Mittwoch, 20. Februar 2013

Nachgefragt: Wie kann man das Ehrenamt stärken?

Jeder Dritte engagiert sich inzwischen ehrenamtlich. Damit wird das Gemeinwesen sozial gestärkt und finanziell entlastet. Kein Wunder, dass der Bund mit einem Gesetz, das am 1. März auf der Tagesordnung des Bundesrates steht (siehe Kasten) das Ehrenamt stärken und von bürokratischem Ballast entlasten will. „Menschen engagieren sich ehrenamtlich, weil sie ihren Einsatz als sinnvoll erleben und nicht, weil sie dafür eine Entschädigung bekommen wollen. Dennoch ist der Gesetzentwurf ein Schritt in die richtige Richtung, weil wir eine Anerkennungskultur und ein gesellschaftliches Bewusstsein für den Stellenwert des Ehrenamtes brauchen“, glaubt der Geschäftsführer des Centrums für bürgerschaftliches Engagement (CBE), Michael Schüring. Seine Kollegen und er begleiten und beraten täglich Menschen, die sich freiwillig und unentgeltlich für die Stadtgesellschaft engagieren. Eine Ehrenamts- und Freiwilligenkarte sind für Schüring Ausdruck einer solchen Anerkennung. Damit gewähren Unternehmen, Kultur- und Sporteinrichtungen ehrenamtlich engagierten Bürgern Boni. Weiter zählt Schüring den in NRW eingeführte Rahmenversicherungsschutz für Freiwillige auf oder auch den bei Bewerbungen hilfreichen Landesehrenamtsnachweis.


Mit der Geschichtsstudentin Janine Ziesmann (27) und dem ausgebildeten Fluggerätemechaniker Fabian Doneth (21), engagieren sich seit einigen Jahren als Truppführerin und als Helfer beim Technischen Hilfswerk. Zusammen mit 85 ehrenamtlichen Kollegen bauen sie Absperrungen für den Rosenmontagszug oder den NRW-Tag auf, pumpen vollgelaufene Keller leer, bergen verschüttete Menschen oder beseitigen Sturmschäden. Mit ihnen sprach die NRZ darüber, wie man das Ehrenamt stärken kann.   Warum engagieren Sie sich ehrenamtlich beim THW?

Ziesmann: Ich interessiere mich für Technik und wollte mich sozial engagieren. Beides kann man hier sehr gut miteinander verbinden. Was mir besonders gut gefällt, ist unsere Teamarbeit, bei der sich jeder auf den anderen verlassen kann.

Doneth: Weil ich einen technischen Beruf erlernt habe und sozial aktiv sein wollte, fühle ich mich beim THW gut aufgehoben. Mir gefällt besonders gut, dass wir hier mit ganz unterschiedlichen Motoren und Gerätschaften arbeiten.

Wird Ihre ehrenamtliche Arbeit immer geschätzt?

Doneth: Wenn man, wie ich am Rosenmontag an den Zugabsperrungen steht, kann das auch mal stressig werden. Manche Autofahrer werden da verbal ausfällig und verstehen nicht, warum am Rosenmontag die Innenstadt gesperrt ist. Ich habe aber auch ein kleines Kind getroffen, das mich gefragt hat, ob ich etwas von seinen Süßigkeiten mithaben möchte.

Ziesmann: Wenn wir gerade einen Keller auspumpen oder bei Hochwasser Sandsäcke aufschichten, sind die davon betroffenen Leute natürlich schon sehr dankbar. Da bekommen wir nicht nur ein Danke, sondern auch schon mal eine Tasse Kaffee. Das macht Spaß und gibt ein gutes Gefühl. Manchmal gibt es aber auch Probleme mit Arbeitgebern, wenn Helfer an einer Schulung oder Übung teilnehmen wollen. Arbeitgeber bekommen zwar die Lohnkosten und Sozialabgaben erstattet, die durch den Arbeitsausfall entstehen, tun sich aber schwer, zu bestimmten Zeiten auf eine Fachkraft zu verzichten.

