Samstag, 30. April 2016

Gute Begleiter

"Die größte Schuld ist die des Dankes", zitiert Ursula König den Staatsmann Cicero. Die Leiterin des Ambulanten Hospizes und ihr Mann Henning, der mit ihr vor 20 Jahren den Hospizverein ins Leben gerufen hat, bedanken sich mit Blumensträußen bei den 33 Männern und Frauen, die zurzeit jährlich 60 bis 80 sterbende Menschen und ihre Angehörigen begleiten.

Rund 90 Gäste sind zur Jubiläumsfeier in den Pfarrsaal von St. Barbara gekommen, um sich dem Dank für das ehrenamtliche Engagement der Begleiter anzuschließen. "Sie geben unserer frohen christlichen Botschaft ein Gesicht", betont Stadtdechant Michael Janßen in seiner Gratulationsadresse an die Menschen, die eine unentgeltliche, aber unbezahlbare Arbeit leisten, indem sie Sterbenden ein Leben in Würde bis zuletzt ermöglichen. "Ihre Arbeit zeigt uns, dass wir lebenslang leben lernen müssen und zuletzt auch sterben lernen müssen", sagt Oberbürgermeister Ulrich Scholten. Er wünscht den Ehrenamtlichen des Ambulanten Hospizes "vor allem Energie und Kraft, damit Sie Ihre anspruchsvolle Arbeit weiterhin leisten können."

Ohne Qualifikation geht es nicht

Ursula König unterstreicht die Bedeutung der psychosozialen Qualifizierung, die angehende Begleiter durchlaufen müssen, um sich auch mit ihrer eigenen Sterblichkeit auseinanderzusetzen. "Neun angehende Begleiter, die sich zurzeit noch in der Praktikumsphase befinden, werden uns in Kürze verstärken und die Arbeit auf mehr Schultern verteilen", blickt Ursula König in die Zukunft. Sie dankt nicht nur den ehrenamtlichen Mitarbeitern, die sie "als großen Schatz" und als "Herzstück unteres Vereins" bezeichnet, sondern auch den 250 Mitgliedern, die die Arbeit des Ambulanten Hospizes mit ihren Spenden unterstützen.


Auch der Chef des Evangelischen Krankenhauses, Nils Krog, der zusammen mit Ulrich Schreyer vom Diakoniewerk die Geschäfte des 2012 eröffneten stationären Hospizes leitet, bescheinigt den ehrenamtlichen Mitgliedern des Ambulanten Hospizes, "uns eine große Stütze zu sein." Denn das Ambulante Hospiz entlastet mit seinen Begleitern nicht nur das stationäre Hospiz. Es hat mit seinen Spenden die Ausbildung der Pflegekräfte finanziert, die jetzt unter dem Namen Palliativ Pflege Ruhr im Auftrag des Evangelischen Krankenhauses schwerstkranke und sterbende Menschen ambulant versorgen.

Gelebte Mitmenschlichkeit

Der Pfarrer von St. Barbara, Manfred von Schwartzenberg, der den Hospizverein 1996 mit ins Leben gerufen hat, wird an diesem Festtag zum Ehrenmitglied des Ambulanten Hospizes ernannt. Er bescheinigt den ehrenamtlichen Begleitern des Ambulanten Hospizes "mit ihrem Dienst ein Zeichen für das menschliche Miteinander zu setzen.

Für diese gelebte Menschlichkeit steht unter anderem Michaela Menne, die sich seit 20 Jahren ehrenamtlich in der Sterbe- und Trauerbegleitung des Ambulanten Hospizes engagiert. Sie spricht für ihre Kollegen, wenn sie sagt: "Ich bin beim Ambulanten Hospiz tätig, weil die Menschen, die ich begleite und denen ich meine Zeit schenke, mir etwas Wertvolles zurückgeben." Wertvoll, so hört man in Gesprächen immer wieder, seien etwa das große Vertrauen und die Offenheit, mit sterbende Menschen und ihre Angehörigen den Begleitern des Ambulanten Hospizes begegneten.

Bereicherung

Eine besonders wertvolle Begegnung ist, last, but not least, das Chanson-Programm "Es ist nie genug", mit dem die Schauspielerin Petra Alfonin und ihr musikalischer Begleiter Tankred Schleinschock, den 20. Geburtstag des Ambulanten Hospizes gleichermaßen heiter und ernst ausklingen lassen. Das unter der Rufnummer 0208/3052063 erreichbare Ambulante Hospiz informiert auch auf der Internetseite: www.ambulantes-hospiz-mh.de über seine unentgeltliche Arbeit.

Freitag, 29. April 2016

Leben in Würde, bis zu letzt: Das ermöglichen die enamtlichen Mitarbeiter des Ambulanten Hospizes sterbenden Menschen seit 20 Jahren

Ursula König leitet das Ambulante Hospiz
seit seiner Gründung.
„Zwei Dinge sind im Leben sicher, die Steuern und der Tod“, wusste schon der amerikanische Staatsmann Benjamin Franklin. Dennoch macht die Vorsitzende des Ambulanten Hospizes, Ursula König immer wieder die Erfahrung, „dass Sterben und Tod ein Tabuthema sind.“ König und ihre 40 ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen begleiten jährlich zwischen 60 und 80 sterbende Menschen. „Als mein Mann 1996 im Katholischen Stadthaus den ersten Vortrag über Sterbebegleitung hielt, gab es in den Krankenhäusern so gut, wie keine Sterbekultur“, erinnert sich König an die Anfänge.
Inzwischen sieht die Fortschritte. „Nicht zuletzt die breite Diskussion im Rahmen der Gesetzgebung zur Sterbebegleitung hat das öffentliche Bewusstsein geschärft“, glaubt sie. Mit 16 Sterbebegleitungen begannen die ersten 17 ehrenamtlichen Mitarbeiter ihre segensreiche Tätigkeit, die nicht nur sterbenden Menschen beistehen, sondern auch die betroffenen Angehörigen entlasten will. „Es ist ganz wichtig, dass die Angehörigen in der extrem belastenden Sterbephase auch mal Abstand gewinnen können, um zum Beispiel mal einkaufen oder spazieren gehen zu können“, weiß König.

Mit der Gründung des Hospizvereins, der sich später den aussagekräftigeren Namen Ambulantes Hospiz gab, richtete Henning König in seiner Funktion als Chefarzt im St. Marien-Hospital eine Palliativstation mit 7 Betten ein. Diese Station ist inzwischen Geschichte. Dafür gibt es seit 2012 ein stationäres Hospiz, das vom Evangelischen Krankenhaus und vom Diakoniewerk Arbeit & Kultur getragen wird. Eine Konkurrenz? „Nein, wir ergänzen und unterstützen uns gegenseitig“, sagt König. Beide Institutionen weisen Menschen, denen sie aktuell nicht helfen können, auf das jeweils andere Angebot hin. „In der Gründungsphase des stationären Hospizes hat das Ambulante Hospiz mit seinen Spenden die Anschaffung der ersten zehn Patientenbetten finanziert“, erinnert sich König. Dass die Hospizarbeit ein ökumenisches Herzensanliegen ist, zeigt sich auch daran, dass das Ambulante Hospiz die Ausbildung der Pflegekräfte finanziert hat, die aus der Ambulanten Diakonie des Evangelischen Krankenhauses kommend, sich heute als Pflege Palliativ Ruhr auf die ambulante Schmerzversorgung schwerstkranker und sterbender Menschen spezialisiert hat.
Welche schmerztherapeutischen Behandlungsmöglichkeiten gibt es? Wie sieht das Krankheitsbild in der Sterbephase aus? Was muss bei einer Vorsorgevollmacht oder bei einer Patientenverfügung beachtet werden? All das sind Fragen, mit denen sich die angehenden Begleiter des Ambulanten Hospizes während ihrer halbjährigen Ausbildungsphase auseinandersetzen müssen. „Aber am Anfang steht die Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit“, unterstreicht die Vorsitzende des Ambulanten Hospizes.
Diese Selbstreflexion und vor allem die Fähigkeit zuhören und sich in andere Menschen hineinversetzen zu können, sind die wichtigsten Eigenschaften, um als Sterbebegleiter oder Sterbegleiterin des Ambulanten Hospizes bestehen zu können.

Einen sterbenden Menschen zuzutexten oder im vermeintlich gute Ratschläge zu geben geht gar nicht. „Ratschläge sind Schläge“, sagt König und macht deutlich: „Die sterbenden Menschen sind die Regisseure und wir müssen ihre Bedürfnisse erspüren und erkennen!“ Unvergessen bleibt ihr etwa die Frau, die sie in ihren letzten Lebenstagen glücklich machen konnte, in dem sie mit ihr zur Ruhr fuhr und in einem Café ihr Lieblingsgetränk Campari Orange bestellte.
Aber warum stellen sich derzeit 33 Frauen und 7 Männer der unentgeltlichen Herausforderung, sterbenden Menschen, wie es das Motto des Ambulanten Hospizes beschreibt: „ein Leben in Würde, bis zu letzt“ zu ermöglichen? „Unsere Ehreamtlichen sind unser großer Schatz. Es sind Menschen, die oft nach ihrer Berufsphase etwas sinnvolles tun und etwas zurückgeben wollen“, schildert König die Motivation ihrer Kolleginnen und Kollegen, von denen einige aber auch noch im Berufsleben stehen. Sie selbst hat bei Sterbebegleitungen „das große Vertrauen und die große Offenheit der Menschen, die wir begleiten, als bereichernd empfunden.“ Wie ihre ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen hat ihr die ehrenamtliche Arbeit für das Ambulante Hospiz immer wieder gezeigt, „dass man jeden Tag nutzen und nichts in die Zukunft verschieben soll.“

Zahlen & Fakten


Die ehrenamtliche Begleitung durch die Mitarbeiter des Ambulanten Hospizes ist für die sterbenden Menschen und ihre Angehörigen kostenlos.
Das Ambulante Hospiz ist ein eingetragener Verein mit derzeit 250 Mitgliedern, der seine Arbeit mit Spenden finanziert. Nur eine Halbtagskraft, die die Einsätze der Begleiter koordiniert, wird von den Krankenkassen finanziert.
Das Büro des Ambulanten Hospizes am Hagdorn 27-29 ist montags und dienstags sowie donnerstags und freitags von 9 bis 12 Uhr geöffnet und unter der Rufnummer 3 005 20 63 erreichbar.
Das Ambulante Hospiz ist im Notfall rund um die Uhr unter der Rufnummer  0160 - 78 688 45 erreichbar.

