Samstag, 11. Juli 2015

Vor 150 Jahren wurde Alfred Hugenberg geboren: Er wollte Hitler instrumentalisieren und wurde selbst entmachtet


In der  Nazi-Zeit wurden sogar Straßen nach ihm benannt. In Mülheim zum Beispiel hieß die Schulstraße von 1936 bis 1945 Alfred-Hugenberg-Straße Die braunen Machthaber wussten, was sie an dem Medienunternehmer und Politiker Alfred Hugenberg hatten, der heute vor 150 Jahren am 19. Juni 1865 in Hannover geboren wurde. Als Verleger, der die Hälfte der deutschen Presse kontrollierte und ab 1928 die Deutschnationale Volkspartei führte, wurde Hugenberg zu einem Steigbügelhalter Hitlers.
Auf seine Initiative hin bildete sich im Oktober 1931 in Bad Harzburg ein Bündnis aus Nationalsozialisten, Deutschnationalen, dem Stahlhelm, dem Bund der Frontsoldaten und dem Alldeutschen Verband, das Front gegen die damals schon kriselnde Republik von Weimar machte. Für besonderes Aufsehen sorgte Hugenberg damals, in dem er mit dem Kaiser-Sohn August Wilhelm von Preußen, dem ehemaligen Reichswehrgeneral Hans von Seeckt und dem ehemaligen Reichsbankpräsidenten Hjalmar von Schacht ausgesprochen prominente Mitstreiter für die Harzburger Front gewinnen konnte.

Schon 1929 hatte der Führer der Deutschnationalen die NSDAP politisch aufgewertet, in dem er sie in sein Volksbegehren gegen den die Reparationsleistungen Deutschlands festlegenden Young-Plan einbezog.

Um Hugenbergs Geisteshaltung zu verstehen, muss man seine Vita betrachten. Er wurde in eine großbürgerliche Familie hineingeboren. Der Vater Carl war Schatzrat und preußischer Landtagsabgeordneter. Seine Mutter Erneste Adickens stammte aus einer Großgrundbesitzerfamilie. Und im Jahr 1900 heiratete der inzwischen studierte und promovierte Jurist und Ökonom Alfred Hugenberg mit seiner Cousine Gertrud Adickens die Tochter des damaligen Frankfurter Oberbürgermeisters Franz Adickens.

Der Sieg über Frankreich und die Reichsgründung von 1871 mit ihrem anschließenden Aufstieg Deutschlands wurden für Hugenberg zum prägenden politischen Urerlebnis. „Wir waren die Söhne der Sieger“, erinnerte er sich später wehmütig. Nachdem er zunächst für die Ansiedlungskommission und die Raiffeisengenossenschaft in Posen und dann im preußischen Finanzministerium arbeitete, wechselte er später in die Wirtschaft, machte zunächst im Vorstand der Frankfurter Berg- und Metallbank und dann als Finanzchef bei Krupp in Essen Karriere, Dort stieg er 1909 zum Vorsitzenden des Direktoriums auf. Seine politische Heimat hatte er seit 1894 im nationalistisch ausgerichteten Alldeutschen Verband. Als Funktionär verschiedener Bergbauverbände und des Zentralverbandes der Deutschen Industrie knüpfte Hugenberg Kontakte zu Industriellen, wie etwa Emil Kirdorf, die seinen Aufstieg zum Medienzar finanziell unterstützen. Den organisatorischen Rahmen für diese Unterstützung bildete die 1919 gegründete Wirtschaftsvereinigung zur Förderung der geistigen Wiederaufbaukräfte. Wie Hugenberg sahen seine Mitstreiter die neue republikanische Regierung Deutschlands als „Novemberverbrecher“ und strebten eine Rückkehr zur Monarchie an. Dazu sollte ein nationaler Presseapparat aufgebaut werden, der die Republik von Weimar im Sinne der Dolchstoßlegende von einem im Felde unbesiegten deutschen Heer, dem die Heimatfront im November 1918 politisch in den Rücken gefallen sei, diskreditierte. Das Ziel der Vereinigung beschrieb Hugenbergs Mitarbeiter Ludwig Bernhard 1928 mit den Worten:

