Sonntag, 30. April 2017

Rollatoren sind heute Bestseller: Wie kommen Pflegebedürftige an die für sie geeigneten Hilfsmittel? Ein Gespräch mit Gertrud Wagener, die seit 30 Jahren in Heißen ein Sanitätshaus betreibt.

Rollatoren gehören heute zum Straßenbild. Sie sind nur ein Sinnbild für di e Alterung unserer Stadtgesellschaft und ein Beispiel für Hilfsmittel, die das Leben im Falle der Pflegebedürftigkeit leichter machen. Gertrud Wagener, die seit 30 Jahren, zusammen mit ihrem Sohn Jens und ihrer Tochter Dörte in Heißen ein Sanitätshaus betreibt erklärt das kleine Einmaleins der Hilfsmittel.

Wie bekommt man  Hilfsmittel?
Sie werden vom Hausarzt per Rezept verschrieben. Und dann kommen die Kunden damit in unser oder in ein anderes Sanitätshaus. Wenn jemand erst mal gar nichts weiß und sich  informieren möchte, machen wir Hausbesuche, um mit den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen vor Ort ihren persönlichen Hilfebedarf festzustellen.

Welche Hilfsmittel werden besonders häufig nachgefragt?
Die meisten Kunden, die zu uns kommen, brauchen einen Rollator, weil sie nicht mehr selbstständig laufen können oder Gleichgewichtsstörungen haben. Der Rollator hilft den Betroffenen, ihre alltäglichen Erledigungen selbstständig zu machen. Wenn der körperliche Verfall dann voranschreitet, muss irgendwann ein Rollstuhl und noch später vielleicht ein Pflegebett angeschafft werden. Es gibt aber auch kleinere Hilfsmittel, die  zum Beispiel die hygienische Versorgung erleichtern. Ich denke da etwa an einen Toilettenstuhl, Haltegriffe fürs Bad oder fürs WC oder an einen Badewannenlifter.

Werden diese und ähnliche Hilfsmittel von der Krankenkasse bezahlt?
Sie werden alle zu 100 Prozent bezahlt, wenn ein Arzt sie als notwendig verschrieben hat. Mit dem Rezept kommen die Kunden dann zu uns und wir machen einen Kostenvoranschlag. Das ist vor allem dann wichtig, wenn Hilfsmittel, wie etwa ein Pflegebett oder ein Rollstuhl individuell angefertigt werden müssen. Und dann kommt der Medizinische Dienst der Krankenkassen zu den Leuten nach Hause, um sich von ihrem Hilfebedarf zu überzeugen.

Die Krankenkasse kauft also das Hilfsmittel für den pflegebedürftigen Patienten?
Nein. Die Hilfsmittel werden von der Krankenkasse nicht gekauft, sondern gemietet und den Versicherten dann zur Verfügung gestellt. Dabei hat jedes Hilfsmittel seine eigene Mietdauer. Bei einem Pflegebett sind es zum Beispiel zwei bis vier Jahre. Wird das Pflegebett dann immer noch benötigt, wird ein neues Pflegebett verschrieben und mit einer Mietpauschale dem Versicherten zur Verfügung gestellt. Das gleiche Prinzip gilt auch für Rollatoren und Rollstühle. Hier liegen die Mietzeiten allerdings bei fünf Jahren.

Man braucht also keine Angst zu haben, dass man sich finanziell überfordert, wenn man Hilfsmittel in Anspruch nimmt?
Das braucht man auf gar keinen Fall zu haben. Wichtig ist nur, dass man sich bei der Anschaffung von Hilfsmitteln von Ärzten, Betreuern und Sanitätshäusern gut beraten lässt, damit die Hilfsmittel auch auf den individuellen Bedarf des Pflegebedürftigen abgestimmt werden können. Es macht in der Praxis ja schon einen enormen Unterschied, ob Sie es mit einem klein- oder groß gewachsenen oder um einen leicht- oder schwergewichtigen Menschen zu tun , der das Hilfsmittel benutzen soll.

Und was passiert, wenn während der Mietzeit an dem Hilfsmittel ein Schaden auftritt?
Dann tritt unsere Gewährleistungspflicht als Sanitätshaus ein und wir müssen den Schaden für den Kunden kostenfrei beheben.

Ist der Hilfsmittelbedarf im Zuge des demografischen Wandels angestiegen?
Auf jeden Fall. Seit 15 Jahren registrieren wir einen deutlichen Anstieg alter und pflegebedürftiger Kunden.

Kennen Sie als Anbieter von Hilfsmitteln so etwas wie einen Fachkräftemangel?
Leider haben wir einen akuten Fachkräftemangel.Wir könnten hier einen Lageristen, einen Groß- und Aushandels,- einen Einzelhandels- oder einen Kaufmann bzw. eine Kauffrau im Gesundheitswesen ausbilden. Wir finden aber derzeit keine geeigneten und motivierten Bewerber für diese Ausbildungsplätze.

Auch für Blinde und Sehebehinderte gibt es Hilfsmittel

Auch für blinde und sehbehinderte Menschen gibt es Hilfsmittel, die zum Teil von der Krankenkasse finanziert werden und zum Teil über das Blinden- und Sehbehinderten-Geld getragen werden müssen.

Zu diesen Hilfsmitteln gehören zum Beispiele sprechende Uhren, sprechende Personen- und Haushaltswagen oder Vorlesesysteme.
Die kostenlose zu beziehende Hörzeitung Echo Mülheim (s  455 42 88) bietet aktuelle lokale Nachrichten.

Betroffene finden beim Blinden- und Sehbehindertenverein (BSV) eine fundierte und kostenfreie Hilfsmittelberatung, die an jedem ersten Donnerstag im Monat (von 10.30 Uhr bis 13.30 Uhr) im Medienhaus am Synagogenplatz angeboten wird.

Auskunft und Anmeldung sind bei den Vorsitzenden des BSVs, Maria St. Mont (Telefon 0208/4730 12) und Gabriele Dreischärf-Brans (Telefon 0208/411 84 178). Hilfreich und informativ ist auch die Internetseite des Vereins: www.bsv-muelheim.de

Dieser Text erschien am 29. April 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung

Samstag, 29. April 2017

Hilfe für die Helfer: Der Sozialarbeiter Christoph Happe aus dem Altenheim Haus Ruhrgarten erklärt, wie Tages- und Kurzzeitpflege Betroffene entlasten und aktivieren kann

Christoph Happe
Pflege daheim fordert den ganzen Mann und die ganze Frau. Doch was ist zu tun, wenn man als pflegender Angehöriger eine Auszeit braucht, sei es für einen Urlaub, für einen Krankenhausaufenthalt oder alltägliche Erledigungen, die zu kurz kommen, weil der pflegebedürftige Mann oder Vater oder die pflegebedürftige Mutter oder Frau die ganze Aufmerksamkeit brauchen.

Mit diesen Fragen pflegender Kinder und Ehepartner wird der Diplom-Sozialarbeiter Christoph Happe aus dem Altenheim Haus Ruhrgarten täglich konfrontiert. Denn er leitet den Sozialdienst der von der Evangelischen Altenhilfe getragenen Einrichtung, für die er seit 1995 tätig ist.

Frage: Wir stellen uns vor: Ich brauche als pflegender Angehöriger mal einen Tag für mich. Was kann ich tun?

Antwort: Christoph Happe: Die Tagespflege, die nicht nur vom Haus Ruhrgarten, sondern auch von einer Hand voll anderer Mülheimer Altenheime und privater Dienstleister angeboten wird, entlastet pflegende Angehörige und aktiviert das Potenzial des Pflegebedürftigen. In unserem Haus betreuen derzeit vier Mitarbeiterinnen 14 Tages-Pflegegäste.

Frage: Was bedeutet eigentlich Tagespflege in der Praxis?

Antwort: Christoph Happe: Die meisten unserer Tagespflegegäste kommen für ein oder zwei Tage pro Woche in unser Haus. Der Tag beginnt mit einem gemeinsamen Frühstück um 8 Uhr und endet um 16 Uhr. Dazwischen liegt nicht nur ein Mittagessen und Kaffeetrinken, sondern auch andere gemeinsame Aktivitäten. Deren Bandbreite reicht von Gesprächen und Zeitungsrunden über Sitz-Gymnastik und gemeinsames Basteln bis hin zur Zeitungsrunde und zum gemeinsamen Backen.

Antwort: Neben einer Terrasse und einem Gemeinschaftsraum mit Küche haben wir auch kleinere Nebenräume, in die sich Tagespflegegäste auch zurückziehen können, um sich auszuruhen und miteinander zu sprechen. Wir haben auch gut gefüllte Bücherregale, die mit ihrer bildreichen Lektüre von unseren Gästen gerne und oft genutzt werden. Ihr absoluter Liebling ist aber die Border-Collie-Hündin Abby, deren Frauchen, Cornelia Wagner, unsere Tagespflege leitet. Über den Hund kommen auch Menschen mit ins Gespräch, die sonst vielleicht eher zurückgezogen und verschlossen sind.