Frustriert es Sie, wenn Menschen den Wert Ihrer ehrenamtlichen Arbeit nicht zu würdigen wissen?

Doneth: Ja, natürlich. Wir machen das doch nicht umsonst, sondern für unser Gemeinwesen. Aber auch die Wertschätzung durch die Politik ist nicht immer gegeben. Beim NRW-Tag wurden die eingeladenen Politiker umsonst verpflegt, während die vielen Helfer selbst für ihre Verpflegung sorgen mussten. Das hat bei unserer THW-Ortsgruppe gut funktioniert, da wir unsere Fahrtkostenerstattung zusammengelegt haben, um dort gemeinsam essen und trinken zu können.

Sehen Sie sich durch die aktuelle Gesetzesinitiative des Bundes in Ihrem Ehrenamt gestärkt?

Ziesmann: Es wäre aus meiner Sicht viel interessanter, wenn wir insgesamt finanziell besser unterstützt würden, um uns technisch besser ausrüsten und durch mehr Übungen besser trainieren und weiterbilden zu können. Ich habe Zweifel, ob von dem geplanten Ehrenamtsstärkungsgesetz bei jedem einzelnen Helfer wirklich so viel ankommen wird.

Doneth: Auch mir wäre es lieber, wenn man mehr Geld in unseren Etat und in unser Material stecken würde. Wir machen das ja nicht, weil wir finanzielle Erleichterungen haben wollen, sondern weil wir unsere Arbeit sinnvoll finden und gut machen wollen.

Warum braucht unsere Gesellschaft das Ehrenamt und Menschen, wie Sie, die mehrere 100 Stunden pro Jahr in ihre unentgeltlich Arbeit beim THW investieren

Doneth: Wir lernen hier gemeinsam Probleme zu lösen und das nicht immer nur auf einem fest vorgegeben Weg. Das geht in unserer heutigen Gesellschaft, in der sich jeder Einzelne immer mehr spezialisiert und seinen eigenen Weg geht, immer mehr verloren. Mich erschreckt es, wenn ich lese, dass Menschen auf der Straße zusammengebrochen sind und niemand geholfen hat. Das würde hier bei uns nie passieren. Da würde von uns jeder sofort hingehen und helfen. Wir vertreten hier soziale Werte, die es in unserer Gesellschaft immer weniger gibt. Viele Menschen verkennen, dass man durch ehrenamtliches Engagement sozial reift.
Jede Frau und jeder Mann sollte mindestens einmal in seinem Leben ein freiwilliges soziales Jahr in einem Bereich seiner Wahl machen, um der Gesellschaft, die ihm eine Ausbildung bietet, auch etwas zurückzugeben.

Der Gesetzentwurf sieht vor:
Der im Herbst 2012 vom Bundeskabinett verabschiedete Gesetzentwurf, der den Bundestag passiert hat und derzeit zur Beratung dem Bundesrat vorliegt, sieht unter anderem vor:


Wer sich ehrenamtlich als Übungsleiter in Vereinen engagiert, soll 2400 Euro, 300 Euro Euro mehr als bisher als Jahresauschale steuer- und sozialabgabenfrei bekommen können.

Für alle anderen ehrenamtlich engagierten Helfer soll die steuer- und sozialabgabenfreie Ehrenamtspauschale von 500 auf 720 Euro pro Jahr angehoben werden. Damit entfiele auch der Einzelnachweis für Aufwendungen, die mit ihrem Ehrenamt verbunden sind.

Vereine, Stiftungen und gemeinnützige Organsiationen sollen künftig flexibler über ihre Mittel verfügen und leichter Rücklagen bilden können.

Ehrenamtlich tätige Menschen sollen nur noch dann zivilrechtlich für Schäden haften müssen, wenn ihnen Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen werden kann oder wenn sie für ihre Tätigkeit mehr als 720 Euro pro Jahr erhalten.   Dieser Beitrag erschien am 15. Februar 2013 in der Neuen Ruhr Zeitung 

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