe von vier Berufsjahrzehnten, in denen er auch schon mal das Fernsehgerät unter dem Weihnachtsbaum reparieren musste oder von kleinen Kindern in die Hacken getreten wurde, weil der böse Onkel den Fernsehapparat der Familie einfach mitnahm. „Sie konnten einfach nicht begreifen, dass ich das Gerät nur mitnehmen wollte, um es zu reparieren“, erzählt Fessen mit einem Augenzwinkern.

Allerdings hat Fessen im Laufe seiner Berufsjahre auch so manches alte Fernsehschätzchen, das nicht mehr repariert, sondern nur noch ausgemustert werden konnte, mit dem Einverständnis der Vorbesitzer mitgenommen und in seinen Fernsehkeller geschafft, um sie irgendwann wieder zu aktivieren.

Andere Fernsehschätze, wie das kombinierte Fernseh- und Radiogerät der Firma Markoni aus dem Baujahr 1939, einen Saba-Fernsehprojekt, Baujahr 1956, oder besagten Philipps-Fernseher aus dem Baujahr 1952, hat Fessen, mal als Schnäppchen, mal für viel Geld auf Trödelmärkten oder bei Sammlerbörsen erworben, ebenso, wie manches alte Ersatzteil.

„Immer wenn ich ein Fernsehgerät repariere, bewundere ich die Leute, die diese Technik entwickelt haben“, sagt Fessen. Gerade an den alten Röhren und Transistorgeräten fasziniert ihn, dass man anders, als bei modernen digitalen Fernsehgeräten „Funktionsweise und Fehlerquellen viel schneller und leichter nachvollziehen kann.“ Deshalb geht er auch als Rentner gerne in seinen Fernsehkeller, um alte Fernseher wieder zum Flimmern zu bringen, obwohl er glaubt, „dass ich bestimmt nicht mehr alle meine Fernsehgeräte reparieren werde.“

Dieser Text erschien am 24. Dezember 2012 in der NEUEN RUHR ZEITUNG

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