Frage: Was kostet das Angebot der Tagespflege?

Antwort: Christoph Happe: Je nach Pflegegrad bewegen sich Tagessätze zwischen 85 und 100 Euro. Hinzu kommen Fahrdienstpauschalen, wenn Tagespflegegäste zuhause abgeholt und nachmittags wieder nach Hause gebracht werden sollen. Diese Fahrtkostenpauschalen bewegen sich, je nach Entfernung zwischen 5 und 10 Euro.

Frage: Muss man diese Kosten privat tragen?

Antwort: Christoph Happe: Nein. Es gibt hier eine finanzielle Unterstützung der vor gut zwei Jahrzehnten eingeführten Pflegeversicherung, die, abhängig vom Pflegegrad, monatlich zwischen 689 und 1995 Euro beträgt. Außerdem steht allen Pflegebedürftigen ein zusätzlicher Entlastungsbetrag von monatlich 125 Euro zur Verfügung. Dieser Entlastungsbetrag kann auch für die täglichen Unterkunfts- und Verpflegungskosten von insgesamt rund 21 Euro verwendet werden. Ansonsten müsste dieser Betrag, der von der Pflegeversicherung nicht als Pflegeleistung anerkannt wird, privat getragen werden.

Frage: Aber was ist zu tun, wenn ein pflegender Angehöriger länger als einen Tag ausfällt?

Antwort: Christoph Happe: Dann kann man die Verhinderungspflege eines ambulanten Pflegedienst daheim oder die Kurzzeitpflege in einem Altenheim in Anspruch nehmen.

Antwort: Leider gibt es bisher keine Übersicht der in den Mülheimer Altenheimen vorhanden Kurzzeitpflegeplätze, so dass man alle Altenheime abfragen muss. In diesem Fall sollte man seine Krankenkasse oder den Sozialdienst eines Krankenhauses ansprechen. Letzterer schaltet sich ein, wenn es sich um eine post-operative Kurzzeitpflege handelt.

Frage: Und wie sieht es hier mit der Finanzierung aus?

Antwort: Christoph Happe: Sowohl für die Kurzzeit- als auch für die Verhinderungspflege stellt die Pflegeversicherung, unabhängig vom Pflegegrad des Pflegebedürftigen, jährlich 1612 Euro zur Verfügung. Darüber hinaus gilt: Im Falle der nachgewiesenen Bedürftigkeit sind die Leistungen der Tages,- Kurzzeit- und Verhinderungspflege auch sozialhilfefähig, können also über die Sozialhilfe finanziert werden.


Dieser Text erschien am 22. April 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung

Freitag, 28. April 2017

Jugend jazzt plakativ:50 Schüler haben den Jazz ins Bild gesetzt: Ihre Plakate kann man bis zum 1. Juni im Medienhaus sehen

Schüler aus der Big Band der Luisenschule sorgten im
Medienhaus für den musikalischen Auftakt der Plakatausstellung.
„Es war spannend für uns eine große Musikrichtung zu entdecken, in der es um das Fühlen und Experimentieren und weniger um Regeln geht“, sind sich die beiden Willy-Brandt Schülerinnen  Ebru Bildik (18) und Vildan Küuük (17) einig. „Ich finde toll, dass man auch klassische Musik in Jazz verwandeln kann. Sie klingt natürlich und in sich stimmig“, meint ihr Mitschüler Moritz Bottenbruch (18).

Die drei Schüler aus dem Kunstkurs von Thomas Rogowski hörten Jazzmusik in allen Variationen, als sie Plakate für das Schüler-Konzert der Dutch Swinging College Band mit starken Acrylfarben entwarfen.

50 Mitschüler aus der eigenen Schule, aber auch aus der Luisenschule, der Otto-Pankok-Schule, der Karl Ziegler-Schule, der Gesamtschule Saarn und dem Essener Gymnasium Überruhr taten es ihnen gleich.

„Jazz ist eine Kunst. Und diese Plakate sind auch eine Kunst“, stellt Initiator Manfred Mons die Verbindung zwischen dem musik- und kunstpädagogischen Ansatz her.

Seit 2011 versuchen Mons und seine Mitstreiter aus dem Jazzclub an der Kalkstraße die Jazzmusik und ihre Instrumente der Pop- und Hiphop-Generation mit Schülerkonzerten nahezubringen. Beim diesjährigen Jazz-at-the-College-Konzert, das am 14. Februar im Theatersaal über die Bühne ging, hörten immer 1000 Jugndliche zu.

Moritz Bottenbruch spielt in seinem   Plakat für dieses Konzert mit dem Ambiente von New Orleans, der Wiege des Jazz. Ebru Bildik und Vildan Küuük machen mit einem goldfarbenen Ohr voller Instrumente deutlich, dass es auch bei der Jazzmusik vor allem um das Zuhören geht.

„Ich finde es großartig, dass der Jazzclub auf diese Weise Kunst- und Musikförderung betreibt und das sich Jugendliche auch heute für den Jazz begeistern können“, sagte Bürgermeisterin Ursula Schröder bei der Eröffnung der Ausstellung der 50 Jazz-at-the-College-Plakate, die noch bis zum 1. Juni in der dritten Etage des Medienhauses am Synagogenplatz zu sehen sein werden.  „Wenn man die Plakate hier gerahmt hängen sieht, weiß man erst, was man geschafft hat“, sagt Moritz Bottenbruch. Wer sich die Plakate anschaut, merkt, dass man auch mit Pinsel und Farbe  swingen kann. Und man stimmt Bürgermeisterin Schröder zu, wenn sie feststellt: „Da steckt viel Kreativität und Können drin.“

Natürlich durfte bei der Vermissage der plakativen Jazz-Ausstellung in der Stadtbibliothek auch die Jazzmusik nicht fehlen. Dafür sorgten die Big-Band der Luisenschule und das Saxophon-Ensemble des Essener Überruhr-Gymnasiums.

Dieser Text erschien am 27.  in NRZ und WAZ

Mittwoch, 26. April 2017

Der letzte Osterhase

Es ist Nachmittag. Der Kaffee ist fertig. Herrlich. Jetzt fehlt nur noch ein Stück Kuchen zu meinem Glück. Doch meine Mutter überrascht mich mit der Aussage: „Ich habe noch einen Hasen?“ 

„Was für einen Hasen“ frage ich verwirrt. Wenn wir ein entsprechendes Haustier in unseren vier Wänden hätten, wäre mir das aufgefallen, spätestens, wenn Meister Lampe das nächstbeste Kabel angeknabbert hätte. Doch  seit der erste Hund meiner Schwester, die inzwischen seit vielen Jahren mit ihrem inzwischen zigsten Hund auf dem Land lebt, die Teppiche unserer Wohnung mit seinen Häufchen als sein Revier markierte, ist die Zeit der Haustiere in unserer Wohnung abgelaufen. Auch ein Betthase, Sie verzeihen mir die Ausschweifung meiner männlichen Phantasie, gehört nicht zu meinen Hausgenossen.

Doch ein Blick auf unseren Küchentisch öffnet mir die Augen. Da steht ein schokobrauner Osterhase, den ich noch vor einer Woche in seinem Goldenen Verpackungskleid in unserem Osterkörbchen hocken sah. Doch jetzt muss er dran glauben. Immerhin. Ein Hase, der einem auch nach Ostern auf der Zunge mit Kaffee zergeht und herrlich zu vernaschen ist, was nicht für jeden Hasen gilt. 

Dieser Text erschien am 24. April 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung

Dienstag, 25. April 2017

Leinen los für die 90. Saison der Weißen Flotte

"Kapitän, Nimm uns mit auf die Reise! Mit dem Mülheimer Bötchen
fahren wir so gerne": Der Geschäftsführer der städtischen Betriebe, Joachim Exner (rechts),
Oberbürgermeister Ulrich Scholten (hinten links) und Markus Baloniac von der
Mülheimer Stadtmarketing- und Tourismus-Gesellschaft an Bord der Heinrich Thöne.
Am Karfreitag startet die Weiße Flotte in ihre 90. Saison. An den Osterfeiertagen (14. Bis 17. April) heißt es um 11, 13 und 15 Uhr am Wasserbahnhof „Leinen los“ für die generalüberholte Friedrich Freye, die Mülheim an der Ruhr und die Heinrich Thöne. „Es wäre ja toll, wenn wir im 90. Jahr der Weißen Flotte 90.000 Fahrgäste an Bord begrüßen könnten“, sagt der Chef der städtischen Betriebe und erste Steuermann der Weißen Flotte Joachim Exner.
Am Montag wurde bereits der neue Anleger zum Mintarder Wasserbahnhof geschleppt, um alle Haltestellen der Weißen Flotte zum Saison-Start funktionstüchtig zu sein. Ab dem 29. April, wenn die Hauptsaison beginnt, legen die Schiffe der Weißen Flotte auch um 17 Uhr und sonntags zusätzlich bereits ab 10 Uhr am Wasserbahnhof ab.

