Mittwoch, 18. Mai 2016

Zeitsprung: Als die Zillertalbahn an der Ruhr fuhr: Der Mülheimer Rolf Groß erinnert sich

Zeitzeuge und Zillertalbahnfan
Rolf Groß erinnert sich an
den Mai 1971
Nein. Das wollte die zwölfjährige Nele ihrem Großvater Rolf Groß nicht glauben, als er ihr bei einem Spaziergang am Leinpfad erzählte, „dass hier mal eine Dampflok mit drei Waggons gefahren ist!“ Wer den beschaulichen Leinpfad betrachtet, kann sich tatsächlich kaum vorstellen, dass sich hier einmal Zehntausende drängten, um mit einer alten Dampfeisenbahn vom Franziskushaus bis zur Schloßbrücke zu fahren.

Und doch war es vom 1. bis 16. Mai 1971 genau so. „Damals fuhren rund 75 000 Menschen mit der alten Zillertalbahn, obwohl sie so langsam fuhr, dass ein Huhn hätte nebenher laufen können.“, erinnert sich der heute 75-jährige Groß an die tollen Tage im Mai.

Er selbst, der bis heute bei den Mülheimer Kanu- und Skifreunden aktiv ist, kannte die Zillertalbahn schon von seinen Kanutouren auf der in den 60er Jahren noch unbegradigten Ziller. „Die haben damals im Zillertal auch mal eben einen Wagen angehängt, damit meine Freunde Horst und Jürgen und ich unsere Kanus aufladen konnten“, erinnert sich Rolf Groß wehmütig. „Würde man die alte Zillertalbahn heute noch mal durch die Ruhranlagen fahren lassen, würde es hier bestimmt wieder brummen“, ist Groß überzeugt. Offensichtlich kannten und schätzten damals viele Mülheimer die um 1900 erbaute Zillertal-Dampfeisenbahn, die sie aus ihrem Urlaub kannten. Denn auch in Mülheim gab es einen Freundeskreis der Zillertalbahn, die deren 22 Tonnen schwere Dampflok in der Stadtmitte aufstellen wollte, um für das Zillertal im Allgemeinen und für den Erhalt der (übrigens heute noch fahrenden) Zillertalbahn zu werben.

„Wenn schon, dann richtig!“ dachten sich Oberbürgermeister Heinz Hager, Oberstadtdirektor Heinz Heiderhoff, Stadtsprecher Günter Ader und Hauptamtsleiter Kurt Wickrath in ihren Funktion als Vorstände des Mülheimer Verkehrsvereins und vereinbarte 1970 mit dem Fremdenverkehrsverband des Zillertales einen Ausflug der Zillertalbahn an die Ruhr.  Finanziell gestemmt werden konnte das Projekt allerdings nur, weil die Bundesbahn die Zillertalbahn damals   kostenlos nach Mülheim brachte und die dortigen Freunde der Zillertalbahn unentgeltlich das Gleisbett an der Ruhr herrichteten. Die Gleise selbst kamen als Leihgabe von der Ferostahl AG.

Musikalisch begleitet wurde das Gastspiel der Zillertalbahn von einer 40-köpfigen Trachtenkapelle aus dem Zillertal, die nebenbei auch auf der Maikundgebung des DGBs spielte. Musikalisch mit von der Partie waren bei den tollen Eisenbahntagen an der Ruhr auch das Hippacher Trio aus dem Zillertal sowie die Mülheimer Musikanten vom Fanfarenzug der KG Blau Weiß, vom Broicher Gesangsverein 1869 und von den jazzenden Woodhouse-Stompers. Allein an den ersten beiden Tagen kamen über 100 000 Besucher an die Ruhr. Mülheim machte überregional Schlagzeilen und Valentin Reicheneder vom Werbering Innenstadt jubelte in der NRZ: „Das ist die beste Werbeaktion, die wir je durchgeführt haben.“

Und Erich Heiß vom Fremdenverkehrsverband Zillertal überlegte angesichts des Ruhrtales, ob man nicht künftig im Zillertal Urlaubsreisen an die Ruhr anbieten sollte.“ Doch waren der finanzielle und technische Aufwand am Ende wohl doch so groß, dass der Ausflug der Zillertalbahn an die Ruhr ein einmaliges Vergnügen bleiben sollte.

Dieser Text erschien am 13. Mai in der Neuen Ruhr Zeitung

1 Kommentar:

  1. Heute würde so etwas niemals mehr genehmigt. Damals fuhr die Bahn munter laut schnaubend und pfeifend vor dem Altenheim entlang auf recht provisorsich verlegten Schienen. Es gab weder großartige Sicherheitsabsperrungen noch langwierige Verhandlungen mit Versicherungen. Im Gegenteil -- die begeisterten Veranstalter vom Freundeskreis Zillertalbahn sprangen abends spontan in die Ruhr zwecks Abkühlung. Der Zeitgeist war ein ganz anderer.
    Das Hippacher Trio und etliche andere Beteiligte kampierten auf Betten, Sofas, Luftmatratzen und dem Boden überall bei uns im Haus, das Ganze war eine Wahnsinnsaktion. Die so heute niemals mehr stattfinden würde. Da gäbe es Sicherheitsbedenken, Umweltbedenken, Geräuschbelästigungsbedenken, es ginge um falsche Zeichensetzung mit Blick auf Luftverschmutzung.
    Aber es war grandios.
    Ich war damals sieben.
    Mein Vater hatte im Zillertal seinen Dampflokführerschein abgelegt.

    Und die Sache hatte Folgen: Noch heute läuft in Gütersloh die Dampfkleinbahn Mühlenstroth, die vom Gründer des Freundeskreises Zillertalbahn und Initiator der Mülheimer Aktion zusammen mit dem Grundbesitzer in Gütersloh und einer handvoll aktiver Eisenbahnfreunde ins Leben gerufen wurde. Und eine erste von ihnen selbst fertig aufgearbeitete Lokomotive hatten sie schon: die Mölm.
    Wer mehr wissen will, kann einmal "DKBM" googeln.
    Die Mölm verstaubt leider seit einigen Jahren in einem Museum im Ruhrgebiet.

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