Weitere Informationen findet man im Internet unter: www.ambulantes-hospiz-mh.de



Dieser Text erschien am 23. April 2016 in NRZ und WAZ

Mittwoch, 27. April 2016

So gesehen: Frühlingsgefühle, bitte melden!

Haben wir nicht schon Frühling? Gehen wir nicht schon auf den Wonnemonat Mai zu? Doch bei Regenschauern und 7 Grad Außentemperatur war ich gestern den Herbstdepressionen näher, als den Frühlingsgefühlen. Und für den heutigen Dienstag haben die Wetterfrösche sogar Regen mit Schnee vorausgesagt.

Weißer April statt weiße Weihnachten. Auf das Wetter ist eben auch kein Verlass mehr. Ist das der Klimawandel? Doch dann fällt mir die alte Volksweisheit wieder ein, die ich schon im Kindergarten - lang ist es her - gehört habe: „Der April macht, was er will!“ Na also, doch alles beim alten. Auf den Volksmund ist eben doch manchmal Verlass. Und für die Frühlingsgefühle sorge ich selber mit einem leckeren Eis und einem Cappuccino. Da geht einem das Herz auf, vor allem, wenn die charmante Seniora hinter der Eistheke so freundlich lächelt und ich mir einbilde, es wäre wegen mir und nicht, weil ihre Kasse klingelt.

Dieser Text erschien am 26. April 2016 in der NRZ

Dienstag, 26. April 2016

"Rettungszwerge, bitte melden!" Das Rote Kreuz eröffnet am 1. August eine neue Kindertagesstätte für 71 Kinder

DRK-Geschäftsführer Klaus Jürgen Wolf und Einrichtungsleiterin Iris Richaui an der Baustelle
Der Baustellenbesucher an der Löhstraße wundert sich. Dort, wo derzeit die neue Kindertagesstätte des Roten Kreuzes entsteht, kann man an der Zunftmeisterstraße schon auf die Baustelle einer neuen städtischen Kita schauen. „Das ist kein Problem. Denn der Bedarf an zustätzlichen Kindertagesstätten-Plätzen ist riesen groß“, sagt der Geschäftsführer des Roten Kreuzes, Klaus Jürgen Wolf. Obwohl das Rote Kreuz erst am 26. April (18.30 Uhr) interessierten Eltern in seiner Geschäftsstellle an der Aktinstraße 58 seine neue Kindertagesstätte Interessierten vorstellen wird, liegen Wolf und der bereits eingestellten Einrichtungsleiterin Iris Richau bereits 30 Anmeldungen für die Kita vor. Derzeit laufen die Auswahlgespräche mit den künftigen Erzieherinnen. Zehn Erzieherinnen sollen sich in der Rot-Kreuz-Kita an der Löhstraße/Ecke Kohlenstraße um insgesamt 71 Kinder zwischen 0 und 6 Jahren kümmern. Die neue (aus vier Gruppen bestehende) Kita, die von den Mülheimer Unternehmern Jochen Hoffmeister und Hermann-Josef Pogge gebaut wird, will mit verlängerten Betreuungszeiten von 7 bis 19 Uhr punkten. „Wir werden mit unserer Kindertagesstätte  am 1. August an den Start gehen und das Haus von den Herrn Hoffmeister und Pogge amieten“, blickt Rot-Kreuz-Geschäftsführer Wolf in die Zukunft. Der Betrieb der Kita wird über die Landesmittel aus dem Kinderbildungsgesetz Kibiz und aus den Elternbeiträgen finanziert. „Wir arbeiten mit der Reggio-Pädagogik, die das Kind ganzheitlich betrachtet und die Erziehung vom Kind her denkt“, erklärt die künftige Einrichtungsleiterin. Die 55-jährige Erzieherin, Einrichtungskleiterin und zweifache Mutter blickt auf 36 Jahre Berufserfahrung zurück.
Reggio-Pädagogik basiert auf Optimismus, Offenheit und Ganzheitlichkeit. Sie sieht das Kind als Konstrukteur seiner eigenen Entwicklung. In diesem Sinne will die Kindertagesstätte des Roten Kreuzes Akzente setzen, zum Beispiel, in dem Eltern und Kinder spielerisch an die Erste Hilfe, aber auch an die Natur und an das Wasser herangeführt werden. Dafür werden Wasserzeiten in örtlichen Schwimmbädern und Ausflüge in die Mülheimer Natur, aber auch ein eigener Garten sorgen.
Und wie soll die neue Kindertagesstätte des Roten Kreuzes heißen? „Das wissen wir noch nicht und sind deshalb für Namensvorschläge offen. Derzeit läuft das Projekt bei uns unter dem Arbeitstitel Rettungszwerge“, erklärt Geschäftsführer Wolf.
Kontakt und Auskunft findet man beim Roten Kreuz unter der Rufnummer 9298/45 00 60 oder im Internet unter www.drk-muelheim.de

Dieser Text erschien am 18. April 2016 in der NRZ und in der WAZ  

Montag, 25. April 2016

Eine Börse der guten Taten: Beim zehnten Ruhrdx traf die Wirtschaft auf das Ehrenamt

Eröffnungs-Gong des zehnten Ruhrdaxes im Ruhrfoyer der Stadthalle
Dax. Das verbindet man mit Börse, mit Aktiengewinnen und -verlusten. Tatsächlich ähnelt das Stadthallenfoyer beim zehnten „Ruhrdax“ einem Börsenparkett. Viele Menschen gehen umher und sprechen angeregt miteinander – aber nicht über Börsenkurse. Die einen brauchen Hilfe, die anderen wollen sie geben. Organisiert wird der Ruhrdax von den Ehrenamts- und Freiwilligenagenturen des Ruhrgebietes. Das Mülheimer Centrum für bürgerschaftliches Engagement war jetzt nach 2007 zum zweiten Mal Gastgeber. Vertreter aus 40 Unternehmen und 75 sozialen Institutionen gehen aufeinander zu.

Eine Kooperation geht Katrin Neuhäuser vom Verlag an der Ruhr ein. „An einem Tag im Jahr engagieren wir uns als Kollegen für ein soziales Projekt“, erzählt sie. Diesmal wird das Team für eine Einrichtung der Lebenshilfe ehrenamtlich die Gartenarbeit erledigen.

Auch Ragnhild Geck vom Mülheimer Netzwerk der Generationen und ein Gelsenkirchener Unternehmer werden sich handelseinig. Er will ihr ein Logo und ein Infoblatt für das „fahrbare Nachbarschaftscafé“ gestalten. Und auch der Unternehmer Jochen Tenbergen und Norma Puchstein vom Duisburger Tierschutzzentrum lernen einander besser kennen. Er überlegt, wie er seine Kontakte einsetzen kann, damit das Tierheim neue Zäune, Hundeausläufe und eine optimale Öffentlichkeitsarbeit bekommen kann. „Ich habe viel gearbeitet und viel genommen. Jetzt möchte ich etwas zurückgeben“, sagt Tenbergen.

Wenige Meter weiter lassen sich die Sparda-Banker Barbara Karl und Günter Draken von den Erzieherinnen Julia Schwarzer und Andrea Werheim erklären, wie das Hochbeet, der Carport und ein Fußtastweg auf dem Außengelände der Speldorfer Kindertagesstätte Mandala instandgesetzt werden könnten. „Ich finde es spannend, dass es hier nicht nur um Geld, sondern um eine Arbeitsleistung geht. Wir stellen jeden Mitarbeiter an drei Tagen im Jahr für ein ehrenamtliches, soziales Projekt frei“, sagt der Geschäftsstellenleiter der Sparda-Bank. 

Zuspruch, wenn auch noch keinen Zuschlag bekommt  Alfred Beyer von Mitarbeitern der Handelsfirma Tengelmann und des Wasserversorgers RWW. Der Vorsitzende des Vereins für Bewegungsförderung und Gesundheitssport  möchte am 18. September ein inklusives Sportfest für Menschen mit und ohne Behinderung veranstalten und sucht ehrenamtliche Helfer. Doch die Konkurrenz ist groß. Auch Margret Zerres von der Caritas braucht ehrenamtliche Helfer für ein inklusives Fest –  am 28. August auf dem Kirchenhügel.

Nach 90 Minuten ist die Zeit um. 95 Kooperationen wurden vereinbart. Oberbürgermeister Ulrich Scholten schlägt den Schlussgong.

Dieser Text erschien am 21. April 2016 in der NRZ und in der WAZ

Sonntag, 24. April 2016

Hans Theo Horn: Ein "Klosterbruder" tritt kürzer

Hans-Theo Horn am Marien-Brunnen des Bildhauers Ernst Rasche im
Innenhof des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Mariensaal
Hans Theo Horn ist in Mülheim ein bekanntes Gesicht:  Der ehemalige Schul- und Kulturdezernent  hat jahrelang in verschiedensten Ehrenämtern Verantwortung übernommen. Bis heute ist er stellvertretender Vorsitzender der Caritas, Vorsitzender der von ihm 2007 gegründeten Caritas-Stiftung und Kopf der 2014 ebenfalls von ihm ins Leben gerufenen Stiftung Kloster Saarn. Von einem großen Teil seiner Aufgaben hat er sich jedoch bereits getrennt – er möchte Platz für junges Denken schaffen. Zeit für einen Blick in den Rückspiegel.

Den Vorsitz der Saarner Klosterfreunde und den Vorsitz des Aufsichtsrates des Theaters an der Ruhr hat Hans Theo Horn vor kurzem abgegeben. Er hielt die Zeit für reif, um für einen Generationswechsel zu sorgen. „Vereine, die Zukunft haben wollen, müssen junge Leute rechtzeitig an die Verantwortung heranführen“, sagt er.

Sein Berufsleben startete Horn 1958 als Beamter in der Schulverwaltung. Später arbeite er im Baudezernat und als Referent des Oberstadtdirektors Heinz Hager. In seiner Kindheit fehlte den Eltern das Schulgeld fürs Gymnasium. „Aber an der heutigen Realschule Stadtmitte habe ich eine sehr gute Schulbildung genossen“, erinnert sich Horn. Der Vater war Fahrer des damaligen Oberstadtdirektors Bernhard Witthaus. Und der sagte eines Tages zu dessen Sohn: „Du kommst zu uns!“

Zu uns, das war die Stadtverwaltung. Zu seinen ersten Aufgaben gehörte die Begleitung zahlreicher Schulneubauten und die Durchsetzung des gemeinsamen Unterrichtes von Mädchen und Jungen. Plötzlich befand sich der katholische Christ  in so etwas wie einen pädagogischen Glaubenskrieg.
Wegen Willy Brandt in der SPD

Die Spitznamen „Klosterbruder“ und „roter Bischof“ verdiente sich der langjährige Pfarrgemeinderat von St. Mariae Himmelfahrt und Sozialdemokrat, der sich 1969 von Willy Brandt in die SPD ziehen ließ, durch sein berufliches und ehrenamtliches Engagement für die Restaurierung des 1214 eröffneten und 1808 geschlossenen Zisterzienserinnenkloster Saarn. Ob Musik im Kloster Saarn (ab 1985) oder Klostermuseum (seit 2008) –  Horn war immer wieder ein Impulsgeber. „Das Kloster Saarn ist ein Ankerpunkt meines Lebens, an dem ich immer wieder Ruhe gefunden und neue Ideen entwickelt habe“, sagt der Tausendsassa.

