Sonntag, 26. März 2017

"Der Nächste, bitte": Unterwegs mit dem Hausarzt Dr. Peter Ramme

Dr. Peter Ramme
6.45 Uhr. Der Arbeitstag von Dr. Peter Ramme beginnt nicht in seiner Praxis, sondern im Haus Kuhlendahl, wo der Hausarzt Altenheimbewohner betreut. Heute stehen Blutabnahmen auf seinem Programm.

Der 51-jährige Mediziner ist kein Arzt im weißen Kittel. Er ist in einem sportiven weißen Outfit unterwegs, das an einen schicken Jogging-Anzug erinnert. Kein Wunder. Der Mann läuft viel, auch später in seiner Arztpraxis, die neben dem Foyer drei Behandlungszimmer und ein Labor umfasst. 7.45 Uhr. Ein Patient in seiner Praxis braucht ein EKG. Und dann kommt noch eine Blutabnahme hinzu.

Die meisten der 84 Patienten, die Ramme an diesem Tag behandelt, kommen hustend und verschnupft in seine Praxis. Die Grippe-Saison geht ihrem Ende entgegen. „Wir haben auch schon mal mehr Patienten im Wartezimmer und dann kann es zu manchmal nervigen Wartezeiten kommen“, erzählt Ramme.

Obwohl der Arzt einen dichten Arbeitstakt hat, bewahrt er sich bis zum Ende seines Praxistages, gegen 17.30 Uhr, Ruhe und Gelassenheit, weil er mit seinen Arzthelferinnen Sarah Frank, Christiane Joosten und Kerstin Fells und seiner bei ihm angestellten Kollegin, Dr. Jennifer Klein, ein starkes Team im Rücken hat. Das spüren seine Patienten und fühlen sich trotz ihrer Beschwerden sichtlich wohl bei ihrem Hausarzt. „Der Doktor ist wirklich mit Leib und Seele Arzt“, sagt eine Patientin, die ohne Termin, aber mit einem akuten Anliegen zu ihm in die Praxis gekommen ist. Sie klagt über Schwindel, Schüttelfrost und starke Abgeschlagenheit. Ramme hört sich alle Symptome an und tippt sie sogleich in seinen Computer, der heute die Patientenakten ersetzt. Bevor es mit der Diagnose weiter geht, schickt er die Frau erstmal zur Urinprobe und zur Blutabnahme. Während er einen verschnupften und hustenden Patienten mit einem Hustenlöser und dem Rat: „Viel trinken und wenig reden“, nach Hause schickt, schaut er sich einen anderen Patienten, der schon länger über Husten klagt, noch etwas genauer an, ehe er entscheidet: „Das muss sich ein Lungenfacharzt anschauen.“ Wenn man Ramme nach seiner größten Angst fragt, dann fällt das Wort: „Fehldiagnose!“ Aus seiner inzwischen 22-jährigen Erfahrung als Hausarzt weiß er: „Man muss dem Patienten sehr gut zuhören und immer wieder genau nachfragen, damit man ihn nicht zu früh, aber auch nicht zu spät zu einem Facharzt schickt.“

Als Sohn eines Hausarztes, von dem er 1997 die Praxis übernommen hat, kennt Ramme die Sonnen- und Schattenseiten seines Berufes von Kindesbeinen. „Als Hausarzt habe ich einen sehr abwechslungsreichen Beruf, in dem man nicht nur kaputte Knochen sieht und im Laufe der Jahre ganze Familiengeschichten erlebt.“ Eine schöne Geschichte ist die eines Vaters, den er davon überzeugen konnte, das Rauchen aufzugeben, sich mehr zu bewegen und sich gesünder zu ernähren. Er kam nach einem Jahr um 40 Kilo leichter zu ihm, hatte seinen Diabetes überwunden und stellte fest: „Ich fühle mich wie neu geboren!“ Eine schlechte Geschichte ist, wenn einer seiner Patienten mit 52 einen Schlaganfall erleidet und neben seiner Arbeit auch seine bisherige Lebensqualität verliert. „Das ist für die gesamte Familie eine Katastrophe“, weiß der dreifache Familienvater. Deshalb praktiziert er als Arzt, was er auch seinen Patienten predigt: Er ernährt sich gesund und ausgewogen, um Übergewicht und Diabetes zu vermeiden, geht regelmäßig joggen und mit seinem Hund spazieren.

Die Vorstellung, selbst einen Schlaganfall zu erleiden, ängstigt Ramme. Keine Angst hat der Palliativmediziner und Schmerztherapeut dagegen vor dem Tod, obwohl er ihm regelmäßig begegnet, nicht nur in Altenheimen, sondern auch bei seinen Arztbesuchen im stationären Hospiz an der Friedrichstraße. Dort setzt er seine ärztliche Kunst nicht ein, um zu heilen, sondern, um Schmerzen zu lindern, Übelkeit zu beseitigen und Luftnot zu verhindern. „Jeder Mensch hat seinen Teil des Lebens und irgendwann sind seine Kräfte erschöpft und dann stirbt er“, sagt Ramme. Der Arzt stellt sich den Tod, „wie einen langen Schlaf“ vor. Und auch bei Verstorbenen, die mit großer Angst dem Tod entgegengegangen sind, hat er am Ende immer wieder einen absolut friedlichen und erlösten Gesichtsausdruck gesehen.

Das macht ihm mit Blick auf seine eigene Vergänglichkeit Mut. Weil er weiß, dass viele Menschen lieber zu Hause als im Altenheim oder im Hospiz sterben wollen und dass die vorhandenen zehn stationären Hospiz-Plätze in Mülheim nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein können, engagiert sich der Palliativmediziner zusammen mit dem stationären und dem ambulanten Hospiz, den Mülheimer Krankenhäusern und ambulanten Pflegediensten dafür, „dass wir in Mülheim eine ambulantes Palliativ-Pflegeteam auf die Beine stellen.“ Der Weg dorthin ist bereits beschritten. Sechs Krankenpfleger wurden inzwischen zu Palliativ-Pflegern mit speziellen medizinischen und psychologischen Kenntnissen ausgebildet. Zwei weitere Pflegekräfte werden ihre achtwöchige Zusatzausbildung in Kürze beginnen. Wenn noch zwei weitere Pflegekräfte für die besonders herausfordernde Palliativpflege gewonnen werden könnten, könnte das ambulante Palliativ-Pflegeteam schon bald an den Start gehen. „Um eine professionelle ambulante Palliativpflege rund um die Uhr leisten zu können, brauchen Sie ein gut funktionierendes Team aus Pflegekräften, Ärzten, Apothekern und Sanitätshäusern“, sagt der Hausarzt aus Eppinghofen, ehe er seine Praxis um 17.30 Uhr verlässt, um noch zwei Hausbesuche zu machen und anschließend eine medizinische Fortbildungsveranstaltung zu besuchen.


Dieser Text erschien am 18. März 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung

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