Die Großeltern fuhren noch öfter mit der Flotte


Im vergangenen Jahr fuhren insgesamt 65.000 Fahrgäste mit der Weißen Flotte, kein Vergleich mit der 487.000 Passagieren, die die 1927 gegründete Weiße Flotte in ihrer ersten Saison an Bord von insgesamt zehn Schiffen begrüßen konnte.
51 Prozent der Fahrgäste kommen aus Mülheim. 71 Prozent der auswärtigen Touristen kommt aus dem Ruhrgebiet, elf Prozent vom Niederrhein und acht Prozent aus dem Bergischen Land. Apropos Fahrgäste. Die Betriebe der Stadt suchen noch Servicekräfte für den gastronomischen Betrieb an Bord.
„Die Weiße Flotte ist auch heute für unsere Stadt ein touristischer Magnet, aber anders, als vor 90 Jahren, konkurriert sie heute mit wesentlich mehr Freizeitangeboten“, weiß Oberbürgermeister Ulrich Scholten. Gerne erinnert er sich an eine Meisterfahrt der Mannesmann-Röhrenwerke, bei der er als junger Mann hinter der Schiffstheke stand und Bier für die altvorderen Werkskollegen zapfte.

Erinnerungen werden wach


Erinnerungen. Die sollen auch lebendig werden, wenn am 2. Juli im Haus Ruhrnatur, gleich am Wasserbahnhof, eine Ausstellung mit interessanten historischen Dokumenten rund um den 90. Geburtstag der Weißen Flotte ihre Pforten öffnet und dort bis zum 19. Dezember zu sehen sein wird.
Vormerken sollten sich Fans der Weißen Flotte auch das Wochenende des 8. Und 9. Juli. „Das sind die Geburtstage der Weißen Flotte, an denen sie vor 90 Jahren erstmals über die Ruhr in Richtung Kettwig fuhr. An diesem Wochenende dürfen alle Fahrgäste zahlen, was sie wollen“, erzählt Joachim Exner. Normalerweise kostet die einfache Fahrt vom Mülheimer Wasserbahnhof bis zum Kettwiger Wehr 6,50 Euro.

Die Flotte trägt sich selbst


„Wir müssen jedes Jahr mindestens 620.000 Euro erwirtschaften, um eine schwarze Null einzufahren“, erklärt der Chef der städtischen Betriebe, die auch für den Hafen und das Wasserkraftwerk Raffelberg zuständig sind. Allein die Wartung eines Schiffes schlägt mit 50.000 Euro zu Buche.

Apropos Kosten. Exner und die aktuell sieben Kapitäne der Weißen Flotte, die zurzeit von einem Bootsmann unterstützt werden, sind stolz darauf, dass die Weiße Flotte, vor allem dank ihrer beliebten Sonder- und Charterfahrten kein Zuschussbetrieb ist, sondern sogar einen kleinen Gewinn einfahren kann. 66 Sonderfahrten hat die Weiße Flotte in ihrem Programm. Die Zahl der Charterfahrten, beliebt bei Familien- und Betriebsfesten, schwankt jährlich zwischen 30 und 60. Im Jubiläumsjahr stehen unter anderem Sonderfahrten zum Oberhausener Sea Life sowie nach Xanten und Kaiserswerth auf dem Programm.


Dieser Text erschien am 10. April im Lokalkompass und in der Mülheimer Woche

Montag, 24. April 2017

Ganz schön plakativ

Jetzt hängen unsere Politiker also an den Laternenmasten. Gott sei Dank, nicht leibhaftig. Wir haben ja keine Revolution, sondern nur Wahlkampf.

Da lassen sich unsere Volksvertreter als Pappkameraden mit ihren plakativen Botschaften blicken. „NRW geht vor!...Leistung muss sich wieder lohnen...Mehr Polizei. Weniger Einbrüche...Gute Pflege konsequent.“ liest man im Vorbeigehen.  
Was wollen uns die Landtagskandidaten damit sagen? NRW geht vor. Schön, aber hoffentlich nicht vor die Hunde. Gute Pflege hört sich gut an, aber für wen? Dürfen wir uns darauf freuen, dass wir in der kommenden Wahlperiode von unseren Abgeordneten pfleglich behandelt werden? Oder müssen wir uns auf gepflegte Steuer- und Diätenerhöhungen einstellen, damit unsere Abgeordneten die Wohltaten, die sie uns versprechen auch mit unserem Geld bezahlen und gleichzeitig auf die Schuldenbremse treten können. Mehr Polizei, die uns vor Einbrechern beschützen kann, klingt verlockend, wenn denn mehr Polizisten auch wirklich mehr Einbrecher dingfest machen und sie nicht weiter mit extrem niedrigen Aufklärungsquoten in ihrem kriminellen Tun ermutigen würden.

Bleibt nur zu hoffen, dass wir nach dem Wahltag, dem 14. Mai, Volksvertreter bekommen, die uns nicht gestohlen bleiben können. 

Dieser Text erschien am 22. April 2017 in der NRZ

Sonntag, 23. April 2017

Alles Bahnhof oder was? Ein Zeitsprung an der Friedrich-Ebert-Straße

Der alte Mülheimer Bahnhof um 1920
Foto: Stadtarchiv
Dieses Foto, das Mülheims alten, 1910 errichteten „Hauptbahnhof“ an der Friedrich-Ebert-Straße zeigt, verdanken wir Lore Kronenberger aus der Stadtmitte, die uns einen Band mit alten Mülheimer Stadtansichten vorbeigebracht hat, den sie 1989 von einer Bekannten geschenkt bekommen hat.

Das Gebäude, das wir auf der historischen Aufnahme sehen, wurde im Oktober 1975 abgerissen. Geblieben ist der eher unscheinbare S-Bahnhof Mülheim West, der gleich gegenüber der Friedrich-Wilhelms-Hütte und der Firma Thyssen-Krupp-Schulte in einem kleinen Gewerbegebiet gelegen ist.

Früher schauten die Reisenden, die aus dem alten „Hauptbahnhof“ traten, der diesen Namen offiziell nie getragen hat, gleich auf ein Zementwerk. Deshalb hieß der Bahnhof, über den der Fernverkehr mit D-Zügen abgewickelt wurde, im Volksmund auch „Zementbahnhof“! An diesem Bahnhof wurden die Züge mit zwei Lokomotiven bespannt, um mit deren Zugkraft über den Heißener Berg in Richtung Essen zu kommen.

An diesem Bahnhof starteten nicht nur angenehme Fernreisen. Hier spielten sich auch menschliche Dramen ab. Hier  fuhren Soldaten an die Front und jüdische Mitbürger wurden in die Vernichtungslager der Nazis deportiert.

Von hier aus startete am 1. März 1862, kurz nach 7 Uhr morgens auch der erste Zug, der Mülheim passierte und mit seinen Nachbarstädten verband. Dass sich der Industrielle August Thyssen 1870 mit seinem ersten Stahlwerk in Styrum niederließ hatte wesentlich mit diesem Bahnanschluss zu tun, an dem bis 1910 ein einfaches Holzhaus stand.

Dieser Text erschien am 10. April 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung


Samstag, 22. April 2017

Der Mülheimer Chirurg Jürgen Toennissen engagiert sich seit 30 Jahren für die medizinische Hilfsorganisation Interplast

Dr. Jürgen Toennissen
Bei plastischer Chirurgie denkt man an Schönheitsoperationen. Doch damit hat der plastische Chirurg Jürgen Toennissen, der gerade von einem Operationseinsatz aus Vietnam zurückgekehrt ist, nichts zu tun. Im Auftrag der Hilfsorganisation Interplast, die 1972 von dem Frankfurter Chirurgen Gottfried Lemperle ins Leben gerufen wurde, operiert er regelmäßig Menschen, die sich eine Operation sonst nie leisten könnten.

Die unentgeltliche Arbeit des Mülheimer Chirurgen, der während seines Berufslebens an einer Duisburger Klinik gearbeitet hat, ist um so beachtlicher, da er mit 77 eigentlich ungestört seinen Ruhestand genießen könnte. Doch das Engagement für hilfsbedürftige, aber zahlungsunfähige Menschen in der sogenannten Dritten Welt lässt ihn nicht los. Seit 30 Jahren ist der plastische Chirurg ehrenamtlich in Sumatra, Indien, Sri Lanka, Nepal, Pakistan und zuletzt eben auch in Vietnam unterwegs, um Menschen zu operieren, die zum Beispiel durch eine offene Lippengaumenspalte, einen Wolfsrachen, eine Hasenscharte oder auch durch Verbrennungen entstellt und damit aus sozial ausgegrenzt sind.

Spätfolgen des Vietnamkrieges



„Zu Verbrennungen kommt es in Vietnam oft, weil viele Menschen zuhause Kerosinlampen benutzen. Angeborene Deformierungen, wie die Hasenscharte, der Wolfsrachen oder die offene Lippengaumenspalte sind Spätfolgen des Vietnamkrieges, in dem die amerikanischen Truppen bei Bombardements das chemische Entlaubungsmittel Agent Orange eingesetzt haben“, berichtet Toennissen.