Christliche Werte haben in Horns Leben immer eine wichtige Rolle gespielt. Sie motivieren ihn nun – kurz vor seinem 75. Geburtstag, den er am 29. April feiert – zur Mitarbeit bei der Flüchtlingshilfe der Caritas. Ganz ohne das Ehrenamt geht es für Hans Theo Horn dann doch nicht.

Dieser Text erschien am 21. April 2016 in der NRZ und in der WAZ

Freitag, 22. April 2016

So gesehen: Zu viele Köche verderben den Brei

Gut bürgerlich. Da weiß man, was man hat. Wer in einem gut-bürgerlichen Restaurant bestellt, der hofft auf bekannte, schmackhafte und gut verdauliche Kost.

Jetzt versprechen uns fünf altbekannte Stadtverordnete einen bürgerlichen Aufbruch, die wir bisher aus anderen politischen Küchenkabinetten kannten. Wir dürfen gespannt sein, ob die altbekannten Ratsmitglieder im neuen politischen Gewand ihren Anspruch Wirklichkeit werden lasssen oder ob sie am Ende die Bürger mit aufgewärmter Hausmannskost abspeisen.  Denn auch im Küchenkabinett der Kommunalpolitik gilt, dass zu viele Köche, die nur ihr eigenes Süppchen kochen, den Brei für uns alle verderben.

Dieser Text erschien am 21. April 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung

Mittwoch, 20. April 2016

Neues Haus auf altem Grund: Das Petrikirchenhaus und seine Vorläufer

Das im Februar 2016 eröffnete Petrikirchenhaus
Wo wir heute vor der Petrikirche das nach ihr benannte Haus sehen, stand bis 1943 die traditionsreiche Gaststätte Mausefalle, nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Restaurant, das vor 30 Jahren vis-a-vis an der Bogenstraße eröffnet wurde. Der Name Bogenstraße, der auf die ursprünglich drei Brückenbogen der alten Ringmauer hinweist, findet sich schon im Mülheimer Urkataster von 1822. Der dritte und unterste Torbogen fiel zusammen mit dem darüber errichteten Fachwerkhaus 1896 einem Brand zum Opfer.
Über den Ursprung des Namens Mausefalle gibt es viele Legenden, die aber historisch nicht belegbar sind. Eine von ihnen besagt, dass die Wirte an der Petrikirche früher Mausefallen aufstellen mussten, um einer Mäuseplage Herr zu werden. Eine weitere Legende besagt, dass schon um 1600 spanische Soldaten, die im Zuge des Spanisch-Niederländischen Krieges durch Mülheim zogen, in eine Schankwirtschaft am Fuße der Petrikirche eingekehrt sein sollen. Der Mülheimer Heimatforscher Andreas ten Brink geht aufgrund seiner Urkundenrecherche davon aus, dass die Ursprünge des Hauses, in dem bis 1943 die Gaststätte Mausefalle ansässig war, ins 14. Jahrhundert zurückreichen.
Laut ten Brink, existierte am Standort des neuen Petrikirchenhaues bereits im 14. Jahrhundert eine Bebauung, die sich im Privateigentum befand. Als Haus- und Grundeigentümer führt er auf: Die Eheleute Kerckhoff (1512), die Eheleute Thiel (1584), Adam von Loh (1634). Auf das Jahr 1555, als die aus dem 13. Jahrhundert stammende Petrikirche bereits protestantisch geworden war, datiert er einen Neubau auf dem Mauerwerk des Kirchhofes. Auf den Hauseigentümer Adam von Loh folgte sein Sohn Gerhard, der vermutlich in Gerhard Tersteegens Geburtsjahr 1697 gestorben ist. Ihm folgte bis etwa 1731 der Schuhmachermeister Adam von Loh. Auf ihn folgte (nachweisbar ab 1743) der in den 1730er Jahren aus Wuppertal-Elberfeld zugewanderte und 1794 gestorbene Kaufmann Hans-Peter Schmitz. Nach seinem Tod traten die Geschwister Hermann, Johann, Katharina und Anna Maria Schmitz sein Erbe auf dem Kirchenhügel an. Sie verkauften das Haus an den Tuchhändler Friedrich Wilhelm Höfken. Nach seinem Tode wurde das Haus zwischen Bogenstraße und Kirchplatz 1845 zwangsversteigert und vom Kolonialwarenhändler Eduard Hofius für 1900 Taler erworben. Aus dessen Besitz ging es 1865 für 4000 Taler in den Besitz des Kolonialwarenhändlers Heinrich Liebe (1837-1874) über.
Über die Geschichte der Gaststätte Mausefalle schreibt Andreas ten Brink unter anderem in dem 2009 herausgegebenen Buch „Mülheimer Ansichtssachen“:
Der Kaufmann Heinrich Liebe hatte die Gaststätte Mausefalle in August 1871 eröffnet, offenbar auch mit Fremdenbeherbergung. Den Hoteldienst quittierte er aber alsbald und annoncierte in der Rhein- und Ruhrzeitung vom 11. Mai 1872 die Schankwirtschaft Zur Mausefalle am 22. Mai ebenda zu verkaufen. Die Rhein- und Ruhrzeitung macht am 12. November 1872 bekannt, der Frachtschiffer Wilhelm van Meteren (1836-1899) führt die Schankwirtschaft seit gestern. In der Tat hatte er sie für 4800 Taler erworben. Sein Nachfolger an Haus und Hahn war der Fuselbrenner Heinrich Bergop, der laut Mülheimer Zeitung vom 7. Juni 1904 das Gasthaus für 60.000 Mark an Friedrich Volkenborn aus Oberhausen verkaufte. Derselbe übertrug, gemäß der erwähnten Zeitung vom 15. Mai 1907, die Zapfstelle an den gelandeten Ruhrschiffer Karl Ulff (1866-1926) aus Holthausen. Seit 1915 hieß der Schankwirt und Eigentümer Heinrich Schoeler. Ab dem 1. Februar 1927 ließ er dort für fünf Jahre seinen Pächter Wilhelm Paßmann ein- und ausschenken. Der letzte Besitzer, Heinrich Schoeler, ließ die Mausefalle 1939 restaurieren, den geteerten Bruchsteinsockel freilegen und den Oberstock verschiefern. Damaliger Pächter Schölers und letzter Wirt in der Chronik der Mausefalle war Philipp Lock. “
Noch vor der Gaststätten-Übernahme durch den Kolonialwarenhändler Heinrich Liebe hatte sich um 1870 in der alten Gaststätte die bis heute existierende Bürger- und Stammtischgesellschaft Mausefalle gegründet. Nachdem die alte Kettenbrücke (1844-1909) abgerissen und durch die erste Schloßbrücke ersetzt worden war, ließen sich die honorigen, geselligen, diskussionsfreudigen und das mölmsche Brauchtum pflegenden Stammtischbrüder der Bürgergesellschaft aus einer ihrer Bohlen ihren neuen Stammtisch bauen.
In ihrer Ausgabe vom 7. September 1912 schrieben die Vaterstädtischen Blätter über das Gasthaus vor der Petrikirche:
Zu den ältesten Häusern Mülheims und zugleich zu den ältesten Wirtschaften ist die Mausefalle am Aufgang zur Petrikirche am Bogen zu zählen. Es bietet einen malerischen Anblick und erinnert noch an die alten Zeiten Mülheims. Besonders malerisch ist der Treppenaufgang zum Kirchplatz. Die früheren beiden gut erhaltenen Pfarrhäuser der reformierten Gemeinde sind mit dem Kirchplatz über die tieferliegende Bogenstraße hinweg durch Steinbrücken verbunden und bilden im Verein mit der ganzen Kirchenanlage ein äußerst anziehendes Bild. Die alte Wirtschaft Mausefalle ist unstreitig eines der interessantesten aus der Zeit der alten Bauweise stammenden Häuser.“
Und in einem Zeitungsbericht aus dem Jahr 1930 wird eine Mauernische im damaligen Bierkeller der Gaststätte Mausefalle beschrieben. Sie sei, so heißt es in diesem Bericht, in vorreformatorischen Zeiten Teil der Mauer an der Bogenstraße gewesen, die den damaligen Kirchhof an der Petrikirche begrenzt habe. Damals führten alle Leichenzüge an dieser Nische vorbei, in der ein Heiligenbild zur Andacht animiert haben solle. Der Bericht unterstreicht, dass das Haus der Mausefalle aus zwei Gebäudeteilen bestehe und auf die Kirchhofmauer gebaut worden sei. Die meisten Fachwerkhäuser des alten Stadtkerns entstanden danach erst im 17. Jahrhundert und bildeten einen Häuserkranz rund um die Petrikirche.
Doch mit dem britischen Luftangriff, der Mülheim in der Nacht vom 22. auf den 23. Juni 1943 traf, veränderte sich das Bild des historischen Stadtkerns grundlegend. Der Häuserkranz rund um die Petrikirche versank im Bombenhagel. „In der Nacht zum 23. Juni 1943“, so schreibt Andreas ten Brink: „ging die 600-jährige Hausgeschichte (der Mausefalle zwischen Bogenstraße und Kirchplatz) zu Ende.“
Anders, als die 1958 wieder eingeweihte Petrikirche und der 2006 wieder aufgestellte Jobs-Brunnen an der Petrikirche, wurde die Häuser am Fuße der Petrikirche nach dem Zweiten Weltkrieg nicht wieder aufgebaut. Bei Kriegsende lagen 800.000 Kubikmeter Trümmerschutt auf Mülheims Straßen und 44 Prozent der Wohnbebauung auf dem Kirchenhügel war zerstört.
Zu den Häusern, die nach 1945 an der nur etwa 25 Meter langen Bogenstraße nicht wieder aufgebaut wurden, gehörten neben der Mausefalle an der Bogenstraße 1 auch das Nachbarhaus an der Bogenstraße 2. In diesem Nachbarhaus war bis 1943 die Gaststätte „Zum Ührchen“ ansässig. In seinem Untergeschoss befand sich zeitweise ein Ladenlokal, in dem Hüte und Schirme an den Mann und die Frau gebracht wurden. Ihren Namen verdankte die Gaststätte den vielen Uhren, die an ihren Wänden und Balken hingen. So wie es heute eine neue Mausefalle an der Bogenstraße 8 gibt, zu der auch das angrenzende Gebäude an der Teinerstraße 2 gehört, setzt eine gleichnamige Gaststätte an der Teinerstraße 26 die Tradition des alten „Ührchens“ fort. Während die alte Gaststätte Zum Ührchen sowohl von der Bogenstraße 2, als auch vom Kirchplatz 2 aus zugänglich war, ließ sich die alte Mausefalle an der Bogenstraße 1 nur über einen schmalen Durchgang zwischen Bogenstraße und Kirchplatz erreichen, da hinter der Mausefalle früher die Häuser Kirchplatz 3 und 4 gestanden hatten.
Zu den benachbarten und nach Kriegsende nicht wieder aufgebauten Häusern gehörte auch das Haus an der Bogenstraße 10/Ecke Kettwiger Straße. In diesem Haus wohnten bis 1846 Gerhard Tersteegens 1735 verstorbene Bruder Johann, seine Frau Christina Dümptermann, zeitweise auch Gerhard Tersteegen selbst, und später die Nachfahren seines Bruders und seiner Schwägerin. Bis 1757 war hier auch die Engel-Apotheke der Familie Kortum ansässig. 1846 wurde das Haus von den Brüdern Heckhoff gekauft. Sie betrieben dort eine Bäckerei.
Anders, als die Häuser an der Bogenstraße 1,2 und 10 überstanden nicht nur die Häuser der heutigen Mausefalle an der Bogenstraße 8 und an der Teinerstraße 2, sondern auch das dort anschließende Tersteegenhaus die Luftangriffe des Zweiten Weltkrieges. Das Tersteegenhaus, in dem der Dichter, Prediger und Menschenfreund Gerhard Tersteegen von 1743 bis zu seinem Tod 1769 lebte und wirkte, war ursprünglich Teil des Muhrenhofes der Grafen von Limburg-Styrum. Doch Mitte des 17. Jahrhunderts verpfändeten die Grafen ihren Besitz auf dem Kirchenhügel an die Familie von Eicken. Hermann Koch, Schwiegersohn der von Eickens, erweitere den Muhrenhof 1674 um ein großes Haus, das allerdings 1965 abgerissen werden sollte. Dagegen fand das von den von Eickens 1647/48 neu erbaute Tersteegenhaus, das zu Gerhard Tersteegens Lebzeiten, dem Ehemann seiner Nichte, Hermann von Eicken, gehörte, nach seiner Wiederherstellung im Jahr 1949 als Heimatmuseum ab 1950 eine neue Bestimmung. Bereits 15 Jahre zuvor hatte ein Nachfahre der Tersteegens, Hermann Müschenborn, das Haus an die Stadt Mülheim verkauft. Als neue Eigentümerin restaurierte die Stadt das Tersteegenhaus 1938, ehe sie nach dem Krieg den Architekten Bernhard Kersting mit dem Wiederaufbau des im oberen Stockwerk und am Südgiebel beschädigten Hauses beauftragte.
Dennoch war der Zeitgeist der 50er und 60er Jahre mehr vom Neuaufbau moderner Bausubstanz, als vom Wiederaufbau historischer Bausubstanz geprägt. Dass das Geburtshaus des Jobsiade-Dichters und Arztes Carl Arnold Kortum an der Kettwiger Straße 1957 abgerissen und Anfang der 60er Jahre durch einen modernen Neubau des CVJMs ersetzt wurde, war nur ein Beispiel dafür. Erst in den späten 70er und in den 80er Jahren drehte sich dieser Zeitgeist. Jetzt besann man sich bei Wettbewerben, Ideenwerkstätten, Planungen und Ausschreibungen wieder der Konsolidierung und Rettung vorhandener Baudenkmäler. So titelte die Mülheimer WAZ vom 4. Februar 1984: „WAZ-Leser wünschen sich die alte Bebauung zurück“ und stellte fest: „Ein großes Echo hat die Redaktion mit ihrer Frage gefunden, wie sie darüber denken, rund um die Petrikirche die historische Bebauung wiederherzustellen. Die Zustimmung zu einem solchen Projekt ist fast einmütig.“ Stellvertretend für viele Leser schrieb damals der Broicher Günter Fraßunke:
Das wäre ein sinnvoller Schritt, der 40 Jahre nach der Zerstörung der Mülheimer Innenstadt längst hätte getan werden sollen, Dass andere Bereiche der Innenstadt – Schloßstraße, Leineweberstraße, Hans-Böckler-Platz, City Nord – bei der Nachkriegsplanung vorrangig waren und der Kirchenhügel ins stadtplanerische Abseits geriet, hat aber auch sein Gutes. Die Chancen sind nicht vertan, hier planvoll und ohne die Hektik der Wirtschaftswunderjahre etwas Vernünftiges zu schaffen.“

