Montag, 11. März 2013

Kinderarmut ist auch in Mülheim ein Thema: Der Geschäftsführer des Diakoniewerkes Arbeit und Kultur, Ulrich Schreyer, plädiert für konsequente Frühförderung

„Immer mehr Kinder leben in Armut“, titelte die NRZ in ihrer Ausgabe vom 6. März 2013. Der Paritätische Wohlfahrtsverband weist darauf hin, dass 2012 1,7 Millionen Kinder, 100.000 mehr als im Jahr zuvor, in Familien leben, die auf Arbeitslosengeld II angewiesen sind.


Auch in Mülheim stellt der Geschäftsführer des Diakoniewerkes Arbeit und Kultur, Ulrich Schreyer, eine „Verfestigung der Armut“ und eine „gesellschaftliche Spaltung zwischen gut situierten Familien und Familien in sozialer Schieflage“ fest. Er verweist unter anderem auf die Familienberichterstattung, die insbesondere in den Stadtteilen Stadtmitte, Styrum, Eppinghofen und Dümpten einen hohen Anteil von Kindern ausmacht, die in Familien aufwachsen, die auf Arbeitslosengeld II angewiesen sind. Schreyer sieht ein „Milieu der Langzeitarbeitslosigkeit“, in dem Kinder schon früh Perspektivlosigkeit erleben.

Das Diakoniewerk versorgt mit seiner Tafel derzeit täglich rund 1000 Bedürftige mit Lebensmitteln. 570 davon sind Kinder, die an 15 Schulen mit einem Frühstück versorgt werden, weil sie ohne Pausenbrot zur Schule kommen. „Auch jemand, der auf Arbeitslosengeld II angewiesen ist, kann seinem Kind ein Butterbrot mit in die Schule geben“, findet Schreyer. Hier sieht er keine Geld,- sondern eine Versorgungsarmut. Deshalb plädiert der Geschäftsführer des Diakoniewerkes im Kampf gegen die Kinderarmut auch nicht für mehr Kindergeld oder eine Kindergrundsicherung, sondern für eine „massive Frühförderung mit verbindlichen Strukturen.“ Wenn er von Kindern hört, die bei der Schuleingangsuntersuchung nicht hüpfen, nicht rückwärts gehen und keinen richtigen Satz auf die Beine bringen können, fragt er sich: „was da in den ersten sechs Lebensjahren, die für die Persönlichkeitsentwicklung entscheidend sind, passiert ist oder nicht passiert ist.“

Weil es Eltern gibt, die ihre Kindern nicht fördern können oder wollen, weil sie vorhandene Beratungs- und Hilfsangebote nicht wahrnehmen, fordert Schreyer „niederschwellige Anlaufstellen, wo Kinder etwas zu essen bekommen, ihre Hausaufgaben machen und einen geschützten Spielort finden können.“ Für ihn kommt es darauf an, „dass man Dinge schafft, mit denen man Kinder möglichst früh in den Blick nehmen kann.“ Die Hebammen, die in Mülheim Familien mit Neugeborenen besuchen, sieht er als einen guten Ansatz der Frühförderung. Aber die Kindertagesstätten müssen aus seiner Sicht noch viel besser ausgestattet werden. „Für die Frühförderung müssen wir Mittel umverteilen und bündeln. Da muss was passieren, weil wir nur die Kinder haben, die da sind und weil das eine Frage unseres gesellschaftlichen Überlebens ist“, betont Schreyer. Er glaubt, „dass wir genug Geld im System haben, das aber nicht immer an den richtigen Stellen ankommt“ und denkt dabei zum Beispiel an das Ehegattensplitting oder an das Betreuungsgeld.

Dieser Text erschien am 7. März in der Neuen Ruhr Zeitung

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