Wenn sich Detlef Weides in diesen Tagen im Fernsehen die
Spiele der Fußballweltermeisterschaft anschaut, hat er immer wieder den
Eindruck: „Das ist ganz weit weg. Das hat gar nichts mit uns zu tun.“ Dabei
geht es doch um Fußball, ob bei der WM in Brasilien oder beim 1. FC Mülheim in
Styrum.
Heute ist der 59-jährige Weides Geschäftsführer des
Traditionsclubs, sein Bruder Manfred ist Vorsitzender. „Der Verein und der
Fußball sind mein Leben. Ich bin hier aufgewachsen, war schon mit 13 als
Mannschaftsbegeleiter dabei und spielte später in der A-Jugend“, erinnert sich
Weides.
Der Unterschied zwischen den WM-Kickern und den
Kreisliga-Kickern in Styrum liegt vor allem in etlichen Millionen, die sich aus
Eintrittsgeldern, Werbeeinnahmen und Fernsehübertragungsrechten speisen. „Wenn
ich höre, dass der argentinische Fußballer Lionel Messi 24 Millionen Euro pro
Jahr verdient oder das der Deutsche Fußballbund dem ehemaligen Bundestrainer
Bert Vogts eine monatliche Lebensrente von 3000 Euro zahlt, frage ich mich
schon: Ist das vertretbar. Warum macht man so was?“
Von 250 Millionen Euro Jahresumsatz, schrieb die NRZ, als
der Deutsche Fußballbund 2010 zu seiner bisher letzten
Jahresbilanz-Pressekonferenz einlud. „Davon kommt hier unten nichts an. So weit
gehen die nicht runter, aber der DFB kann auch nicht alle Amateurvereine
retten“, sagt Weides ohne Bitterkeit. Bei seinem Engagement an der Fußballbasis
hält er es mit John F. Kennedy: „Frage nicht, was der Verein für dich tun kann,
frage, was du für den Verein tun kannst?“
Fünf Väter und eine Mutter sehen das genauso, wie er. Sie
haben Zeit und Geld in einen Lehrgang investiert, um eine Trainerlizenz zu
erwerben und jetzt ein- bis zweimal pro Woche eine Kinder- oder
Jugendmannschaft des 1. FC Mülheims unentgeltlich zu trainieren. Selbst der
Trainer der ersten Mannschaft, die in der Kreisliga A kickt, bekommt derzeit
nur seine Fahrtkosten erstattet. „Wir bekommen zwar vom Landessportbund eine
Übungsleiterpauschale. Aber das sind im Jahr vielleicht 350 Euro. Das würde
nicht ausreichen, um als Verein davon Trainer zu bezahlen“, sagt Weides.
Über Zahlen möchte der Geschäftsführer des 1. FC Mülheim
eigentlich gar nicht sprechen. Aber so viel wird im Gespräch mit ihm dann doch
deutlich. Ganz ohne Sponsoren geht es auch bei einem Amateurclub nicht. Denn
auch Trikots, Bälle, Fußballschuhe, Fußballtore, Startgelder,
Sportversicherung, Fahrtkosten oder Schiedsrichtergebühren wollen bezahlt sein.
Wenn man weiß, dass der Eintritt zu den Heimspielen des 1. FC Mülheims bei zwei
Euro und der Monatsbeitrag der rund 200 Vereinsmitglieder bei sechs Euro liegt,
weiß man, dass der Club mit seinen Bordmitteln keine großen Sprünge machen
kann.
Ausgesprochen glücklich ist Weides deshalb, dass er mit der
Mülheimer Energiedienstleistungsgesellschaft (Medl) ein größeres Unternehmen
als Sponsoren für die Jugendfußballmannschaften des Vereins gewonnen hat. Auch
die Gelder der Stadt und der Sparkassenstiftung, die jetzt in den Umbau des
Sportplatzes an der Moritzstraße fließen, sind für den Traditionsclub und
seinen Platzpartner Croatia Mülheim Gold wert: „Denn Fußballvereine, die keinen
Kunstrasenplatz haben, gehen einer ganz schwierigen Zukunft entgegen, weil die
Eltern ihre Kinder nicht mehr auf Ascheplätzen spielen lassen wollen“, weiß
Weides.
Ansonsten putzt er bei Kleinunternehmern und Einzelhändlern
im Stadtteil die Klinken, um Kleinstsponsoren, etwa für die Plakatwerbung des
Vereins zu gewinnen. „Helft uns doch, die Jungs von der Straße zu holen, damit
sie zum Training kommen und am Ende nicht bei euch die Scheiben einschmeißen“,
lautet eines seiner Argumente. Weides lässt keinen Zweifel daran, dass die
Kinder- und Jugendtrainer oft nicht nur als Übungsleiter, sondern auch als
Sozialarbeiter gefragt sind, wenn es darum geht dem Nachwuchs in der
Gemeinschaft bestimmte Verhaltensregeln beizubringen.
„Wir sind dankbar, dass wir sie haben“, sagt Detlef Weides,
mit Blick auf die Eltern, die sich ehrenamtlich als Trainer oder
Mannschaftbegleiter engagieren. Dennoch würde er sich noch mehr Einsatz mancher
Eltern wünschen, die ihre Kinder nur am Spielfeldrand abgeben, statt sie anzufeuern
oder auch zu Auswärtsspielen zu begleiten.
Aber Weides ist auch Realist: „Es ist angesichts der auch
zeitlich immer flexibleren Arbeitsverhältnisse für viele Menschen sehr schwer
geworden, im Verein aktiv zu werden. Früher waren 90 Prozent der Leute aus
Styrum bei Mannesmann. Und wenn die um 14 Uhr ihre Frühschicht hinter sich
hatten, war es für sie kein Problem um 18 Uhr zum Training zu kommen“, erinnert
sich Weides an alte Zeiten. Damals kamen auch noch deutlich mehr als 50
Zuschauer zu den Heimspielen, weil es keine Sonntagsspiele in der Ersten und
Zweiten Bundesliga und keine Live-Spiele im Bezahlfernsehen gab.
Rückpass
„Eigentlich hat uns die schönste Zeit als Verein den größten
Schaden gebracht, weil damals viele alte Mitglieder verprellt wurden, die weggegangen
und nicht wieder gekommen sind“, erinnert sich Detlef Weides an die Zeit, als
der 1. FC Mülheim im Styrumer Ruhrstadion gegen Manschaften, wie Bayer
Uerdingen, Hannover 96, FC St. Pauli oder Arminia Bielefeld in der Zweiten
Fußballbundesliga spielte. Damals waren sechsstellige Sponsorensummen und
üppige Spielergehälter keine Seltenheit. Doch nach dem sportlichen kam dann mit
der Insolvenz 1976 auch der wirtschaftliche Abstieg und sogar das Vereinsheim
musste aufgegeben werden. Noch heute ärgert sich Weides darüber, dass er mit
seinen Manschaftskameraden aus der A-Jugend 1973 nicht an der 50-Jahr-Feier
seines Clubs im Handelshof teilnehmen durfte, weil das die Vereinsführung des
damaligen Regionalligisten als nicht standesgemäß empfand. Weitere Informationen
rund um den 1923 gegründeten 1. FC-Mülheim-Styrum, der bis zur für Ende Juli
geplanten Fertigstellung des neuen Kunstrasensportplatzes an der Moritzstraße
auf dem Sportplatz an der Von-der-Tann-Straße trainiert, findet man im Internet
unter: www.1.fc-muelheim.de
Dieser Text erschien am 30. Juni 2014 in der Neuen Ruhr Zeitung
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