Auch wenn der Häuserkranz rund um die Petrikirche nicht wieder auferstand, zeigte die weitere Entwicklung mit Restaurierungen, Instandsetzungen, Vereinsgründungen, Initiativen und Projekten zur Aufwertung der Altstadt, dass die Mülheimer den Wert ihres historischen Stadtkerns neu entdeckt haben und ihn bis heute zu schätzen wissen. Insofern ist das neue Petrikirchenhaus an der Bogenstraße ein weiterer Baustein, der die Identifikation der alten und neuen Mülheimer mit ihrer Stadt stärken kann.

Dieser Text erschien am 28. Februar 2016 in der Festschrift zur Eröffnung des Petrikirchenhauses

Dienstag, 19. April 2016

Kunst in der Kirche oder Eppinghofen zeigt Gesicht in Düsseldorf

Der Mülheimer Fotograf Heiner Schmitz
in seiner Düsseldorfer Portraitausstellung
Kunst in der Kirche: Der Mülheimer Fotograf, Ruhrpreisträger und langjährige Professor für Fotografie an der Fachhochschule Dortmund, Heiner Schmitz, macht es möglich, in dem er einige seiner Porträtaufnahmen (noch bis zum 29. April) in der Sankt-Maximilians-Kirche in Düsseldorf ausstellt.
Zum Titel „Begegnungen“ will der Fotograf Betrachter und Betrachtete miteinander ins Gespräch bringen, in dem Ausstellungs- und Kirchenbesucher zwischen den großformatigen Porträts ihre Gedanken und Gefühle hinterlassen können. Diese Sequenzen sollen während der Ausstellung gesammelt und später als Diskussionsgrundlage für die aktive Integrations- und Flüchtlingshilfe dienen. Wer in die berührenden, anmutigen und starken Gesichter der Menschen schaut, die Schmitz 2011 und 2012 im multikulturellen Eppinghofen fotografiert hat, begreift, was der Fotograf meint, wenn er sagt: „Fotografie sollte mehr sein als die Abbildung der Wirklichkeit und beim Betrachten immer zu einer gewissen Irritation führen. Als Fotograf will ich mit meinen Bildern eine Aussage betonen oder eine neue Aussage schaffen. Mich fasziniert, wenn Fotograf und Model durch die Arbeit zu einer Einheit werden.“


St. Maximilian ist täglich ab 11 Uhr geöffnet und liegt an der Schulstraße in der Düsseldorfer Altstadt. Informationen zur Ausstellung gibt es unter der Rufnummer: 0211-906 90 39.

Dieser Text erschien am 16. April 2016 im Neuen Ruhrwort

Montag, 18. April 2016

Warum in die Ferne schweifen: Das Ruhrtalhaus der Naturfreunde in Raadt hat als grüne Oase an der Ruhr viel zu bieten

Weitere Informationen zum Ruhrtalhaus
findet man auf der Internetseite
www,ruhrtalhaus.de
Wer in Mülheim die in privaten Wohnraum umgewandelte Jugendherberge am Kahlenberg vermisst, kann am Böllrodt, unweit des Flughafens fündig werden.

Im Ruhrtalhaus der Naturfreunde können Einzelpersonen und Gruppen bis zu 30 Personen für vergleichsweise kleines Geld mitten im Grünen wohnen. „Dieses Angebot wird derzeit vor allem von Kindergartengruppen und Schulklassen genutzt. Wir sind aber auch für Seminare, Geburtstagsgesellschaften oder Einzelübernachtungen von Wanderern und Radtouristen offen“, sagt der Vorsitzende der Naturfreunde, Jürgen Donner.

Je nach Wetterlage nutzen derzeit 2000 bis 3000 Gäste das Ruhrtalhaus, meistens im Rahmen von Klassenfahrten. Das 1932 erbaute und in den 70er und 80er Jahren ausgebaute Naturfreundehaus wird von Miroslaw Pergol und Friederike Gülck betreut.

Weil den Naturfreunden, die sich 1885 in Wien und 1915 in Essen und Mülheim gegründet haben, der Umweltschutz besonders am Herzen liegt, bieten sie bei Bedarf auch ein erlebnispädagogisches Programm mit einer Waldrallye und Gruppenspielen im Wald an.

Dabei können Kinder und Jugendliche unter der qualifizierten Anleitung von Stephanie Beseke, Christoph Bachhuber, Anja Greune und Patrick Meinhardt etwas über die heimische Tier- und Pflanzenwelt sowie über den besonderen ökologischen Wert des Waldes lernen. Das Naturspektrum, das man erleben kann, reicht vom Schlafplatz der Rehe bis zur Wildwiese. „Altersgerecht und spielerisch wollen wir Kindern und Jugendlichen so den Respekt vor der Natur vermitteln“, unterstreicht Beseke, die als Bildungsreferentin für die Naturfreunde-Jugend NRW arbeitet.

„Die Naturfreunde, die in Essen und Mülheim insgesamt rund 370 Mitglieder haben, kommen ursprünglich aus der Arbeiterbewegung. Ihr Ziel war es, vor allem Arbeitern für kleines Geld die Erholung in der Natur zu ermöglichen. Doch auch heute ist unser Angebot unter anderen gesellschaftlichen Vorzeichen wichtig. Gerade in einer multimedial geprägten Gesellschaft nehmen viele Kinder und Jugendliche das Leben und Lernen in der Natur als Kontrastprogramm zu ihrem Alltag immer wieder gerne an“, berichtet Jürgen Donner.