Zusammen mit seinem Kollegen Günter Zabel, und unterstützt von einem zehnköpfigen Team aus Pflegekräften und Anästhesistinnen, hat Toennissen jetzt im zentral-vietnamesischen Stadtkrankenhaus von Hue während eines 14-tägigen medizinischen Hilfseinsatzes 68 Operationen durchgeführt und insgesamt 124 Patienten behandelt, die sonst unbehandelt geblieben wären.

Den Kontakt zur Klinik, die durch landesweite Medienaufrufe, bedürftige Patienten auf die kostenlose Operationsmöglichkeit aufmerksam gemacht und die notwendigen Voruntersuchungen durchgeführt hatte, stellte die aus Vietnam stammende und heute in einem Dortmunder Krankenhaus arbeitende Anästhesistin Isabelle Bui her.

„Wenn ich in den sogenannten Entwicklungsländern arbeite, muss ich immer wieder improvisieren, weil das medizinische Gerät vor Ort begrenzt oder veraltet ist. Dann merke ich immer wieder, wie gut es uns doch in Deutschland geht“, sagt Dr. Toennissen. Während seines Einsatzes in Vietnam musste er zum Beispiel mit einem ganz normalen Bohrer eines deutschen Herstellers arbeiten, als es darum ging, die Hand eines Patienten durch das Einsetzen eines Drahtes wieder zu stabilisieren und funktionsfähig zu machen. Obwohl der Mülheimer Chirurg und seine Kollegen ehrenamtlich arbeiten und dafür, wenn sie noch berufstätig sind, ihren Urlaub einsetzen, kann Interplast seine nicht nur medizinisch, sondern auch sozial segensreiche Arbeit nur durch Spenden finanzieren.

Umso mehr ärgert es Dr. Toennissen, dass die Arbeit der Interplast-Teams immer wieder durch Behörden blockiert wird, wenn es zum Beispiel um Zollformalitäten, Transportbedingungen oder die notwendige Erteilung einer Arbeitserlaubnis geht. Hier würde sich der Mediziner mehr Rückendeckung und Unterstützung von Politik und Verwaltung wünschen. Dankbar ist Jürgen Toennissen dagegen den Richtern, die Interplast regelmäßig Bußgelder zukommen lassen und allen Spendern, die die gute Sache mit ihrem Geld unterstützen.

Mehr zur Arbeit von Interplast finden Sie im Internet unter www.interplast-germany.de oder im direkten Kontakt mit Jürgen Toennissen unter jürgentoennissen@gmail.com


Dieser Text erschien am 18. April 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung

Freitag, 21. April 2017

Als die Mülheimer den ersten Landtag wählten Die Überwindung von Hunger und Not standen im Mittelpunkt des ersten Landtagswahlkampfes

Heinrich Bruckhoff
Archivfoto: SPD
20. April 1947: 93 000 Mülheimer sind aufgerufen, den ersten Landtag Nordrhein-Westfalens zu wählen. 64 Prozent von ihnen negmen ihr Wahlrecht wahr, zwei Prozent mehr als bei der Landtagswahl 2012. Die Schlagzeilen der Lokalpresse zeigen, worum es bei dieser Wahl geht: „Ernährungslage ist immer noch angespannt - Reichen die Kartoffeln bis zur neuen Ernte?“ - „In der Osterwoche gab es nur 300 Kalorien“ oder: „Weiterer Brotausfall unvermeidlich: Nur drei Pfund Brot in der vierten Woche.“ ist da zu lesen.

Während Sozial- und Christdemokraten im Wahlkampf, angesichts der Not, die Sozialisierung der Schlüssel-Industrien fordern, plädiert die FDP für eine freie Marktwirtschaft.
Die SPD appelliert an die Wähler: „Bewahrt auch trotz großer Not die klare Überlegung, damit nicht noch einmal ein nicht wieder gut zu machender Fehler gemacht wird.“ Und in einem Aufruf der CDU heißt es: „Jede nicht abgegebene Stimme vergrößert Zersetzung und Auflösung. Der Dammbruch kann nur durch Menschen gebändigt werden, die furchtlos und treu auf den bedrohten Dämmen stehen.“
Wilhelm Dörnhaus
Foto: Stadtarchiv
Mülheim

Das Ende der Nazi-Diktatur und des Zweiten Weltkrieges liegt gerade mal zwei Jahre zurück. Jetzt gerät Deutschland im Fahrwasser des Ost-West-Konfliktes zwischen den USA und der Sowjetunion in eine Zerreißprobe. Anders, als bei den Kommunalwahlen im Oktober 1946, haben bei der ersten Landtagswahl in Mülheim die Sozialdemokraten die Nase vorn. Sie erringen stadtweit 33 Prozent der Stimmen. Ihr Kandidat, der Gewerkschafter und Fraktionschef im Rat, Heinrich Bruckhoff, zieht ebenso in den Landtag ein, wie der von der CDU aufgestellte ehemalige Düsseldorfer Oberbürgermeister Robert Lehr und der von der FDP nominierte Betriebswirt Wilhelm Dörnhaus. Die CDU erreicht stadtweit 29, die KPD 18- und die FDP 12 Prozent.
Während die Sozialdemokraten im Nord-Bezirk der Stadt eine deutliche Mehrheit erzielen, haben die Christdemokraten mit Lehr im Süd-Bezirk die Nase vorne. Der Jurist Lehr wird 1949 in den Bundestag gewählt und übernimmt in der ersten Bundesregierung unter Kanzler Konrad Adenauer das Amt des Bundesinnenministers.

Der FDP-Partei- und Fraktionsvorsitzende Wilhelm Dörnhaus zieht über die Landesliste seine Partei in den Landtag ein und wird später auch Mülheimer Bürgermeister.

Dieser Text erschien am 20. April 2017 in NRZ und WAZ

Donnerstag, 20. April 2017

Analog trifft digital

Man wird älter. Früher war es für uns ein echtes Erlebnis, mit der ganzen Familie zum Ostereiersuchen in den Witthausbusch zu fahren und später dann noch mit der Weißen Flotte wieder heimwärts zu schippern. Mit solchen Lokalitäten kann man die Generation meiner 21-jährigen Nichte nicht mehr hinter dem Ofen herlocken. Schon als Kind ließ sie ihren verblüfften  Onkel wissen,  dass die Schiffsfahrt mit der Weißen Flotte durch das Ruhrtal doch eigentlich langweilig sei, weil das Schiff immer nur geradeaus fahre. Jetzt schaltete sich die junge Dame, via Bildtelefonie Skype über das Smartphone ihres Bruders in unser österliches Familien-Kaffeetrinken ein und zeigte uns den weißen Strand der Dominikanischen Republik, in der sie und ihr Freund ihren Osterurlaub verbringen. Ich wette ja, dass der Flieger, mit dem sie an ihr karibisches Urlaubsziel gelangt sind immer geradeaus geflogen ist. Aber das schien die junge Globetrotterin nicht zu stören. Eher verblüffte sie der Wunsch der Tante: „Schicke mir doch noch eine Ansichtskarte.“

Dieser Text erschien am 18. April 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung   

Mittwoch, 19. April 2017

25 Jahre Aquarius oder: Vom alten Wasserturm zum modernen Wassermuseum

Talkrunde im Aquarius am 2. April 2017 (v.l.) Ulrich Ernst, Uwe von Schumann,
Hans-Hermann Hofstadt, Axel Biermann, Martin von Mauschwitz und
Andreas Macat.
Eine Talkrunde mit Fernsehmoderator Martin von Mauschwitz statt langer Festtagsreden. Dieses Konzept der Rheinisch-Westfälischen Wasserwerksgesellschaft (RWW) bescherte den Gästen der sonntäglichen Jubiläumsfeier im Styrumer Wassermuseum der RWW eine kurzweilige Geschichtsstunde, die 25 Jahre Aquarius unterhaltsam und informativ Revue passieren ließ.
Der Aquarius im Frühling
Viele Skeptiker warnten damals vor einem Disneyland“, erinnerte sich der in Styrum aufgewachsene Architekt Hans-Hermann Hofstadt an die ersten Bierdeckel-Entwürfe, die er mit seinem ebenfalls aus Styrum stammenden Freund, dem damaligen RWW-Chef Gerd Müller, in ihrer gemeinsamen Stammkneipe ausheckte. „Damals stand der 1892 von August Thyssen errichtete und 1912 von der RWW übernommene Wasserturm nach seiner Stilllegung im Jahr 1982 nutzlos in der Gegend rum“, skizzierte Andreas Macat, der das Wassermuseum im Styrumer Schlosspark seit 1994 leitet, die Vorgeschichte des heutigen Leuchtturmprojektes. Wirklichkeit wurde die Idee eines interaktiven Wassermuseums dann aber erst durch den damaligen EDV-Chef der RWW, Friedrich Schäfer und die Münchener Multimedia-Firma Interaktion. „Wir fingen mit Bildplatten an, gingen dann zu CD-Roms über und heute sind die gesamten Programme der interaktiven Touchscreens auf einem Computerserver gespeichert“, schilderte der Geschäftsführer von Interaktion, Uwe von Schumann, die technische Entwicklung des Museums, „in dem nicht nur Kinder und Jugendliche emotional und spielerisch etwas über die Bedeutung des Wassers lernen, was in ihren Köpfen hängen bleibt.“