„Mangel an Heimatgefühl und Nationalgefühl führt zur Aushöhlung und zur Schwächung eines Volkes gegenüber anderen Völkern. Heimat- und Nationalgefühl sind daher zu stärken. Für die Entscheidung über Beteiligungen oder über die Begründung und den Ausbau der verschiedenen Unternehmungen ist in erster Linie die voraussichtliche politische Wirkung maßgebend und erst in zweiter Linie das geschäftliche Ergebnis.“

Die Propaganda des Hugenberg-Konzerns, dessen Aufbau schon während des Ersten Weltkrieges begonnen hatte, verfing in dem Maße, wie die wirtschaftliche Not in Deutschland zunahm. Auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise, die mit dem New Yorker Börsenkrach 1929 begonnen hatte, waren im Deutschland des Jahres 1932 sechs Millionen Menschen ohne Arbeit. Damals erklärte Hugenberg in einer Radioansprache zur Reichstagswahl:

„Das parlamentarische System hat vollständig versagt. Der sicherste, gerechteste und sauberste Staat liegt aus den Lehren unserer Geschichte begründet im Kaisergedanken. Der gesunde Staat wird eine gesunde Wirtschaft haben. Gesunde Wirtschaft bedeutet heute zurückgehende Arbeitslosigkeit. Derjenige ist wahrhaft sozial, der Arbeit schafft. Es gibt eben Wirtschaftsgesetze, die kein Volk ungestraft missachten darf. Das haben die sozialistischen Machthaber in Deutschland außer Acht gelassen. Sozialismus ist Erwerbslosigkeit. Dank der nationalen Bewegung sind die moralischen Kräfte wieder aufgestanden. Der Staat darf keine Gottlosen erziehen. Wer nicht sozialistisch denkt, wählt deutschnational.“

 Durch die Massenarmut hatten Hugenbergs Partei und Hugenbergs Konzern, zu dem unter anderem die Filmgesellschaft Ufa, die Nachrichtenagenturen der Deutschen Telegraphenunion und die Zeitungen des Scherl-Verlages gehörten, leichtes Spiel. Als Hitler am 30. Januar zum Reichskanzler ernannt wurde, trat Hugenberg als Wirtschafts- und Ernährungsminister in dessen Kabinett ein. Zu den Kommunalwahlen am 12. März 1933 erklärte Hugenberg in einer Rundfunkrede:

„Weder die Französische Revolution, noch das 48er Demokratentum, noch der landesverräterische Umsturz im November 1918 haben uns eine Selbstverwaltung gebracht oder diese auch nur gefördert. Die Erfahrungen der letzten 14 Jahre haben vielmehr gezeigt, dass lebendige Selbstverwaltung und Formaldemokratie unvereinbar sind.“

Hugenberg sah sich am Ziel. Er wollte Hitler instrumentalisieren und selbst zum Wirtschaftsdiktator aufsteigen. Eine fatale Fehleinschätzung der realen Machtverhältnisse. Denn nicht Hitler, sondern Hugenberg wurde instrumentalisiert und, als er nicht mehr gebraucht wurde, von den Nazis entmachtet. Noch 1933 wurde Hugenbergs Telegrafenunion gleichgeschaltet und seine Deutschnationale Volkspartei, ebenso, wie alle anderen Parteien jenseits der NSDAP aufgelöst. Er selbst trat im Sommer 1933 von allen Partei- und Regierungsämtern zurück und behielt nur sein machtloses Reichstagsmandat. Wenn er auch entschädigt wurde, musste Hugenberg 1937 die Ufa und 1943 den Scherl-Verlag aufgeben. Die Ufa wurde verstaatlicht und der Scherl-Verlag ging in den Besitz von NS-Parteiverlagen über. Nach dem Krieg wurde Hugenberg von der britischen Militärregierung interniert und zunächst als „minderbelastet“, nach seiner Berufung aber nur noch als „Mitläufer“ und später sogar als „entlastet“ eingestuft. Diese Einstufung begründeten die Briten aber rein juristisch und mit Blick auf sein hohes Alter. Moralisch und politisch starb Alfred Hugenberg, politisch und moralisch gescheitert, am 12. März 1951.

Dieser Text erschien am 18. Juni 2015 in der Katholischen Zeitung Die Tagespost

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