Er weiß aber auch, dass das aufzuglose und nicht gerade barrierefreie Ruhrtalhaus für ältere und unbewegliche Gäste nicht gerade ideal ist. „Aber auch Schulkinder, die im Rollstuhl sitzen, können zu uns kommen. Wir finden für alle eine Lösung und im Notfall wird einfach mit angefasst“, betont der Vorsitzende der Naturfreunde.



Dieser Text erschien am 5. April 2016 in der NRZ und in der WAZ

Sonntag, 17. April 2016

Begleiterin in schwerer Zeit: Die NRZ erscheint seit 70 Jahren

Auch Stadtarchiv-Nutzer Martin Müller
schaut regelmäßig in die alten Ausgaben der
Mülheimer NRZ
„Es war der Tag, an dem man endlich wieder sagen und schreiben konnte, was wahr ist“, hat Elfriede Rosorius einmal in einem Gespräch mit der NRZ gesagt. Sie meinte damit den Tag, an dem zum ersten Mal in Mülheim eine Lokalausgabe der NRZ erschien, der 13. Juli 1946. Die 2013 verstorbene Elfriede Rosorius war die Tochter des ersten Mülheimer Redaktionsleiters, Otto Striebeck. Sie lief vor 70 Jahren von Haus zu Haus, um die ersten Abonnenten für die Neue Ruhr Zeitung zu werben.

Das Abonnement kostete damals 1,50 Reichsmark pro Monat. Aufgrund des akuten Papiermangels erschien die von der britischen Militärregierung als SPD-nahe Tagezeitung lizenzierte NRZ, nur mittwochs und samstags. Die erste Lokalausgabe war mit einer Zeitungsseite sehr überschaubar.

Striebeck und seine freien Mitarbeiter berichteten in der ersten Lokalausgabe zum Beispiel über ein Rettungsschwimm- und Boxtraining, das 45 Polizeibeamte am Entenfang absolviert hatten. Außerdem liest man in der ersten Mülheimer NRZ-Ausgabe über die Lebensmittelhilfe, die das Schwedische Rote Kreuz in Mülheim leistet.

Bei einer Dankveranstaltung im Hotel Handelshof sagt der damalige Oberbürgermeister Wilhelm Diederichs mit Blick auf die schwedischen Helfer: „Ihr unermüdlicher und mit großen Opfern verbundener Einsatz hat zur Verständigung und zu neuem Vertrauen zwischen den europäischen Nationen geführt und er hat viele Freunde unter uns gewonnen. Er hat manchen Familien ein großes Glück beschert und geholfen, eine Hungerkatastrophe von uns fernzuhalten.“

Auch andere Berichte zeigen, wie stark der Mülheimer Alltag 1946 von den Kriegsfolgen geprägt wird. So liest man zum Beispiel von einer Gehschule für beinamputierte Kriegsversehrte, die in der katholischen Volksschule an der Eduardstraße (der heutigen Martin-von-Tours-Schule) von der städtischen Kriegsbeschädigten-Fürsorge angeboten wird. Ihr Ziel: Die Kriegsversehrten sollen möglichst schnell wieder in den Arbeitsprozess integriert werden.

Dass der große Luftangriff, der weite Teile Mülheims am 22. und 23. Juni 1943 in Schutt und Asche gelegt hat, erst drei Jahre und das Ende des NS-Regimes erst gut ein Jahr zurückliegen, zeigt ein Bericht über den Mangel an unzerstörten Schulräumen und politisch unbelasteten Lehrern. Deshalb müssen sich damals 70 Mülheimer Schüler eine Lehrkraft teilen.

Otto Striebeck (1894-1972) war der erste Mülheimer Redaktionsleiter der NRZ in Mülheim. Der gelernte Bergmann war aktiver Gewerkschafter und Sozialdemokrat. Ab 1929 arbeitete er als Redakteur für eine sozialdemokratische Zeitung in Moers. Nach der Machtübernahme Hitlers konnte er zwischen 1933 und 1945 seinen Beruf nicht mehr ausüben und wurde von den Nazis immer wieder verfolgt und verhaftet. Nach dem Kriegsende 1945 wurde er als Vorsitzender der Mülheimer SPD von der britischen Militärregierung in den Bürgerausschuss und in die anschließende Stadtvertretung berufen. Ab 13. Juli 1946 leitete er die NRZ in Mülheim und arbeitet als Ratsmitglied am Wiederaufbau der Stadt mit. 1949 wurde er als Kandidat der SPD in den ersten Deutschen Bundestag gewählt. Bei der Bundestagswahl 1953 verlor er sein Mandat an die Christdemokratin Gisela Prätorius. 1958 konnte Striebeck allerdings über die Landesliste seiner Partei erneut in den Bundestag einziehen, dem er bis 1965 angehören sollte.

Dieser Text erschien am 5. April 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung

Samstag, 16. April 2016

Bürger machen es möglich: Frank Lenz gibt den Vorsitz der Bürgerstiftung an Patrick Marx ab und übernimmt den Vorsitz des Stiftungsrates von Gabriela Grillo: Was will der neue Vorstand?

Der neue Vorsitzende der Bürgerstiftung
Patrick Marx
Mit einem neuen Vorstand blickt die Bürgerstiftung nach vorn: Frank Lenz, der dem Vorstand der Bürgerstiftung seit der Gründung angehörte, übergab jetzt die Vorstandsgeschäfte an Patrick Marx, „um der Stiftung damit neue Wege zu eröffnen, ohne die bestehenden Verbindungen aufzugeben“. Marx ist seit Jahren Vorstandsmitglied der Bürgerstiftung. Der Apotheker ist in Mülheim bekannt und gut vernetzt. Er engagiert sich ehrenamtlich und sozial für das Gemeinwohl. Nach seiner Wahl sagte Marx: „Es ist für mich eine große Ehre und Freude, Vorsitzender der Bürgerstiftung zu sein. Ich möchte das bürgerschaftliche Engagement in verschiedenen Bereichen weiter stärken.“

Frank Lenz übernimmt nun den Vorsitz im Stiftungsrat, den bislang Gabriela Grillo inne hatte, die aus beruflichen Gründen kürzer tritt. Sie bleibt Mitglied des Stiftungsrates und wurde zur Ehrenvorsitzenden ernannt. Im Gespräch mit der NRZ erklärt Patrick Marx seine Motivation und Ziele als neuer Stiftungsvorsitzender.

Frage: Ist die Bürgerstiftung ein Lückenbüßer für das, was die Stadt nicht mehr bezahlen kann oder will?

Antwort: Marx: Wir sehen uns nicht als Lückenbüßer, sondern als Ergänzung der Stadt. Wir sind nicht in den USA, wo der Staat sich aus kulturellen und sozialen Aufgaben zurückzieht und deren Finanzierung reichen Leuten überlässt. Aber wir können als politisch und finanziell unabhängige Bürgerstiftung mit Hilfe unserer Zustifter Projekte im Bereich Jugend, Bildung und Kultur ermöglichen, die sonst gar nicht zustande kämen. Zuletzt haben wir zum Beispiel mit 5000 Euro dafür gesorgt, dass Mitglieder des Schachvereins Nord am Europapokal in Spanien teilnehmen konnten. Und am 20. Mai werden wir mit einem Kooperationspartner ein größeres Projekt angehen, für das die Bürgerstiftung einen sechsstelligen Betrag zur Verfügung stellen wird. Näheres möchte ich jetzt aber noch nicht sagen.

Frage: Warum engagieren Sie sich für die Bürgerstiftung?

Antwort: Marx: Ich sehe meine Aufgabe so: Wenn es Bürgern in dieser Stadt gut geht, dann sollten sie etwas an die Gesellschaft zurückgeben.

Frage: Wie sehen Sie die Zukunft der Bürgerstiftung?

Antwort: Marx: Ich gehe davon aus, dass die Bedeutung der Bürgerstiftung wachsen wird, weil die finanziellen Möglichkeiten der Stadt eher schrumpfen als wachsen werden.

Frage: Keine schönen Aussichten.

Antwort: Marx: Ich sehe da nicht schwarz. Wenn wir unsere Sache gut machen, werden wir genug Stifter und Zustifter davon überzeugen können, sich für eine gute Sache einzusetzen. Und wenn sich Bürger mit Herz und Verstand für ihr Anliegen engagieren, kann der Staat davon nur profitieren. Die öffentliche Hand muss uns Bürger satt und sauber bekommen. Alles andere sollte in private Hände übergeben werden.

Frage: Wie hoch ist das Stiftungskapital?

Antwort: Marx: Das Stammkapital liegt aktuell bei 800?000 Euro. Das hört sich nach viel an. Man darf aber nicht vergessen, dass wir derzeit extrem niedrige Zinsen haben und dass wir Projekte nur aus den Zinserträgnissen des Stiftungskapitals finanzieren können. Weitere Informationen gibt es unter: www.buergerstiftung-muelheim.de sowie bei Patrick Marx unter der Rufnummer: 0208/470054.


Dieser Text erschien am 14. April 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung

Freitag, 15. April 2016

So gesehen: Musikalisches Erweckungserlebnis

Als Mülheimer, der mitten in der Stadt wohnt, ist man an Geräuschkulissen gewöhnt: Lieferwagen ohne Ende. Schreiende Kinder. Schreiende Erwachsene. Betrunkene, die den Weg nach Hause nicht finden oder ein plätschernder Brunnen vor der Haustür, der sich aufs erste Ohr wie ein Regenfall anhört.

Auch Vogelgezwitscher hat mich schon aus meinem Schlaf bei haloffenem Fenster geweckt. Doch Musik kannte ich bisher nur aus dem Radio oder als Straßenmusik zur Mittagszeit. Doch am Wochenende  hatte ich ein musikalisches Erweckungserlebnis der besonderen Art. Am Samstag holten mich Klavier- und am Sonntag sogar Posaunenklänge aus dem Schlaf.
Hatte ich etwa am Abend vergessen, das Radio auszustellen oder sollte ich über Nacht bereits in den Himmel gekommen sein?

Bei genauerem Hinhören und Hinschauen erwies sich die Lösung als profan, aber schön. Denn am Samstag begleitete ein Pianist  den Blumenmarkt auf der Schloßstraße. Und am Sonntag erweckte mich der Posaunenchor einer christlichen Gemeinde.