Umweltbildung als Erlebnis


Auch Bildungsdezernent Ulrich Ernst bescheinigte dem Styrumer Wassermuseum, „das alle Mülheimer Schüler mindestens einmal in ihrem Schulleben besuchen, wichtige Grundlagen der Umwelterziehung gelegt und darüber hinaus als Wahrzeichen und Anziehungspunkt auch dem Stadtteil Styrum geholfen zu haben.“

Für den Geschäftsführer der Ruhrtourismus GmbH, Andreas Biermann, steht fest, „dass auch die touristischen Visionen, die der 2001 verstorbene Gerd Müller und Hans-Hermann Hofstadt in den späten 80er und frühen 90er Jahren entwickelt haben, heute Wirklichkeit geworden sind.“ Dabei profitiert das Aquarius inzwischen vom deutschlandweit sehr beliebten Ruhrtalradweg, der gleich am Wassermuseum, an der Ruhr und durch das ehemalige Müga-Gelände führt. „Das kann ich bestätigen. Meine beiden Kinder waren begeistert“, erinnerte sich Moderator von Mauschwitz an eine Familienradtour.

60.000 Besucher allein im Jahr 2016


Wie beliebt das Aquarius ist, machte der RWW-Chef, Dr. Franz-Josef Schulte, mit beeindruckenden Zahlen deutlich. Das Wassermuseum verzeichnet jährlich 60.000 Besucher aus allen Teilen Deutschlands. Allein im vergangenen Jahr lernten dort 60 Schulklassen und 500 Besuchergruppen nicht nur virtuell, sondern auch im Rahmen von Führungen und Planspielen etwas über das Element Wasser.

Die Tatsache, dass die RWW, das Aqurius nach dem Ende der Landesgartenschau Müga, im Oktober 1992, zu einer Dauereinrichtung und zu einem neuen Wahrzeichen Mülheims gemacht hat, beweist in den Augen der Bürgermeisterin, Margarete Wietelmann, „dass wir mit dem Wasserversorger RWW einen verlässlichen Partner haben, der sich in der Daseinsvorsorge unserer Stadt ganzheitlich engagiert.“


Dieser Text erschien am 2. April 2017 im Lokalkompass und in der Mülheimer Woche

Dienstag, 18. April 2017

Für Sarah Adam ist die Teilzeitausbildung bei der Theodor-Fliedner-Stiftung ein Volltreffe

Sarah Adam
Teilzeitarbeit. Das ist jedem ein Begriff. „Doch Teilzeitausbildung. Das hatte ich bisher nicht auf dem Schirm“, gibt der Personalchef der Theodor-Fliedner-Stiftung, Lars Borchert zu. Doch das hat sich mit Sarah Adam geändert. Denn die 30-jährige Mutter absolviert seit dem 1. August 2016 bei der Fliedner-Stiftung eine Teilzeit-Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement.
„Meine Arbeit macht mir Spaß, weil ich hier verständnisvolle Kollegen und Vorgesetzte und eine sehr abwechslungsreiche Tätigkeit gefunden habe“, freut sich Adam. Buchhaltung, Bauverwaltung, Eingliederung, Altenhilfe, Klinik und Finanzabteilung. All diese Bereiche der Fliedner-Stiftung durchläuft sie während ihrer auf zweieinhalb Jahre angelegten Ausbildung.

„Frau Adam ist für uns ein Volltreffer. Sie bringt Berufs- und Lebenserfahrung, aber auch Natürlichkeit und soziale Kompetenz mit“, bestätigt Borchert seiner Mitarbeiterin.

Die arbeitet zwischen 7.30 Uhr und 13.30 Uhr in der Fliedner-Verwaltung in Selbeck und hat dadurch am Nachmittag Zeit für ihre fünf und neun Jahre alten Söhne, zum Beispiel. Um mit ihnen Fußball zu spielen. Auch wenn ihr in Wechselschicht arbeitender Mann frei hat, ist er mit von der Partie und die Wochenenden gehören der Familie.

Abends macht Mutti ihre Hausaufgaben


Doch abends hat die Mutter und Ehefrau keine Zeit für ihre Leben. Denn dann muss sie für die Berufsschule lernen. „Das ist hart, aber ich weiß wofür ich es tue“, sagt Sarah Adam. Denn in ihrem ersten Berufsleben, das sie nach einem Fachabitur an der Kasse eines Supermarktes begann und später am Empfang eines Industrieunternehmens fortsetzte, waren Zwölf- und 13-Stunden-Tage oder Bereitschaftsdienste keine Seltenheit. Das war Gift fürs Familienleben. Und das wollte Adam irgendwann nicht mehr. Und deshalb wagte sie mit 29 den beruflichen Neustart.

Eine Informationsveranstaltung der Agentur für Arbeit und die Beratung durch deren Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt, Marion Steinhoff, wiesen ihr den Weg in eine vom Land NRW finanzierte Vorbereitungsmaßnahme, die die Agentur für Arbeit in Kooperation mit örtlichen Bildungsträgern anbietet, um Menschen mit einer oft familiär bedingt gebrochenen Erwerbsbiografie in Ausbildung und Arbeit zu bringen. „Vor allem das Bewerbungstraining in der Berufsbildungswerkstatt war für mich sehr wertvoll“, erinnert sich Adam.

Doch all das hätte vielleicht nicht geholfen, wenn nicht Marion Steinhoff, Adams heutigen Vorgesetzten von den Vorzügen ihrer Klientin und von den Vorteilen einer familienfreundlichen Teilzeitausbildung überzeugt hätte. Ähnlichen Erfolg hatte sie auch mit einer Bewerberin, die nach einer langen Familienpause, in der sie ihr Mutter gepflegt hatte, mit der Teilzeit-Ausbildung bei einem anderen Arbeitgeber den Wiedereinstieg ins Berufsleben schaffte.

Begegnungen und Chancen schaffen


„Wir schaffen Begegnungen und räumen Vorurteile aus dem Weg, damit qualifizierte Menschen, die sonst mit ihrer gebrochenen Berufsbiografie vielleicht aus dem Bewerbungsstapel aussortiert würden, eine Chance bekommen, die sie verdienen“, erklärt Steinhoff ihre Arbeit.

„Erst durch das Gespräch mit Frau Steinhoff habe ich erfahren, dass Ausbildung in Teilzeit nicht 50 Prozent Arbeits- und Berufsschulzeit, sondern 75 Prozent Arbeits- und 100 Prozent Berufsschulzeit bedeutet. Und schon im Vorstellungsgespräch haben mich die Motivation und die Menschlichkeit von Frau Adam überzeugt. Besonders gut gefallen hat mir, dass sie sich vorab sehr gut über die Theodor-Fliedner-Stiftung und deren soziale Arbeit informiert hatte“, erinnert sich Personalchef Borchert.

Mit der Motivation, die Sarah Adam, während ihrer bisherigen Ausbildung an den Tag gelegt hat, rechtfertigt sie sein Vertrauen und macht ihn aufgeschlossen für künftige Teilzeit-Lehrlinge. „Wir haben jedes Jahr etwa 15 Auszubildende und bilden damit über unseren eigenen Bedarf aus, weil wir das als Teil unserer sozialen Verantwortung sehen“, erklärt Borchert.
Auch wenn das bedeutet, dass es nach einer erfolgreichen Ausbildung bei der Fliedner-Stiftung keine Übernahme-Garantie geben kann, bereut Sarah Adam ihre Entscheidung für eine Teilzeit-Ausbildung bei der Fliedner-Stiftung nicht. „Mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung habe ich ein viel besseres Standing auf dem Arbeitsmarkt und kann auch meinen Kindern vorleben, dass eine Berufsausbildung der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit ist“, betont die angehende Kauffrau für Büromanagement.

