Sonntag, 25. September 2016

Eine Idee ist Wirklichkeit geworden: Nicht nur Christel Schuck vom Freundeskreis Las Torres erlebt das neue Haus auf altem Grund, wie einen Sechser im Lotto

Nicht nur für Christel Schuck ist das Petrikirchenhaus wie
ein zweites zu Huase.
„Wie kann man so ein Haus direkt vor die Petrikirche bauen?“ „Wo anders werden Gemeindehäuser geschlossen und hier wird ein neues hingeklotzt.“ Solche und ähnliche kritische Stimmen mussten sich der Unternehmer Ulrich Turck und seine Mitstreiter von der 2009 gegründeten Stiftung Petrikirchenhaus immer mal wieder anhören, als das Petrikirchenhaus in den Jahren 2014 und 2015 auf dem Kirchenhügel Formen annahm. Nachdem das Petrikirchenhaus im Februar 2016 eröffnet werden konnte, hörte sich das schon ganz anders an: „Mein Gott. Ist das schön geworden. Schön, dass Sie das alte Haus renoviert haben“, lautete eine Meinung. Dass das neue Petrikirchenhaus, dessen Bau allein mit Stiftungsmitteln in Höhe von zwei Millionen Euro bewerkstelligt wurde, von einigen Mülheimern irrtümlich für einen renovierten Altbau gehalten wird, zeigt der Geschäftsführerin der Stiftung Petrikirchenhaus, Susanne Reimann, „dass das Haus inzwischen von den Menschen angenommen und als Teil des Ortsbildes gesehen wird.“
Der Vorsitzende der Stiftung, der Unternehmer Ulrich Turck, der als Initiator und Stifter weitere Stifter gewinnen und so das Petrikirchenhaus erst möglich gemacht hat, hat sein Ziel in der Festschrift zur Eröffnung des Hauses unter anderem so formuliert: „Mein Wunsch ist es, dass im Petrikirchenhaus nicht nur musiziert, gesungen und gelesen wird, sondern das es ein Ort der Begegnung auf verschiedenen Ebenen wird.“

Christel Schuck am Eingang Bogenstraße 1
Tatsächlich wird das neue Haus auf altem Grund, dessen Vorgeschichte bis ins 14. Jahrhundert zurückreicht, inzwischen nicht nur von Gemeinde-Gruppen, sondern auch von Bürgergruppen genutzt. „Dieses Haus ist für uns, wie ein Sechser im Lotto“, sagt Christel Schuck vom Verein Las Torres. Mit einem Büchercafé, das zusammen mit einem kleinen Magazinraum, jetzt seinen festen Platz im Erdgeschoss des Petrikirchenhauses gefunden hat, unterstützt sie mit ihrem Mann Lothar und einem spendenfreudigen Freundeskreis seit über 40 Jahren eine Vorschule in Las Torres, einem Armenviertel in der venezolanischen Hauptstadt Caracas. Was 1974 mit einer Erzieherin und 50 Kindern begonnen hat, ist heute auf eine soziale Bildungseinrichtung mit vier Häusern angewachsen, in der 30 hauptamtliche Mitarbeiter täglich 170 Kinder betreuen.

„Leider hat sich die soziale Lage in Venezuela in den letzten Jahren nicht verbessert, sondern dramatisch verschlechtert. Im Alltag fehlt es überall am Nötigsten. Und die Gewalt auf der Straße ist allgegenwärtig“, schildert Schuck die aktuelle Situation. Der Frau, die ihr Ehrenamt als eine Lebensaufgabe ansieht, der sie mit Büchercafe, Vorträgen und Organisationsarbeit 80 Stunden pro Woche widmet, ist es wichtig, „dass die Kinder in Las Torres von der Straße wegkommen und zumindest acht Stunden pro Tag gut und liebevoll unterrichtet, betreut und versorgt werden.“
Und wenn zumindest einige Kinder mit Hilfe der Vorschule von Las Torres ihren Schul- oder sogar Studienabschluss schaffen und den Sprung in eine bürgerliche Existenz als Rechtsanwältin, Journalistin, Buchhalterin oder Krankenschwester meistern, weiß Schuck, dass sich ihr Einsatz gelohnt hat. „Das Schöne am Petrikirchenhaus ist für uns, dass wir hier endlich ein festes Quartier gefunden haben und nicht mehr ständig alles umräumen müssen“, betont Schuck. Alles? Das sind derzeit geschätzte 20.000 Bücher und andere Medien, die von Bürgern gespendet und von den Schucks und ihren ehrenamtlichen Helfern, zu denen unter anderem auch Ulrich Turcks Frau Carola gehört, mittwochs (15 bis 17 Uhr) und am zweiten Sonntag des Monats (12 bis 17 Uhr) für die gute Sache an den zahlenden Bücherfreund oder die Bücherfreundin gebracht werden.

Auch wenn Bücher, Medien, Kaffee und Kuchen am zweiten Sonntag des Monats in die Gemeinde-Lounge auf der mittleren Hausebene gebracht werden müssen, ist der Aufwand überschaubar. Einem eingebauten Aufzug sei Dank.

Petrikirchenkantor Gijs Burger beim Notenstudium im
neuen Chorsaal der Petrikirchenhauses
Auch der Petrikirchen-Kantor Gijs Burger erlebt das Petrikirchenhaus „als einen Glücksfall, weil wir hier jetzt endlich ein festes Probenquartier haben und nicht dauernd umziehen und umräumen müssen.“ Wir, das sind 220 Menschen aus allen Generationen, die in der Singschule und in der Kantorei der Petrikirche unter Burgers Leitung zur Ehre Gottes und zur Freude ihrer Mitmenschen singen. Ihnen stehen in den beiden Obergeschossen des Petrikirchenhauses nicht nur zwei große Probenräume mit Chorpulten und Chorbänken, sondern auch vier kleine Räume für die individuelle Einzelarbeit zur Verfügung. Der große Chorsaal, der bis zu 60 Zuhörern Platz bieten, wurden auch schon für Kammerkonzerte genutzt.

Ein Blick in die Gemeinde-Lounge des Petrikirchenhauses
In der goldenen Mitte des Petrikirchenhauses liegt die Gemeindeetage der Vereinten Evangelischen Kirchengemeinde. Hier finden sich das von Iris Schmitt betreute Netzwerkbüro und die Lounge der Gemeinde. Es ist ein klassischer Ort der Begegnung, ob bei Sitzungen, Gruppentreffen, beim Trauercafe oder bei kleinen Kulturveranstaltungen von der Lesung bis zur Filmvorführung. „Das Haus ist mit seiner historischen Fassade und seiner modernen Innenarchitektur einfach schön und zeitgemäß. Es hilft der Gemeinde, in die Stadt hineinzuwirken und Menschen anzuziehen“, sagt Pfarrer Justus Cohen über das neue Petrikirchenhaus, das im alten Stadtkern angekommen ist.

Dieser Text erschien am 22. September 2016 in der NRZ/WAZ-Beilgae Mülheim Extra

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