Wer hätte gedacht, dass die Schloßstraße ein solch himmlisches Pflaster sein kann, wenn Menschen die richtigen Töne jenseits der Missklänge finden. An diesem Tag hielt ich es mit einer Musikfreundin: „Musik ist, wie Frühstück. Niemand sollte ohne aus dem Haus gehen.“

Dieser Text erschien am 11. April 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung

Donnerstag, 14. April 2016

SPD-Basis steht hinter Sigmar Gabriel: Sie fordert von ihrer Parteispitze aber mehr Mut, Klarheit, Grundsatztreue und bessere Öffentlichkeitsarbeit: Margarete Wietelmann sieht Opposition als Chance

In aktuellen Umfragen rutscht die Volkspartei SPD, die in Mülheim knapp 2000 Mitglieder hat, bundesweit erstmals unter 20 Prozent. Was sagen hiesige Sozialdemokraten zum Tief ihrer Bundespartei?

„Das ist nur eine Momentaufnahme, weil das Flüchtlingsthema alles andere überlagert“, sind sich der SPD-Bundestagsabgeordnete Arno Klare und der Heißener SPD-Ratsherr Daniel Mühlenfeld einig. Der Bundes- und der Kommunalpolitiker sehen das Problem der SPD nicht in der Person des Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel. „Er ist der richtige Mann an der richtigen Stelle. Das hat man zuletzt bei seiner Rede vor 15 000 Stahlarbeitern in Duisburg gesehen. Die fanden das, was Gabriel sagte, offensichtlich klasse“, betont Klare.

„Entscheidend ist nicht, wer was bei uns sagt, sondern, was wir als SPD sagen. Wir brauchen mehr Geschlossenheit und ein klares sozial- und bildungspolitisches Profil, um wieder mehr Menschen davon zu überzeugen, dass es gut für sie ist, wenn sie SPD wählen“, unterstreicht Mühlenfeld.  Klare und Mühlenfeld empfehlen ihrer Partei das Vorbild der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer.  Sie habe als profilierte Persönlichkeit auch in Zeiten miserabeler Umfrageergebnisse die Reihen der Partei hinter sich geschlossen und am Ende mit Erfolg eine konsequente sozialdemokratische Politik so glaubwürdig vertreten, dass ihr die Wähler gefolgt seien.
Seele gestreichelt

„Ich kann das einfach nicht verstehen und ich habe da auch kein Patentrezept“, kommentiert der ehemalige Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Hans Meinolf. Für den 85-Jährigen steht aber fest, dass sich die SPD als Partei der arbeitenden Menschen treu bleiben und den Schulterschluss mit den Gewerkschaften suchen muss. Gabriels kämpferische und gefeierte Rede vor den Stahlarbeitern in Duisburg hat seine sozialdemokratische Seele gestreichelt und ihn an Zeiten erinnert, in denen die SPD mit ihrem Kanzler Willy Brandt 1972 mit fast 46 Prozent der Stimmen stärkste Partei im Bund wurde. Lang ist es her.

Meinolf glaubt: „Mindestlohn, Rente mit 63, betriebliche Mitbestimmung, der Erhalt von Tengelmann-Arbeitsplätzen durch Gabriels Ministerlaubnis für die Fusion mit Edeka oder Widerstand gegen  Boni für die VW-Manager halten die meisten Menschen für selbstverständlich und sehen nicht, dass das nur passiert, weil die SPD und ihr Vorsitzender dafür eintreten. Wir müssen in der Öffentlichkeit lauter und klarer darüber sprechen, was wir als SPD warum machen und durchgesetzt haben.“

„Obwohl ich keine Freundin von Sigmar Gabriel bin, hielte ich einen Führungswechsel in der jetzigen Situation für fatal. Ich habe selbst erlebt, dass Gabriel ein Mensch ist, der Menschen überzeugen und begeistern kann“, sagt die Speldorfer SPD-Ratsfrau und Bürgermeisterin Margarete Wietelmann. Sie ist davon überzeugt: „Wir brauchen ein stärker erkennbares sozialdemokratisches Profil. Das bekommen wir in der Opposition und nicht als Steigbügelhalter der CDU.“
Der 26-jährige SPD-Stadtverordnete Rodion Bakum aus Eppinghofen rät seiner Partei angesichts der dramatisch schlechten Umfrageergebnisse „ganz entspannt weiterhin zu arbeiten, politische Verantwortung zu übernehmen, den eigenen Grundsätzen treu und mit den Bürgern im Gespräch zu bleiben.“ Mit Blick auf die zurzeit erfolgreichen Kampagnen der AFD fordert er von seiner „in über 150 Jahren leiderprobten und oft beschimpften Partei“ an ihren Idealen von Freiheit, Solidarität und Einheit festzuhalten. Bakum hielte es für verfehlt, wenn ein Parteivorsitzender wie Sigmar Gabriel aus schlechten Umfrageergebnissen Konsequenzen ziehen müsste.

Er erinnert an einen Satz Willy Brandts: „Welchen Wert hätte es für uns, eine Mehrheit zu gewinnen, wenn wir am Ende keine Sozialdemokraten mehr wären!“ Der Medizinstudent Bakum, der 1990 in Kiew geboren wurde und seit 2009 in der SPD aktiv ist, glaubt daran, dass seine Partei auch wieder bessere Zeiten erleben wird, wenn sie Mut zu klaren sozialdemokratischen Positionen hat.
Mut vermisst

Diesen Mut hat er vermisst, als die von der SPD mitgetragene Bundesregierung „Europa an die Türkei verkauft hat, damit die Türkei die Flüchtlinge behält, die eigentlich zu uns wollen, und uns damit  erpressbar gemacht hat.“ Wiedergefunden hat er diesen sozialdemokratischen Bekennermut dagegen, als sich die SPD jetzt gegen eine Anklage des Satirikers Böhmermann gewandt hat, weil die Meinungsfreiheit in Deutschland über der durch ein Schmähgedicht beleidigten Ehre eines türkischen Staatspräsidenten stehen müsse.

Dieser Text erschien am 13. April 2016 in der NRZ und in der WAZ

Mittwoch, 13. April 2016

Pfarrgemeinden in der Entwicklung: Ein Gespräch mit dem Gemeinderatsvorsitzenden von St. Mariae Geburt

Falko Meyer
„Wandel auf allen Ebenen.“ Unter diesem Leitwort beschäftigte sich der katholische Akademikerverband (wie berichtet) in der vergangenen Woche mit der Zukunft einer aus demografischen und gesellschaftlichen Gründen kleiner werdenden Kirche. Doch wie stellt man sich an der Mülheimer Kirchenbasis auf diesen Wandel ein? Wir fragten  Falko Meyer. Der 43-jährige Familienvater und Finanzcontroller engagiert sich als Gemeinderatsvorsitzender in der knapp 17 000 Mitglieder zählenden katholischen Stadtgemeinde St. Mariae Geburt.

Was sehen Sie, wenn Sie in die Zukunft ihrer Gemeinde und in die der katholische Stadtkirche schauen?
Wir wissen aus den Zahlen des Bistum, dass wir bis 2030 etwa ein Drittel der Kirchenmitglieder, 44 Prozent unserer Kirchensteuereinnahmen und die Hälfte unserer Priester verlieren werden.

Worauf ist dieser Schrumpfungsprozess zurückzuführen?
Das hat zunächst mal demografische Gründe. Wir haben heute immer mehr Rentner in den Gemeinden, die keine Kirchensteuer bezahlen. Außerdem haben kircheninterne Skandale in den vergangenen zehn Jahren dazu geführt, dass viele kirchenferne Christen  aus der Kirche ausgetreten sind, weil es heute gesellschaftlich eher opportun ist, auf die Kirche draufzuhauen, als Mitglied der Kirche zu bleiben.

Wie reagieren Sie auf diesen Wandel?
Wir haben nicht nur in St. Mariae Geburt einen Pfarreientwicklungsprozess begonnen, zu dem wir ausdrücklich auch kirchenferne, aber noch an der Kirche interessierte Christen einladen. Wir haben uns auf den Weg gemacht und Arbeitsgruppen gebildet, die sich zunächst mal das Leben in der Pfarrgemeinde ansehen. Wie läuft es mit der Kinder und Jugendarbeit? Welche Gebäude und Angebote haben wir und welche brauchen wir und was brauchen wir in Zukunft vielleicht nicht mehr? Dieser Pfarreientwicklungsprozess soll dann Ende 2017 in ein Entscheidungsvotum an den Bischof münden.

Die Kirchenbasis zerbricht sich den Kopf und der Bischof entscheidet.
So war es bei der Gemeindeumstrukturierung 2005/2006. Aber diesmal soll die Basis entscheiden. Der Bischof will nicht von oben herab Reformen verordnen. Das haben seine Mitarbeiter und er uns versichert. Ich kann verstehen, dass viele Menschen aufgrund ihrer in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen skeptisch sind. Aber ich bin zuversichtlich, dass dieser Dialog zwischen Basis und Bischof funktionieren und sich dann auch langfristig etablieren wird. Das gilt auch dann, wenn sicher nicht alle kirchlichen Entscheidungen künftig von der Basis getroffen werden.

Kirche 2030! Wie sieht die aus?
Das wissen wir heute noch nicht. Wir haben noch keine Antworten. Deshalb machen wir uns auf den Weg und sind auch an den Ideen und Vorstellungen der kirchenfernen, aber noch an der Kirche und am christlichen Glauben interessierten Menschen interessiert, die wir heute nicht mehr erreichen.
Warum brauchen wir Kirche und ihre Gemeinden heute und auch im Jahr 2030?
Weil die Frohe Botschaft Jesu ganz viel mit dem Leben der Menschen zu tun hat und ihnen damit Halt, Orientierung, Sinn und Werte vermittelt. Aus Gesprächen weiß ich, dass dies auch kirchenferne Menschen so sehen und der sozial und seelsorgerisch engagierten Kirche zugestehen, im Sinne von Gemeinschaft und Hilfe für die Schwachen ein Korrektiv zum fortschreitenden Egoismus in unserer Gesellschaft darzustellen. Das muss auch für künftige Generationen erhalten bleiben.