Mehr Familienfreundlichkeit


Jürgen Koch, Vorstandsvorsitzender der für Mülheim und Oberhausen zuständigen Agentur für Arbeit, sieht die vom Gesetzgeber bereits 2005 geschaffene Möglichkeit einer Ausbildung in Teilzeit als Chance „unsere Stadt und ihren Arbeitsmarkt familienfreundlicher zu machen und sie damit auf die langfristigen Folgen des demografischen Wandels vorzubereiten.“

Weniger Lehrstellen


Mit Sorge sieht der örtliche Agenturchef aber, dass die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen schwächelt. Die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze ist im Jahresvergleich um 67 zurückgegangen, so dass derzeit auf 775 freie Lehrstellen 805 Bewerber kommen. Weitere Informationen zum Thema Ausbildung in Teilzeit findet man im Internet unter: www.regionalagentur-meo.de/teilzeitberufsausbildung-tep


Dieser Text erschien in der Mülheimer Woche und im Lokalkompass vom 2. April 2017

Montag, 17. April 2017

Keine Angst vor großen Zahlen

Neulich musste ich für einen Freund eine Geburtstagskarte kaufen. Er hatte einen runden Geburtstag vor der Brust. Dabei fiel mir auf, wie unsensibel Grußkartenhersteller sind. Auf fast jeder Karte prangte eine große Zahl.

Kaum zu glauben, aber wahr: Heute bist du schon 40, 50, 60, 70, 80 oder 90 Jahr. Wenn ein reifes Geburtstagskind an eines bestimmt nicht erinnert werden will und erinnert werden muss, dann ist es die Zahl seiner Lebensjahre.

Der Kölner Kardinal Joachim Meisner hat an seinem 80. Geburtstag die ultimative Antwort auf die Frage nach der Zahl seiner Lebensjahr gegeben. Mit Blick auf seinen christlichen Auferstehungsglauben sagte er damals: "Ich bin ein Mann mit Vergangenheit, aber auch ein Mann der Zukunft!" In diesem Sinne wünsche ich Ihnen frohe Ostern.

Dieser Text erschien am 15. April 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung

Sonntag, 16. April 2017

Ostern - Ein Fest fürs Leben, das uns hoffen lässt: WEas Mülheimer Geistliche ihren Nachbarn und Mitbürgern zum Fest zu sagen haben

Kirche in der Stadt: Ein Blick auf die Marien- und die Petrikirche
„Frohe Ostern!“ wünscht man sich in diesen Tagen, wohl wissend, dass unsere kleine und große Welt in diesen Tagen angesichts von Krieg, Terror, Gewalt, Rücksichtslosigkeit, Ungerechtigkeit, Leid und Einsamkeit für viele Menschen alles andere als froh sind.
Darum tun sich viele Menschen schwer mit der frohen Botschaft von der Erlösung durch Christus, die Auferstehung von den Toten und dem ewigen Leben bei Gott.

Vor diesem Hintergrund äußern sich Mülheimer Geistliche in dieser  Zeitung zu ihrem Oster-Glauben und was sie zum Osterfest ihren Mitbürgern mit auf den Weg geben wollen.
Gottes Liebe leben und weitergeben.
Reinhard Sprafke

Diakon Reinhard Sprafke aus St. Narbara in Dümpten sagt: „Ostern ist für mich die höchste Hoffnung der Menschheit, die das Leben lebenswert macht. Sie steht dafür, dass Leid und Tod in unserem Leben nicht das letzte Wort sind und das der Mensch, dessen Körper vergänglich ist, mit Leib und Seele in der Liebe Gottes geborgen ist, eine Liebe, die wir als Christen im Alltag begeistert und mit Hingabe und Vertrauen auf Gott weitergeben sollten. Wir spüren es selbst, dass wir mit unseren lieben Verstorbenen über den Tod hinaus verbunden sind und das etwas gibt, was über unser irdisches Leben und unser Verstehen hinaus geht.“
Michael Manz

Für Pfarrer Michael Manz aus der Evangelischen bedeutet Ostern, „Stolpern, hinfallen, den Staub vom Dreck dieser Welt wieder abschütteln, sich “Kopf-hoch!” sagen oder sagen-lassen, wieder aufstehen, den Blick auch bei grauen Wolken in Richtung Sonne wenden, Kraft schöpfen, sich wieder auf den Weg machen, die Hand Gottes oder seiner Boten ergreifen ... immer wieder aufs Neue und wider allem Terror derer, die uns zu Fall bringen wollen.“

Michael Janßen
Stadtdechant Michael Janßen (Pfarrer von St. Mariae Geburt) formuliert seine Oster-Botschaft so: „Gerade in dieser krisengeschüttelten Zeit auf unserem Globus ist die Sehnsucht der Menschen nach Leben, nach sinnerfülltem Leben sehr groß. Um so mehr muss die Frohe christliche Botschaft, die Botschaft vom Leben, die Botschaft vom ewigen Leben verkündigt werden. Die Menschen hungern danach. Zur christlichen Botschaft vom Leben auch immer der mit uns in Christus leidende Gott, der Karfreitag, hinter dem die Sonne des Ostermorgens leuchten wird. Es gibt aber keine Abkürzung am Karfreitag vorbei in den Ostermorgen.“
Ulrich Schreyer

Der evangelische Predikant und Geschäftsführer des Diakoniewerkes, Arbeit & Kultur, Ulrich Schreyer erklärt: „Die fröhliche Botschaft zu Ostern ist zugleich ein Auftrag.
Wenn wir Christen die Auferstehung von den Toten für uns selber annehmen, dann können wir nicht anders, als das tun, wozu uns Gottes guter Geist treibt, nämlich der Wahrheit die Ehre zu geben, da wo die Lüge regiert und Frieden zu stiften, auch wenn wir zwischen den Stühlen sitzen. Es gibt keine christliche Botschaft ohne Konsequenz.“
                                                                                                                                                                                       
Oskar Dierbach
Der evangelische Diakon und Pflegedienstleiter der Häuser Ruhrgarten und Ruhrblick, Oskar Dierbach,  sagt zu Osterm: „Zu viele wollten uns schon davon überzeugen, man müsse nur das richtige politische oder soziologische Konzept oder das geeignete weltwirtschaftliche System einführen, dann würde das mit dem Frieden und der Gerechtigkeit schon werden. Nichts von all den tollen Ideen, Ideologien und Programmen hat letztlich den Durchbruch zum Weltfrieden oder das Ende von Hunger und Ungerechtigkeit gebracht.Da ist die Osterbotschaft vom Leiden, Sterben und Auferstehen des lebendigen Gottes in Jesus Christus für mich eine echte Alternative zu all den menschengemachten Rezepten der Weltverbesserung. Gottes Diagnose ist schonungslos und radikal ehrlich: Zuerst muß der Mensch sich ändern, bevor Systeme und Verhältnisse geändert werden können. Diese Änderung kann der Mensch nicht aus eigener Kraft. Darum schafft Gott am Kreuz von Golgatha mit Jesus die einzigartige Chance eines echten Neuanfangs: Vergebung der Schuld, Heilung eines egoistischen und gekränkten Herzens und Sieg über den Tod. Menschen, die dieses Handeln Gottes für sich persönlich als Geschenk angenommen haben, werden zu echten Weltverbesserern.“
Ekkart Vetter

Der Pastor der evangelisch-freikirchlichen Christus-Gemeinde Ekkart Vetter untersreicht mit Blick auf Ostern: „„Wer Ostern kennt, kann nicht verzweifeln.“ Dietrich Bonhoeffer, der dies gesagt hat, hätte allen Grund zum Verzweifeln gehabt. Er wurde 1945 im KZ Flossenbürg ermordet. Bonhoeffer wusste: In Jesus Christus kommt beides zusammen, radikal erduldetes Leid (Karfreitag) und neues Leben, das den Tod überwunden hat (Ostern).  Seit der Auferstehung Jesu ist der Tod keine Sackgasse mehr, sondern die Zubringerstraße zu neuem Leben, hier und in Ewigkeit.“
Katrin Schirmer bei der Arbeit

Pfarrerin Katrin Schirmer aus Speldorf  sagt: „Terror und Hass, den wir diese Tage wieder erleben müssen, in Dortmund, in Stockholm und anderswo lassen uns oft am Leben verzweifeln.Darum feiern wir Ostern: den christlichen Protestruf gegen den Tod.Das letzte Wort haben nicht Leid und Tod.Auferstehung heißt: das Leben siegt! Die Osterbotschaft lautet: Gott sagt Ja zum Leben, zu allen Zeiten.“
Helmut Kämpgen

Für den evangelischen Pfarrer Helmut Kämpgen, der sich nach seiner Pensionierung im Bürgerverein Eppinghofen engagiert ist es wichtig, zu begreifen: „Gegen Kreuz und Tod Jesu setzt Gott die Auferstehung und das Leben. Das ist ein eindrucksvoller Protest gegen das Leid, das wir Menschen uns gegenseitig antun. Und Mahnung an uns, Ungerechtigkeit und Gewalt entgegenzuwirken, damit das Leben mit all seinen Wundern zur Blüte kommen kann.“
Christoph Pfeiffer (Foto EKIR)

Und sein evanglischer Amtsbruder Christoph Pfeiffer, der als Seelsorger im Evangelischen Krankenhaus arbeitet, bedeuten Ostern und die damit  verbundene frohe christliche Botschaft: „Es ist immer noch die unglaublich großartige Erfahrung der Befreiung, der Befreiung aus einem Leben, das sich nur aus sich selbst versteht, das selbst alles schaffen möchte, das Freiheit missversteht, als „meine“ Freiheit vor der Freiheit aller anderen. 
Die Befreiung aus einem Lebensverständnis, das auf Erden zu der großen Trennung zwischen reich und arm führt. Ein Leben, das Krieg und Terror, Beziehungsunfähigkeit und Umweltzerstörung immer im Schlepptau hat, da die einen immer anderen ihre Freiheit und Lebensmöglichkeiten nehmen. Jesu Auferweckung erweckt auch mich zu einem Leben, das frei ist für andere, das Glück im Glück mit anderen erfährt. Ein Leben , in dem Nachhaltigkeit und Verantwortung groß geschrieben werden. Ein Leben, das seine Freiheit ausrichtet an der Freiheit der anderen."

