Freitag, 15. März 2013

Ein Schauspiel fürs Leben: Was zieht es die Backsteintheaterdebütantin Marie Elisabeth Zipp auf die Bühne?


Für Marie Elisabeth Zipp war es eine Premiere in der Premiere. Denn am Wochenende spielte sie in Alan Ayckbourns Komödie „Ein komisches Talent“ in der Rolle als Schauspielaktroidin Jacie zum ersten Mal für das Backsteintheater im Kasino des Evangelischen Krankenhauses. Nach der Premiere fragte die NRZ, was man im Theater auch fürs Leben lernen kann.

Frage: Wie kamen Sie zum Backsteintheater?

Antwort: Zipp: Durch eine Bekannte, die vom Backstein-Regisseur Michael Bohn gehört hatte, dass er noch jemanden für die Rolle der Jacie suchte. Sie wusste, dass ich schon mehrfach in Musicalaufführungen mitgewirkt habe. Ich habe dann Kontakt zum Theater aufgenommen und bin auch sofort ganz herzlich im Ensemble aufgenommen worden.

Frage: Was reizt Sie am Theater?

Antwort: Es ist einfach toll, mit anderen zusammen an einem Projekt zu arbeiten, das man am Ende dann auch Zuschauern präsentieren kann. Und wenn die Resonanz des Publikums stimmt, wie an diesem Wochenende, ist das natürlich großartig. Als Darstellerin schlüpft man auf der Bühne in Rollen, die man zum Teil auch aus dem Alltag kennt, aber es ist einfach alles viel intensiver und komprimierter.

Frage: Was war der Unterschied zu Ihren bisherigen Musicalauftritten?

Antwort: Dass nicht gesungen wurde. Singen verleiht der Handlung sehr viel mehr Struktur und hilft den Darstellern, in die Emotionen ihrer Rolle hineinzukommen. Das ist beim Theater eine ganz andere Herausforderung. Diese andere Bühnenerfahrung hat mich fasziniert.

Frage: Hatten Sie vor Ihrem ersten Theaterauftritt Lampenfieber?

Antwort: Ich bin nicht der Lampenfiebertyp, sondern freue mich immer darauf, mit anderen zusammen auf der Bühne zu stehen. Zumal wenn ich, wie in diesem Ensemble, mit Leuten zusammen spielen kann, die auch menschlich toll sind.

Frage: War es schwierig für Sie zwischen Mensch und Maschine zu wechseln?

Antwort: Das war ein Lernprozess, der sich während der Proben entwickelt hat. Ich habe mich immer wieder in die Figur hineingedacht und überlegt, wie würde das jetzt maschinell ablaufen und was könnte eine Maschine in dieser Situation fühlen. Der Vorteil von Jacie ist ja, dass sie Humor und insofern menschliche Züge hat. An diese Emotionen konnte ich gut anknüpfen.

Frage: Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Marie Zipp und Jacie?

Antwort: Vielleicht, dass wir beide erleben, wie eng Trauer und Freude beieinanderliegen und das wir neugierig sind und dass wir jeden Tag etwas Neues dazu lernen und die Welt so immer wieder neu entdecken.

Frage: Sehen Sie auch im richtigen Leben Menschen, die wie ein Schauspielaktroid ihre auf der sozialen Festplatte gespeicherte Rolle herunterspielen?

Antwort: Wir leben in einer hektischen und von Regeln stark durchstrukturierten Gesellschaft, in der wir mitschwimmen und deshalb manchmal auch eine bestimmte Rolle spielen müssen. Da steht man unter einem gewissen Zwang. Denn wenn man das nicht macht, hat man Pech gehabt. Da ist es schon schwierig , seine eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Aber ich kenne Gott sei Dank mehr Menschen, die sehr ehrlich sind und nicht nur eine Rolle spielen. Ich denke da zum Beispiel an meine behinderte Schwester, die ein Down Syndrom hat. Ich bin so dankbar dafür, dass ich sie habe. Denn das sind die ehrlichsten Menschen der Welt, die so eine Lebensfreude ausstrahlen, dass wir uns alle davon eine Scheibe abschneiden können.

Frage: Was kann man aus dem komischen Talent als Zuschauer mitnehmen?

Antwort: Man nimmt die Erkenntnis mit, dass man Humor und Ernsthaftigkeit sehr gut miteinander verbinden kann. Und das man nicht nur als Schauspielaktroid, sondern auch als Mensch immer wieder in neue Situationen hineineingeworfen wird, aus denen man sich am besten freischwimmen kann, wenn man einen Menschen hat, der einem beisteht und hilft, sich im Leben zu orientieren.

Frage: Was ist für Sie, als angehende Erziehungswissenschaftlerin, der pädagogische Mehrwert des Theaters, jenseits der guten Unterhaltung?

Antwort: Theater ist ein pädagogisches Eldorado, weil man auf der Bühne Beziehungen spielen und sehen kann, wie man selbst auf andere wirkt. Als Zuschauer kann man Theater nicht nur genießen und vom Alltag abschalten, was auch pädagogisch sinnvoll ist, sondern auch das Gesehene reflektieren und so etwas für sein Leben mitnehmen.

Marie Elisabeth Zipp ist 25 und kommt aus Dümpten. Nicht nur dort hat sie in den Pfarrkirche St. Barbara bereits als Musicaldarstellerin in den Musicals über Nikolaus Groß und in dem Musical „Jinai“ mitgewirkt. An der Musicalakademie in Osnabrück hat sie eine Ausbildung gemacht und studiert jetzt an der Ruhruniversität Bochum Germanistik und Erziehungswissenschaften. Bevor sie als Darstellerin beim Backsteintheater einstieg, hat sie im Rahmen eines Auslandspraktikums Schülern in Sri Lanka Deutsch beigebracht. Außerdem arbeitet sie neben ihrem Studium als Lerntrainerin für die Caritas und organisiert zusammen mit Freunden Musical-Benefizaufführungen, deren Erlöse bedürftigen Kindern in Rumänien zugute kommen.   Dieser Text erschien am 12. März 2013 in der Neuen Ruhr Zeitung

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