Dieser Text erschien am 6. April 2016 in der NRZ und in der WAZ

Dienstag, 12. April 2016

Vorbeikommen und mitmachen: Eppinghofen präsentiert sich mit einer Werkstattwoche als eine bunte Mischung

Stadtteilmanagerin
Alexandra Grüter
Eppinghofen ist eine bunte Mischung. Hier leben Menschen aus 100 Nationen zusammen. „Eppinghofen mischt mit“ heißt es denn auch bei der sechsten Werkstadtwoche vom 17. bis 22. April. 100 Beteiligte mischen bei 50 Aktionen mit. Sie beweisen, was Stadtteilmanagerin Alexandra Grüter so formuliert: „In Eppinghofen leben viele kreative Menschen und jedes Jahr werden es mehr.“

Bei der Programmvorstellung im Stadtteilbüro an der Heißener Straße 16-18 saßen Aktive aus Schulen, Kindertagesstätten, Gemeinden, Kulturvereinen und städtischen Einrichtungen Seite an Seite. Und Mario & Nette, alias Betty Harrer und Renate Opitz gaben zusammen mit Julia und Lena von der Grundschule im Dichterviertel mit einem kleinen Marionetten-Puppenspiel über eine Maus, die zu groß ist, um von einer Katze gefressen zu werden und statt dessen mit ihr den Katzentatzentanz tanzt, einen Vorgeschmack auf die bunte Mischung, die in der Werkstattwoche Eppinghofen und angrenzende Bereiche der Innenstadt und Dümptens aufmischen wird. „Durch die Werkstadtwochen sind in Eppinghofen soziale Netzwerke entstanden, in denen Menschen zusammenarbeiten, die sich vor her nicht kannten“, freut sich Marlies Rustemeyer vom Centrum für bürgerschaftliches Engagement.“

Vorgeschmack am Freitag

Apropos Vorgeschmack. Den gibt es auch schon am Freitag (15. April) um 16 Uhr, wenn Eltern und ihre Kinder zwischen 2 und 12 Jahren im Gemeindezentrum der Evangelisch Freikirchlichen Gemeinde an der Auerstraße 59 nicht nur kulinarisch und farblich die eine oder andere Mischung ausprobieren können. „Alle zusammen – eine bunte Mischung“ heißt es dort auch am Sonntag, 17. April, um 10 Uhr bei einem Gottesdienst mit anschließendem Kirchencafé.

Bewegungspause an der Haltestelle

Am Montag (18. April) mischen das Netzwerk der Generationen, CBE, KokoBe und die Altenhilfe St. Engelbert die Haltestellen Scheffelstraße (13 Uhr) Seilerstraße (16 Uhr) und Kaiserplatz (18 Uhr) mit sportiven Bewegungspausen auf, damit die Fahrgäste nicht nur an ihr Ziel, sondern auch fit in den Frühling kommen.

Um eine gute Mischung aus Bewegung und gesunder Ernährung geht es am gleichen Tag im Jugendzentrum Stadtmitte an der Georgstraße 24. Gäste sind nach vorheriger Anmeldung herzlich willkommen. Die Mischung aus Fantasie, Realität, Spiel und Spannung steht am 18. April um 15 Uhr im Gemeindezentrum der Evangelischen Lukasgemeinde an der Aktienstraße 136 auf dem Programm, wenn Kinder aus dem Haus der kleinen Leute für Eltern, Großeltern und Co eine Zirkusvorführung geben und tags darauf im Haus der kleinen Leute am Klöttschen in einem Zirkusworkshop ihr Wissen die Kollegen aus der Kita Fantadu weitergeben. „Wir mischen Kulturen“ heißt es am 19. April, wenn die BBWE und das Bildungsnetzwerk Eppinghofen um 10 Uhr am Ruhrradschnellweg im Eppinghofer Bruch (Höhe Leybankstraße) zu einem internationalen Picknick einlädt. Und wer am gleichen Tag um 14.30 Uhr an der Haltestelle Rathausmarkt vorbei kommt, kann mit den Aktiven des Jugendzentrums Stadtmitte und des Netzwerks der Generationen erleben, wie schnell die Wartezeit vergeht, wenn man sie in Bewegung verbringt. Und um 16 Uhr geht es im Jugendzentrum an der Georgstraße 24 mit einer Mischung aus Kreativität und Sprache weiter, bei der Kinder und Frauen verschiedener Muttersprache miteinander ins Gespräch kommen.

Jede(r) bringt etwas mit

„Jede Teilnehmerin bringt einen Beitrag zum Buffet mit. Gäste sind willkommen“, heißt es am 20. April um 10 Uhr beim Mutter-Kind-Frühstück, bei dem sich im Stadtteilbüro an der Heißener Straße, wenn sich Sprachen und Gerichte miteinander mischen werden. „Wir mischen die Karten neu“. Unter diesem Motto lädt die städtische Erziehungsberatungsstelle am gleichen Tag um 14.15 Uhr Kinder und Eltern zu einem Spiele-Nachmittag in die Grundschule an der Zunftmeisterstraße 21 ein. Gleicher Tag, nur 15 Minuten später kann man im Jugendzentrum an der Georgstraße 24 eine „feurige Mischung“ aus Musik und Graffiti-Kunst miterleben und mitgestalten. Ebenfalls am 20. April, kann man ab 18.15 Uhr an der Wallstraße 2 die hohe Kunst der Kaligrafie, also der Mischung von Schriftzeichen entdecken. Dazu passt das Bilderbuchkino, zu dem die Stadtbücherei im Medienhaus am Synagogenenplatz am 21. April um 10 Uhr einlädt, um zu zeigen, was passiert, wenn Klara mit blauer Tinte schreibt.

Unwiderstehliche Mischung

Um Anmeldung wird auch gebeten, wenn Mario & Nette am 21. April (10 bis 14 Uhr) das Stadtteilbüro an der Heißener Straße mit ihrer unwiderstehlichen Mischung aus Musik und Spiel in eine Puppenspielbühne verwandeln wird. Um eine Mischung aus Hip-Hop und Streetdance geht es am gleichen Tag um 12.30 Uhr in der Realschule an der Mellinghofer Straße 56. Am gleichen Tag und an der gleichen Adresse zeigen Mülheimer Sportbund und Mülheimer Sportservice in der Astrid-Lindgren-Grundschule, welche Abenteuer Kinder beim Sport erleben können. Und last, but not least klingt die vom Energieversorge RWE finanziell geförderte Werkstattwoche am 22. April um 14 Uhr mit einem großen Abschlussfest im Gemeindezentrum der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde an der Auerstraße 59 aus. Das Programmheft der Werkstattwoche liegt bei allen teilnehmenden Organisationen und Institutionen aus. Weitere Informationen bekommt man im Internet unter: http://eppinghofen.muelheim-ruhr.de oder im Stadtteilbüro an der Heißener Straße 16-18 unter der Rufnummer: 455-5192.

Dieser Text erschien am 12. April 2016 im Lokalkompass der Mülheimer Woche

Montag, 11. April 2016

Arbeitgeber sucht Arbeitnehmer: Unterwegs mit den Beratern des Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit

AGS-Beraterin Aleksandra Soballa schaut sich zusammen mit
der Hauswirtschaftsleiterin Simone Liesner und mit der
stellvertretenden Leiterin der Speldorfer
Seniorenresidenz Carpe Diems. Kristina Jularic
anonymisierte Bewerberprofile.
Es ist nicht nur schwer, einen Arbeitsplatz zu finden, der zu einem passt. Auch Arbeitgeber tun sich heute offensichtlich schwer einen qualifizierten Arbeitnehmer zu finden, der zu ihnen und ihrem 

Betrieb passt. Das merkt man gleich, wenn man mit Mitarbeitern des Arbeitgeberservice unterwegs ist, der zur Agentur für Arbeit gehört.

9 Uhr. Der Arbeitstag von AGS-Beraterin Aleksandra Soballa beginnt im Altenheim Carpe Diem an der Hansastraße. Der Koch des Hauses, Andreas Melloh heißt sie mit Kaffee und belegten Brötchen willkommen. Die Beiden kennen sich bereits. „Das hat wirklich gut geklappt und jetzt sind alle Beteiligten zufrieden“, erinnert sich der Küchenchef an die Zusammenarbeit mit Soballa, die ihm eine Küchenhilfe und einen Beikoch und eine Küchenhilfe besorgt hat. In diesem Fall hat sich der gute Eindruck aus zwei Probearbeitstagen auch in der Alltagswirklichkeit der Speldorfer Seniorenresidenz bewahrheitet.

„Für uns sind nicht nur Noten, Abschlüsse und Qualifikationen entscheidend. Wir müssen selbst den Eindruck gewinnen, dass eine Bewerberin oder ein Bewerber auch menschlich in unser Team passt“, sagen Pflegedienstleiterin Miriam Manns und Hauswirtschaftsleiterin Simone Liesner. Zusammen mit AGS-Frau Soballa gehen Manns und Liesner anonymisierte Lebensläufe durch. Sie zeigen ihnen nur das Bewerberprofil, Geschlecht und Alter an. Der Name und das Erscheinungsbild des Bewerbungsfotos sucht man vergebens. „Das machen wir so, damit sich Arbeitgeber nicht von Äußerlichkeiten ablenken lassen“, erklärt Soballa die Vorgehensweise.

Dennoch räumt Manns ein, „dass das Erscheinungsbild eines Bewerbers und seine oder ihre sozialen und kommunikativen Fähigkeiten schon eine entscheidende Rolle spielen, wenn man sich im Vorstellungsgespräch kennengelernt.

Am Ende des Vermittlungsgespräches, dass mit einer Führung durchs Haus endet, suchen sich Manns und Liesner zwei bis drei Bewerberprofile aus, die ihnen interessant erscheinen und die sie in Kürze zu einem Gespräch ins Carpe Diem einladen werden.

11 Uhr: AGS-Frau Sandra Kocks und Edeka-Paschmann Prokurist Markus Trenkner treffen sich an einem Infostand der Arbeitsagentur. Denn dieser Tag (6. April) ist zufälliger Weise auch der Europäische Arbeitgebertag. Auch Kocks macht Trenkner mit einigen Bewerberbögen Appetit auf den oder die künftige Paschmann-Mitarbeiter, die als Koch eine Kochschule aufbauen soll, in der Mitarbeiter der Fleisch- und Fischtheken in Sachen Kochberatung der Kunden geschult werden sollen. Kocks weist Trenkner neben dem Studium der Bewerberprofile auch auf ein Einstiegs- und Qualifizierungsprogramm aufmerksam, mit dem die Agentur für Arbeit die Einstellung von Berufsanfängern finanziell fördert. Dass Trenkner am Ende des Gesprächs, zwei Bewerberbögen zur genaueren Begutachtung der Kandidaten mitnimmt, nachdem er zuvor bereits zehn Vorschläge der AGS-Beraterin geprüft und Teil verworfen hat, zeigt, wie lang der Weg ist, bis Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammen kommen und hoffentlich miteinander glücklich werden.