Dieser Text erschien am 15. April 2017 in NRZ/WAZ


Samstag, 15. April 2017

Der Karfreitag ist für viele Menschen ein Anstoß und ein Ärgernis

Hinter bzw. neben Nikolaus Schneider sieht man den Stadtdechanten Michael Janßen und die evangelische
Pfarrerin Dagmar Tietsch-Lipski, die dem Kreissynodalvorstand des ev. Kirchenkreises an der Ruhr angehört.

Wie selbstverständlich die Ökumene 500 Jahre nach Martin Luthers Thesenanschlag in Wittenberg und 52 Jahre nach dem Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils geworden ist, zeigte die Fastenpredigt, die der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, zum Beginn der Karwoche in der katholischen Stadtkirche St. Mariae Geburt hielt. Etwa 600 Zuhörer füllten die Kirchenbänke fast bis auf den letzten Platz und nahmen einen starken geistlichen Impuls mit nach Hause. Ihr Applaus war des Predigers Lohn. Auch mit Blick auf den Krieg in Syrien, den sexuellen Missbrauch von Kindern und die im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlinge, stellte der ehemalige Präses der Rheinischen Landeskirche fest:

Der Karfreitag ist für viele Menschen ein Anstoß und ein Ärgernis. Sie fragen sich angesichts von Tod, Leid und Ungerechtigkeit: Warum greift Gott nicht ein?“ Für sich selbst und seine christlichen Glaubensgeschwister gab Schneider die Antwort: „Mit Christus hat sich der liebende Gott uns Menschen gerade in unserem Leid und unserer Sünde zugewandt. Damit ist nicht die Sünde, aber der Sünder vor Gott gerechtfertigt.“ Das bedeute nicht, so Schneider weiter, „dass uns Gott unsere Kreuzwege und Katastrophen erspart, aber uns, wie Jesus selbst durch das Leid hindurch zu neuem und dauerhaftem Leben trägt.“

Damit gebe er auch dem sündigen Menschen die Gewissheit, „dass Gott mich nicht gott- und trostlos zurücklässt, sondern mir die Einsicht schenkt: Ich kann anders werden. Ich kann Gott in mir wirken lassen. Ich kann um Vergebung bitten und so auch selbst anderen vergeben.“

Dieser Text erschien am 15. April 2017 im Neuen Ruhrwort

Freitag, 14. April 2017

Der Karfreitag und Ostern als eine Kraftquelle fürs Leben: Ein Gespräch mit Nikolaus Schneider

Nikolaus Schneider (Foto EKIR)


Am 10. April beginnt die Karwoche um 18.30 Uhr mit einer Trauermette in St. Mariae Geburt. Die Gastpredigt hält der ehemalige Präses der Rheinischen Landeskirche und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider. Vorab stellte er sich den Fragen dieser Zeitung.

Warum predigen Sie im Reformationsjahr in einer katholischen Fastenmesse?
Schneider: Das ist weniger außergewöhnlich, als die Frage vermuten lässt: Seit dem „2. Vatikanischen Konzil“ hat sich das Verhältnis zwischen den Kirchen der Reformation und der katholischen Kirche grundlegend verändert: Wir sind freundschaftlich verschieden! Und Freunde laden sich ein, auch zum Predigen. Und Freunde kommen dann auch zum Predigen. Außerdem macht die Predigt-Einladung der katholischen Stadtkirche an mich klar: Die Feier des Reformationsjubiläums wird nicht als Abgrenzung verstanden. Den Reformatoren ging es um Christus. Und in ihrer gemeinsamen Konzentration auf Christus können evangelische und katholische Christenmenschen heute gemeinsam Gottesdienst feiern.

Sie predigen zum Auftakt der Karwoche. Was kann uns der Karfreitag heute noch sagen?
Der Karfreitag trägt die Botschaft in sich: Im Schrecken und im Tod sind Menschen nicht von Gott verlassen. Gott war in Christus, auch am Kreuz. Diese Botschaft brauchen Menschen, weil die Welt und das Leben ihnen Schrecken und Schreckliches, Unrecht, Leiden und Todeserfahrungen zumuten – auch heute noch.

Und worin sehen Sie die aktuelle Botschaft von Ostern?
Ostern trägt die Botschaft in sich: Das Kreuz hat nicht das letzte Wort. Gottes Lebensmacht ist stärker als der Tod. Christus ist auferstanden. Wir werden auferstehen. Ostern hebt Karfreitag nicht auf, und die Osterbotschaft macht die Karfreitagsbotschaft nicht überflüssig. Karfreitage zu erleben – am eigenen Leib oder bei Menschen, die uns wichtig sind –, das führt auch Christenmenschen an ihre Grenzen. Aber bis heute spüren Menschen: die Osterbotschaft ist eine Kraftquelle, in den Karfreitagen unseres Lebens Zukunftshoffnung und Gottvertrauen nicht preiszugeben. Und in der Freude des Osterjubels nicht zu vergessen, dass auch die Karfreitage zum Leben gehören.

2017 werden 500 Jahre Reformation gefeiert. Werden wir die Einheit der Christen noch erleben?
In Christus können christliche Konfessionen und Kirchen schon jetzt ihre Einheit erleben. Aber die Frage zielt wohl auf die über Jahrhunderte gewachsenen unterschiedlichen kirchlichen Strukturen. Diese haben schon ihr Eigengewicht und lassen sich nicht so einfach harmonisieren. Aber: Einheit ist nicht Einheitlichkeit. Viele konfessionelle Unterschiede können wir gegenseitig als Herausforderungen und Bereicherungen verstehen und eine versöhnte Verschiedenheit anstreben. Dabei habe ich die Hoffnung, dass unsere Kirchen noch zu meinen Lebzeiten die eucharistische Gastfreundschaft auch „offiziell“ ermöglichen!

Nikolaus Schneider wurde 1947 in Duisburg geboren. Dort trat er 1977  nach seinem Theologie-Studium in Wuppertal und Göttingen seine erste Pfarrstelle an und engagierte sich an der Seite der Stahlarbeiter von Rheinhausen für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze, am Ende ohne Erfolg. Von 2003 bis 2013 stand Schneider als Präses an der Spitze der Rheinischen Landeskirche und zwischen 2010 und 2014 als Ratsvorsitzender an der Spitze der Evangelischen Kirche. Sein Amt gab er aufgrund der schweren Erkraankung seiner Frau Anne auf. Das Eltern- und Ehepaar, das heute in Berlin lebt, schenkte drei Töchtern das Leben. Die jüngste Tochter starb 2005 an den Folgen einer Krebserkrankung.

Dieser Text erschien am 10. April 2017 in NRZ und WAZ

Donnerstag, 13. April 2017

Mülheims Mann fürs Grüne: Der Gas- und Wasserinstallationsmeister Peter Schuhmacher kam 1993 als Techniker zur Müga-Gesellschaft und ist heute für die Pflege der öffentlichen Grünanlagen zuständig

Peter Schuhmacher

7 Uhr. Im dritten Stock des Technischen Rathauses beginnt der Arbeitstag von Peter Schuhmacher. Der 52-jährige, der in seinem ersten Berufsleben als Gas- und Wasser-Installationsmeister gearbeitet hat, ehe er 1993 zur Müga-Gesellschaft kam, ist seit 1999 beim Amt für Grünflächenmanagement für die Instandsetzung und Instandhaltung der Mülheimer Grünflächen und Spielplätze zuständig. Viel Arbeit. Denn das 9128 Hektar große Mülheim besteht zu über 50 Prozent aus Grünflächen. Natürlich ist Schuhmacher kein Einzelkämpfer. Zu der Abteilung, die er seit 1999 leitet, gehören 27 Mitarbeiter.

Bevor Mülheims Mann fürs Grüne und für die Spielplätze in der 42 Hektar großen Müga nach dem Rechten schaut - Rasen muss nachgesät, Wegedecken erneuert und neue Blumen gepflanzt werden - beschäftigt er sich mit den anstehenden Ausschreibungen. „Denn die Stadt hat die gesamte öffentliche Grünpflege an derzeit acht externe Garten- und Landschaftsbauer vergeben. Obwohl sie jährlich etwa 2,5 Millionen Euro in die Grünpflege investiert, steht sie sich damit finanziell günstiger, spart Kosten für Personal und Maschinen“, erklärt Schuhmacher die Strategie des städtischen Grünflächenmanagements.

