Sonntag, 21. August 2016

So gesehen: Schauen wir uns mal wieder in die Augen

Wer mit dem öffentlichen Personennahverkehr unterwegs ist, wird immer wieder überrascht, vor allem von den mitreisenden Fahrgästen.
Früher konnte man schon mal miteinander ins Gespräch kommen oder schauen, was der Sitz-Nachbar gerade  liest. Oder man döste gemeinsam still aus dem Fenster. Das war Entspannung pur. Doch das war einmal.

Heute fühlt man sich ja fast nackt, wenn man ohne Smartphone in Bus oder Bahn einsteigt.

Denn die meisten Sitznachbarn schauen nur noch auf ihr Display oder sie sind gut verstöpselt und für diese Welt und ihre Mitmenschen nicht mehr erreichbar. Da werden ganze Filme geschaut und ganze Hitparaden durchgehört, während draußen der Film des richtigen Lebens an ihnen vorbeirauscht.
Früher konnte man noch mit der Illusion einsteigen, bei der nächsten Bus- oder Bahnfahrt ja vielleicht der Frau oder dem Mann seines Lebens zu begegnen. Doch welcher Smartphone-Jünger lässt sich heute noch zwecks Blick- und Flirtkontakt in seine Augen schauen.

Doch die Kontaktaufnahme scheint heute zumindest bei einigen durchdigitalisierten Zeitgenossen nur noch per SMS oder Whatsapp-Nachricht erwünscht zu sein.

Allerdings würde man manchen Smartphone-Lautsprechern in Bus und Bahn diese Beschränkung gerne ans Herz legen, wenn sie einen unaufgefordert an ihrer mobilen Telekommunikation über Beziehungsdramen, Urlaubserlebnisse, schreckliche Nachbarn oder unbezahlte Schulden teilhaben lassen. Dabei machen ihre ungewollt mitgehörten Gespräche eines immer wieder deutlich. Die wahren Abenteuer erlebt man auch heute noch im richtigen (analogen) Leben und nicht in der virtuellen Welt. Das tröstet und lässt hoffen, dass wir uns auch morgen noch in unserer kleinen Welt mit unseren, zugegeben, manchmal allzu menschlichen Mitmenschen beschäftigen und auseiandersetzen, statt unsere reale und begrenzte Zeit mit virtuellen Wesen á la Pokemon und Co zu vergeuden.

Dieser Text erschien am 4. August 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung

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