Von diesem Glückszustand sind auch Hamid und Sevda Delic noch weit entfernt. Sie treffen sich um 12 Uhr mit AGS-Berater Dieter Jörgens in ihrem Restaurant und Hotel Hopfensack. Bereits seit einigen Monaten sind Jörgens und die Delics im Gespräch, um einen Koch und eine Servicekraft zu suchen. „Bei einigen Bewerbern hatte ich das Gefühl, dass sie nur deshalb zum Vorstellungsgespräch gekommen sind, um den entsprechenden Stempel für ihre Unterlagen zu bekommen. Eine andere Bewerberin, von der ich im Vorstellungsgespräch einen sehr guten Eindruck gewonnen hatte und die ich eigentlich unbedingt haben wollte, hat mir dann noch kurz vor dem geplanten Arbeitsantritt per SMS abgesagt“, schildert Sevda Delic ihre Frustrationserlebnisse auf der Suche nach einer geeigneten Arbeitskraft. „Gerade in der Gastronomie und in der Hotelerie ist es schwierig, geeignete Fachkräfte zu bekommen. Vor allem die sehr flexiblen Arbeitszeiten, morgens früh und abends spät oder an Wochenenden schrecken viele Bewerber ab“, weiß AGS-Berater Jörgens.

Deshalb haben die Delics in ihrer Not bereits in ihrem Herkunftsland Bosnien nach Fachkräften gesucht und zwei geeignete Bewerber gefunden. Nach der vorgeschriebenen Arbeitsmarkt-Vorrangprüfung hat Jörgens jetzt das Arbeitserlaubnisverfahren für die beiden Bosnier auf den Weg gebracht. Außerdem will er prüfen, ob die Agentur für Arbeit Seva Delic finanziell bei einer Ausbildung zur Ausbilderin zu helfen, damit die Delics künftig ihren eigenen Nachwuchs ausbilden können.

Das auch ein größeres Hotel, wie das Best Western am Forum, über Monate vergeblich nach einem Auszubildenden für das Hotelfach und den Zimmerservice suchen kann, zeigt um 13 Uhr das Gespräch zwischen AGS-Berater Klaus Mertins und Hoteldirektor Moncef Mahmoudi. Mertins und Mahmodi können sich am Ende des Gesprächs nur versichern: „Wir geben nicht auf und bleiben dran!“ Serviceorientierte und kommunikative Hotelkraft mit guten Englisch-Kenntnissen, bitte melden. Auch wenn sein heutiger Termin nicht vor Erfolg gekrönt ist, betont Mertins, wie seine anderen AGS-Kollegen: „Unsere Vor-Ort-Gespräche mit Arbeitgebern sind sehr wichtig, um die Atmosphäre und den Bedarf eines Betriebes genau zu erfassen und so zu erkennen, welcher Mitarbeiter jeweilige ins Haus passen könnte.“

Dieser Text erschien am 9. April 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung

Sonntag, 10. April 2016

Elisabeth und Friedrich Engelbert: Ein Leben für die Katholische Arbeitnehmerbewegung

KAB-Präses Pastor Herbert Rücker
bedankt sich bei Elisabeth und
Friedrich Engelbert für ihr
langjähriges Engagement.
Auf dem Tisch von Friedrich Engelbert stapelt sich der Impuls, die Zeitung der Katholischen Arbeitnehmerbewegung. „Die muss ich noch verteilen“, sagt Engelbert, der genau wie der emeritierte Papst Benedikt XVI. im Jahr 1927 geboren worden ist. Auch mit 88 ist sich Engelbert nicht zu schade dafür die „Zeitung der Bewegung für soziale Gerechtigkeit“ auszutragen.
Dabei müsste er das nicht mehr. Denn nach 52 Jahren in der KAB hat er jetzt kein Amt mehr inne. Gerade erst sind Engelbert und seine 83-jährige Frau Elisabeth vom örtlichen KAB-Präses Pastor Herbert Rücker mit Dank für ihr jahrzehntelanges Engagement verabschiedet worden.
Denn Elisabeth Engelbert, die auch den Seniorenkreis von St. Mariae Geburt leitet, ist für ihren Mann in 52 Jahren KAB immer die Frau an seiner Seite gewesen. „Ohne ihre Unterstützung hätte ich gar nicht tun können, was ich getan habe“, betont Engelbert.
Es war meine Frau, die eines Tages zu mir sagte: Wir müssen einem Verein mitarbeiten, um in unserer Gemeinde mehr soziale Kontakte zu bekommen“, erinnert sich Friedrich Engelbert an den Impuls seiner Frau, der das Ehepaar 1964 zur KAB Herz Jesu brachte. Auch als das Ehepaar und seine Kinder durch Umzug und Gemeindeumbau später die Pfarreien wechselten und aus Herz Jesu 1972 St. Raphael und 2006 St. Mariae Geburt wurde, blieben sie ihrer KAB treu.

Das Eintreten für soziale Gerechtigkeit und das Geborgensein in einer christlichen Gemeinschaft, ist den Engelberts immer wichtig gewesen. Als Vorsitzender und stellvertretende Vorsitzende organisierten sie über gut fünf Jahrzehnte sozialpolitische und religiöse Vortragsveranstaltungen, Wallfahrten, Familienfreizeiten und Bildungsreisen, ob zu Hause in Mülheim, im Sauerland, im Münsterland, in Tirol, in Kevelaer, in Rom oder in Lourdes. „Wir haben alles mitgenommen und mitgemacht. Gut, dass wir es getan haben“, sagt Friedrich Engelbert heute. Nicht ohne Trauer schauen die Engelberts auf das stark bröckelnde katholische Vereins- und Gemeindeleben. „Heute will sich eben niemand mehr festlegen und an eine Sache binden“, erklären sie sich die Tatsache, dass die Zahl der örtliche KAB-Mitglieder-Zahl im Laufe der letzten 30 Jahre von gut 1000 auf rund 40 geschrumpft ist. Jetzt hoffen die Engelberts, die für ihr unermüdliches Engagement 2013 mit der Nikolaus-Groß-Medaille der katholischen Stadtkirche ausgezeichnet worden sind, dass zumindest der Diözesanverband der KAB eine Zukunft hat. Denn sie sind davon überzeugt: „Eine starke Stimme für die soziale Gerechtigkeit und die Gemeinschaft im christlichen Glauben wird heute mehr denn je gebraucht.“

Dieser Text erschien am 2. April 2016 im Neuen Ruhrwort

Samstag, 9. April 2016

Peter Kalde geht nach 21 Jahren als Leiter der Rembergschule in den Ruhestand. Die Förderschule mit den kleinen Klassen, so sagt er, werde weiterhin gewollt und gebraucht

Peter Kalde und seine kommissarische Nachfolgerin
Anne Schwarz
„Hier ist jeder Schüler sein eigener Lehrplan“, sagt Peter Kalde. Seit 21 Jahren leitet der Sonderpädagoge mit Vorliebe für Musik und Philosophie die Förderschule für Menschen mit geistiger Behinderung. Kommende Woche verabschiedet sich der 62-Jährige in den Ruhestand. Donnerstag fragte ihn einer seiner Schüler: „Sind Sie nächste Woche bei der Bandprobe dabei?“ Auf Kaldes Antwort: Nein, bin ich nicht, meinte der Jugendliche nur: „Na dann, schönen Urlaub!“

Kalde kennt solche Dialoge: „Wir haben hier mit besonders originellen Schülern zu tun. Und die werde ich auf jeden Fall vermissen“, betont er. „Meine Arbeit hat mir immer Freude gemacht“, sagt er im Rückblick auf sein 36-jähriges Berufsleben. Es begann in den 70er Jahren, als er als sonderpädagogischer Referendar an einer niederrheinischen Grundschule die Kollegen der Regelschule beim Gemeinsamen Unterricht begleitete. Heute nennt man das Inklusion.

Ist die Inklusion , also das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Handicap, eine Innovation oder ein Irrweg? „Man darf die Inklusion nicht dogmatisch betrachten“, sagt der Förderschulrektor. Er warnt vor einem „pädagogischen Schwarz-Weiß-Denken“ und wiederholt sein pädagogisches Credo. Die Tatsache, dass die Schülerzahlen an der Rembergstraße auch nach dem Start der Inklusion mit aktuell 158 stabil geblieben sind und sogar eine steigende Tendenz haben, zeigt ihm, dass die Förderschule für Kinder und Jugendliche mit einer geistigen Behinderung „von Eltern und Schülern auch weiterhin gewollt und gebraucht wird“. Das überrascht nicht. Denn von einer individuellen Förderung in kleinen Klassen mit neun bis zwölf Schülern sind die inklusiven Klassen an den Regelschulen noch weit entfernt.

Dennoch empfindet Kalde die inklusive Zusammenarbeit mit Regelschulen, wie der Grundschule an der Hölterstraße, der Luisenschule, der Schule am Hexbachtal, den Realschulen Broich und Stadtmitte oder mit der Gesamtschule Saarn als produktiv und bereichernd für alle Beteiligen. Da wird gemeinsam musiziert und Sport getrieben oder Schüler stellen am Ruhrufer 112- und 110-Hinweisschilder für den Notfall auf.

„Unsere Schüler erschließen sich durch solche gemeinsamen Schulprojekte neue soziale Kontakte und erweitern ihren Horizont“, freut sich Kalde. Sein Eindruck: „Schüler und Eltern sind heute selbstbewusster geworden und denken auch schon früher darüber nach, was nach der Schule kommen soll.“

Die Probe-WG, die die Schule an der Rembergstraße mit der SWB, der Stadt und der Lebenshilfe betreibt, ist für ihn nur ein Paradebeispiel dafür, wie man Menschen mit geistiger Behinderung praktisch auf ein möglichst selbstständiges Leben vorbereiten kann.

Auch wenn 95 Prozent seiner Schulabgänger auf eine Berufstätigkeit in einer beschützenden Werkstatt für Behinderte zusteuern und nur wenige den Sprung auf den ersten Arbeitsmarkt schaffen, sieht Kalde die pädagogische Leistung darin, Schüler zu selbstbewussten Menschen zu erziehen, die sich im Alltag behaupten und wohlfühlen. In dem sie z.B. selbstständig einkaufen, ihre Freizeit gestalten und in der Lage sind, klar und deutlich zu sagen, was sie wollen und was nicht.

Die Sonderpädagogin Anne Schwarz wechselte bereits 2013 als Konrektorin zur Förderschule an der Rembergstraße. Dort wird sie, zunächst kommissarisch, in der kommenden Woche die Nachfolge Peter Kaldes antreten. Zur Zeit unterrichten in der Förderschule an der Rembergstraße 55 Lehrer 158 Schüler im Alter von 6 bis 21 Jahre


Dieser Text erschien am 29. Januar 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung und in der Westdeutschen Allgemeinen

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