An diesem Morgen ordert er neue Tulpen, Narzissen, Stiefmütterchen und Hyazinthen, die unter anderem in der Müga, an der Schloßbrücke, am Wasserbahnhof und an der Dröppelminna am Löhberg gepflanzt werden sollen. „Wir pflanzen jetzt und dann noch einmal im Mai und Juni“, erklärt Schuhmacher. Wer mit ihm durch das Müga-Gelände geht, sieht den Unterschied zur Blumenpracht, die auf Schuhmachers Müga-Fotos aus den Jahren 1992/93 prangt. Das Rasengrün dominiert, wo vor 25 Jahren die Besucher der Landesgartenschau von einer Blumen-Sinfonie der Farben betört wurden.

Der sparsame Blick ins Grün entspannt. Doch bei Schuhmacher hält sich die Entspannung in Grenzen. Hier sieht er Totholz in einer Baumkrone und dort ein ausuferndes Wurzelwerk, das den Gehweg zur Hügellandschaft macht. Und im Stadthallengarten, wo der Tiefbrunnen mit einer Kamerafahrt auf Schäden im Mauerwerk gecheckt wird, muss auch noch eine defektes Wasserrohr ausgewechselt werden.

An einem Brunnen überprüft er die Funktionstüchtigkeit der Pumpen und lässt Schlamm, Glas, Steine und anderen Unrat aus dem Brunnenbecken entfernen. „Mein absoluter Lieblingsplatz in der Müga ist aber nicht die große Wiese zwischen Ringlokschuppen und Schloss Broich, sondern der Matschspielplatz an der Volkshochschule. Wenn ich dort die Kinder vergnügt spielen sehe, geht mir das Herz auf“, sagt der Vater von inzwischen zwei erwachsenen Töchtern.

Vieles von dem, was an Wasserleitungen und technischen Installationen die Müga heute zu einem Landschafts- und Naturerlebnis in der Stadt macht, hat der Installationsmeister Schuhmacher selbst verlegt, gewartet oder neu installiert. Weil er nicht selbst pflanzt, pflegt, düngt und sät, braucht Schuhmacher in seinem Arbeitsalltag keinen grünen Daumen, sondern den scharfen Blick und die Endscheidungsfreude eines Koordinators, Planers und Kontrolleurs, damit Mülheims Grün auch in Zeiten knapper Stadtkassen grün bleibt und seine Anziehungskraft behält.

Was er an Fachwissen braucht, konnte sich Schuhmacher mit Hilfe von Seminaren und Kollegen „nach dem Prinzip Learning by doing“ aneignen. „Die härteste Zeit meines Berufslebens waren die Tage von Ela“, erinnert sich der Grünflächenmanager an die Zeit des Pfingststurms von 2014. Ela fällte stadtweit rund 1000 Bäume, von denen bisher 450 durch Neupflanzungen ersetzt werden konnten. „Damals jagte eine Krisensitzung die nächste und wir waren von 7 bis 22 Uhr auf den Beinen“, erzählt Schumacher. Er schätzt, „dass uns die Folgen von Ela noch zwei bis drei Jahre beschäftigen werden“.

Zusammen mit einem Kollegen überprüft Schuhmacher an diesem Tag auch ein Spielgerät, an dem sich Vandalen zu schaffen gemacht haben. „Das tut weh, wenn man so ein Gerät, an dem Kinder Spaß haben, abbauen muss, weil bestimmte Zeitgenossen ihre Zerstörungswut und Frustration daran ausgelassen haben. Und nicht jedes Spielgerät kann ersetzt werden, weil der Stadt das Geld dafür fehlt.“

Und wo ist Schuhmacher unterwegs, wenn er nicht von Amtswegen im Technischen Rathaus die öffentliche Grünpflege managt oder durch die Stadtlandschaften streift? „An einem Abend der Woche spiele ich mit meinen Sportfreunden von Tura 05 Volleyball und einmal im Jahr fahre ich mit meiner Frau und unseren Freunden zur Weinlese an die Nahe“, berichtet Schuhmacher aus seinem Privatleben. Dazu gehört auch sein Engagement in der Dümptener Kirchengemeinde St. Barbara, die nicht nur seine freundliche, zupackende und unkomplizierte Mitarbeit bei Gemeindefesten, sondern auch seinen technischen Sachverstand bei der Inszenierung der gemeindeeigenen Musical-Produktionen zu schätzen weiß. Aktuell wird ein Musical über die heilige Jungfrau von Guadalupe produziert. „Gemeinschaft zu erleben und mit anderen etwas auf die Beine zu stellen, macht einfach Sinn und Freude“, findet Peter Schuhmacher.

Dieser Text erschien am 8. April 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung

Mittwoch, 12. April 2017

Der steinige Weg zur Pfarrerin: Eine Ausstellung im Gemeindehaus der Lutherkirche beleuchtet die Zeitreise,in der es Frauen in der evangelischen Kirche zur Anerkennung gebracht haben

Pfarrerinnen im Gespräch: (von links) Marie-Luise Erdtmann, Nele Winkel
 Reinhilde Lüninghöner-Czylwik undAlexandra Cordes,

Frau Pfarrerin. Diese Anrede kennen katholische Christen, soweit sie nicht der altkatholischen Kirche angehören, bis heute nicht.

Aber auch in der Evangelischen Kirche ist diese Anrede und das damit verbundene geistliche Amt noch nicht so lange eingebürgert, wie man im 500. Reformationsjahr glauben möchte. Eine Ausstellung, die am Mittwochabend mit einer Pfarrerinnen-Talkrunde im Gemeindehaus der Lutherkirche eröffnet wurde, zeigt es. „Nein, mein Mann soll ein schöne Beerdigung erleben und nicht von einer Pfarrerin unter die Erde gebracht werden“, gab die ehemalige Speldorfer Pfarrerin Marie-Luise Brandtmann eine Anekdote aus dem Jahr 1983 zum Besten.

Damals, als die 1935 geborene Theologin ihr Pfarramt an der Lutherkirche antrat, war es gerade mal zehn Jahre her, dass das Pflichtzölibat für Vikarinnen aufgehoben worden war. Bis dahin durften nur unverheiratete Frauen ins Pfarramt eintreten.

„Ich kann nicht glauben, dass Frauen noch bis weit in die 70er Jahre hinein ihre Ehemänner um Erlaubnis fragen mussten, wenn sie berufstätig werden wollten“, sagte Brandtmanns heutige Nachfolgerin Alexandra Cordes. „Heute haben wir im Evangelischen Kirchenkreis an der Ruhr 14 Pfarrerinnen und zwölf Pfarrer“, beschreibt die heutige Personalsituation.

Ihre 1955 geborene Kollegin Reinhilde Lüninghöner-Czylwik, seit über 30 Jahren Pfarrerin in Heißen, kann sich noch an Zeiten erinnern, in denen die Evangelische Kirche ihre Pfarrerinnen, die sie lange nur als Vikarinnen und Pastorinnen gelten ließ, sicherheitshalber von zwei männlichen Amtsbrüdern flankieren ließ.

Die Zeiten haben sich geändert, zumindest in Mülheim. Heute flankieren Alexandra Cordes und Katrin Schirmer als Pfarrerinnen in Speldorf ihren Kollegen Matthias Göttert, während Lüninghöner-Czylwik und ihre Kollegin Anja Collenberg die Heißener Gemeinde mit Frauenpower leiten. Vor diesem Hintergrund kann sich die 1980 geborene Pfarrerin zur Anstellung, Nele Winkel, nicht vorstellen, dass die lutherische Kirche in Lettland erst kürzlich die Frauen-Ordination wieder abgeschafft hat, frei nach dem Paulus-Wort: „Das Weib schweige in der Kirche.“

Unglaublich ist es für die zweifache Mutter, dass den ersten Vikarinnen und Pastorinnen, die ab 1943 in ihr Amt eingeführt wurden, nicht nur Ehe und Familie verweigert wurden. Auch die Leitung eines Gottesdienstes und die Feier des Abendmahls blieb bis Mitte der 70er Jahre dem Herrn Pfarrer vorbehalten.

„Während die Ehefrauen der Pfarrer ihren Männern den Rücken freihalten und mitarbeiten, wird von Pfarrerinnen, die auch Mütter sind, erwartet, dass sie ihren Stellenumfang einschränken“, so Nele Winkel.

Zitat: Nein, mein Mann soll ein schöne Beerdigung erleben und nicht von einer Pfarrerin unter die Erde gebracht werden. Marie-Luise Brandtmann, Pfarrerin, erzählt aus dem Jahr 1983

Dieser Text erschien am 7. April 2017 in NRZ/WAZ

Ihre Wiege stand in Mülheim

  Der Mülheimer Heimatforscher Dirk von Eicken liebt Geschichte(n), die nicht jeder kennt. Eine dieser Geschichten hat er für die  Internets...