Dienstag, 9. Juli 2013

Das Theater Mülheimer Spätlese verabschiedetete seinen Gründer und langjährigen Leiter Eckhard Friedl mit einem Stück über die Freiheit: Und es geht weiter

Frei, freier und? Besser! Zum Abschied ihres Theaterleiters Eckhard Friedl brachte das Ensemble Spätlese ein kleines aber starkes Stück zu einem großen Thema auf die Bühne des Theaterstudios an der Von-Bock-Straße. Es ging um die Freiheit. Wenig textlastig, mit prägnanten Dialogen und einprägsamen Bildern machten die reifen Schauspieler das große Wort von der Freiheit begreifbar und übersetzten es in unsere kleine Alltagswelt.

Da stritten Angela Pott und Jürgen Leschner als altes Ehepaar, wer sich am Abend die Freiheit nehmen kann, in die Stammkneipe zu gehen, obwohl es zu Hause noch wie bei Hempels unter dem Sofa aussieht. Da stritten Mutter (Marlis Lönne) und Tochter (Adelheid Borgmann) darüber, ob das Mädchen die Freiheit habe, nicht mehr zum Training zu gehen und damit eine möglich Sportlerkarriere aufzugeben. Da überlegte die alte Mutter (Hannelore Peters), die von ihrer Tochter (Elli Gumny) gedrängt wurde, ins Altenheim zu gehen, ob sie am Ende ihres Lebens nur noch die Freiheit hat, zu sterben. Da verwandelte sich eine stets um ihre Lieben besorgte Mutter (Kornelia Kramer) in einen Traumvogel. „Ich werfe allen Ballast ab. Das beflügelt mich und macht mich frei, aber wofür und für wen? Da grüßten ein rasender Mann mit Stoppuhr (Jürgen Leschner) und eine Callcenter-Agentin (Angela Pott) mit Headset aus dem hektischen Hamsterrad der schönen Arbeitswelt. Und in einer Luxusboutique fragen sich Käufer Jürgen Leschner und Verkäuferin Helga Tillmann nach dem Preis der Freiheit: „Nur die Gedankenfreiheit gibt es umsonst. Die ist was für arme Schlucker, aber bei der Meinungsfreiheit sollte man auf keinen Fall sparen.“

Nach dem letzten Applaus nahmen sich die Spätleser die Freiheit, die ihnen zugedachten roten Rosen ihrem scheidenden Regisseur Friedl zu überreichen. Sein größter Dank galt an diesem Abend denn auch seinem Ensemble: „Die Zusammenarbeit mit euch war ein Geschenk für mich und ich hätte noch viele Visionen und Phantasien für neue Projekte gehabt, aber das müssen jetzt andere weiterverfolgen und ich gehe mit dem Gefühl, meine Arbeit vor dem Ende beendet zu haben.“

Schon zum Auftakt des Theaterabends, als die Ensemblemitglieder Anneliese Hake, Gisela Fuß und Genuveva Bühler, die 23 Theaterjahre mit und unter Friedls Regie Revue passieren ließen, schimmerte etwas von der Gefühlslage der Schauspieler durch: „Dass nichts bleibt, wie es ist haben wir 2006 auf der Bühne gespielt. Jetzt haben wir es selbst erlebt. Und leider hatten wir nicht, was wir 2011 als Stück auf die Bühne gebracht haben, den Jackpot und das große Los.“

Nicht nur Stammschauspielerin Hannelore Peters (84) kämpfte nach der 511. und letzten Aufführung unter Friedls Regie mit den Tränen. Aber sie sagte auch: „Wir dürfen uns dem Neuen nicht verschließen, damit die wichtige Arbeit, die Friedl begonnen hat, jetzt unter neuer Regie fortgeführt werden kann.“ Ihre Ensemblekollegin Marlis Lönne sah es ähnlich: „Wir dürfen jetzt nicht sagen, dass hat der Friedl aber immer anders gemacht. Aber wir haben die Freiheit zu sagen: Das machen wir und das machen wir nicht“, sagte sie mit Blick auf Friedls Nachfolger Jörg Fürst, der das Theater Spätlese unter dem Dach des Theaters an der Ruhr fortführen wird.

„Man merkt, dass er hier in jeder Schraube drin steckt. Die Entwicklung eigener Stücke wird auch weiterhin ein Markenzeichen des Theaters Spätlese bleiben. Auch die generationsübergreifende Theaterarbeit finde ich sehr interessant“, zollte er seinem Vorgänger Respekt und versicherte mit Blick auf die basisdemokratische Struktur des reifen Theaters: „Jeder, der mitmachen möchte, ist herzlich eingeladen und alles was gemacht wird, wird nur in Rücksprache mit dem Ensemble gemacht.“ Die meisten Ensemblemitglieder, so schien es am letzten Spätlese-Theaterabend mit Eckhard Friedl, wollen auch unter seinem Nachfolger Jörg Fürst auf der Bühne weitermachen.

Für Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld, der Friedl für die langjährige Förderung der Leonhard-Stinnes-Stiftung gedankt hatte, deren Auslaufen jetzt auch seine Arbeit beendet hat, stand nach dem letzten Vorhang fest: „Das war ein schöner, aber auch ein schwieriger Abend. Aber ich bin sicher, dass der Neuanfang beim Theater an der Ruhr und unter der Regie von Jörg Fürst gelingen und noch manches neue Potenzial aufdecken wird.“

Dieser Text erschien am 28, Juni 2013 in der Neuen Ruhr Zeitung

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