Samstag, 12. Dezember 2015

Wenn die Kirche zur Bühne wird

Der Shalom-Kinderchor der Gemeinde St. Barbara
bei der letzten Adventsfeier im alten Bürgermeisteramt
Aus dem Raum über dem Pfarrsaal von Sankt Barbara hört man helle und klare Kinderstimmen: „Halleluja“ und „Gloria“ klingt es durch den dunklen Flur. Über eine Treppe geht es hinauf in den Seminarraum. Heute steht hier keine Veranstaltung, sondern eine Probe auf dem Programm.

Kim und Finja (beide 7), Amira (12), Emilia (10), Annalena (9), Anna (12), Laura und Emma (beide 6) und Lea (12) sitzen im Halbkreis um ein Klavier. Dahinter sitzt Kirchenmusiker Burkhard Maria Kölsch, assistiert von seiner ehrenamtlichen Helferin Dorothee Schäfer. Sie stimmen die Kinder auf das Krippenspiel ein. Plötzlich stimmt Kölsch auf dem Klavier ernstere Töne an. Und dann klopft er die Melodie auf der Holzverkleidung des Instrumentes nach. Die Kinder stutzen. „Ist das ein Weihnachtslied?“ fragt Kölsch in die Runde.

Die Frage ist rhetorisch. Der Mann ist Musiker und weiß es genau. „Das ist der Auftakt zu Beethovens Fünfter Sinfonie, der Schicksalssymphonie“, streut er ganz nebenbei ein bisschen Klassikkunde ein, ehe es mit der Stimmprobe für das Krippenspiel weitergeht: „Gloria in excelsis Deo.“

Anna weiß genau, dass Weihnachten für die Menschen ein schicksalhaftes Fest ist, schicksalhaft im Guten. „Denn Weihnachten ist Jesus, Gottes Sohn, geboren, um uns die Liebe zu bringen und sich uns zu schenken“, weiß Anna. Ob alle Erwachsenen so viel über Weihnachten wissen wie die Zwölfjährige? Sie hat da ihre Zweifel. Aber dass die Geschäfte auch schon vor dem ersten Advent weihnachtlich dekoriert sind und weihnachtliche Leckereien anbieten, findet sie gar nicht so schlecht. „Denn so beginnt die Vorfreude auf Weihnachten früher, und die Advents- und Weihnachtszeit dauert länger!“ Weiblicher Pragmatismus.

Vom weihnachtlichen Dekor ist an diesem Probennachmittag im Pfarrheim am Schildberg noch nichts zu sehen. Keine Hirtenumhänge. Keine Schafspelze. Keine Engelsflügel. Keine Maria und kein Josef in Sicht. Die Kinder, die schon zum zweiten oder dritten Mal beim Krippenspiel mit von der Partie sind, berichten davon, dass sie in den Vorjahren schon mal in die Rolle eines Engels oder eines Schafes geschlüpft sind. Ein Mädchen hat sogar einmal eine Reporterin gespielt, die live aus dem Stall in Betlehem berichtete. „Wir verändern jedes Jahr die Perspektive, aus der wir die Weihnachtsgeschichte erzählen. So ist der Text nicht immer gleich, und das Krippenspiel bleibt spannend“, erklären Amira, Lea und Emilia.

In diesem Jahr wird es für die Kinder aus der Krippenspielgruppe, die vom Jugendchor unterstützt wird, eine Premiere geben. Denn bisher hat noch niemand aus ihrem Kreis eine Hauptrolle à la Maria oder Josef gespielt. Doch diesmal wird es für einige der größeren Mädchen so weit sein. „Wer was spielen und singen kann, stellt sich meistens im Verlauf der Proben heraus“, erzählt Kölsch. Auch wenn er als Chorleiter Besetzungsvorschläge macht, bezieht er die Kinder in die Entscheidung mit ein. Dabei merkt er immer wieder, dass die Kinder während der gemeinsamen Proben ein genaues Gespür dafür entwickeln, wer zum Beispiel eine stärkere Stimme hat oder wer besser seinen Text auswendig vortragen kann. Annalena, die auch schon mal in der Schule Gedichte vorträgt, fällt es nicht schwer, zuhause den Text für das Krippenspiel auswendig zu lernen.

Auch für Emilia, Amira und Lea ist ein Weihnachten ohne Krippenspiel inzwischen unvorstellbar. Auch den anderen Mädchen aus dem Shalom-Kinderchor der Dümptener Gemeinde sind der Ernst und ein gewisser Ehrgeiz anzumerken, mit dem sie an die Inszenierung des biblischen Geschehens herangehen.

„Meine Tochter singt seit ihrer Erstkommunion im Kinderchor. Sie genießt die Gemeinschaft und mag die engagierten Mitarbeiter“, berichtet Annalenas Vater Sascha Jungblut. Auch wenn er selbst „in der Kirche nicht aktiv ist“, findet er es ausgesprochen gut, dass seine Tochter sich in einer Gemeinschaft engagiert und so neue persönliche Bindungen aufbauen kann.

Auch Kölschs musikalische Copilotin Dorothee Schäfer, die selbst Gitarre, Querflöte und Saxofon spielt und sich „kein Leben ohne Musik vorstellen kann“, erlebt immer wieder die Gemeinschaft und die Selbstbewusstsein stiftende Wirkung der Musik. Ob beim Krippenspiel, beim Adventskonzert oder beim Gastspiel im Altenheim. „Kinder, die einmal auf der Bühne ein Solo gesungen haben, wachsen sichtbar“, weiß die ehrenamtliche Chorleiterin, die hauptberuflich in der Offenen Ganztagsschule am Schildberg arbeitet und nebenbei auch die Kostüme für das Krippenspiel schneidert.


Dieser Text erschien am 10. Dezember 2015 in der NRZ und in der WAZ

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