Samstag, 24. Juni 2017

Die Vorleserin

Wenn Birgit Hass unterwegs ist, dann in der Regel zusammen mit Rico. Rico ist eine quirlige und knuffige Mischung aus Golden Retriever und schwarzem Pudel. Immer wenn Frauchen ihm das rote Halstuch anlegt, wedelt Rico freudig mit dem Schwanz. Denn er weiß: Jetzt geht es wieder zu den Kindern.
Wenn Birgit Hass unterwegs ist, dann in der Regel zusammen mit Rico. Rico ist eine quirlige und knuffige Mischung aus Golden Retriever und schwarzem Pudel. Immer wenn Frauchen ihm das rote Halstuch anlegt, wedelt Rico freudig mit dem Schwanz. Denn er weiß: Jetzt geht es wieder zu den Kindern.
Die Kinder, die Birgit Hass und Rico besuchen, warten in Kindertagesstätten, Grundschulen und Stadtteilbüchereien auf die beiden. Wenn Birgit und Rico zu ihnen kommen, haben sie Bücher und DVDs, aber auch Spiele und Bastelmaterial dabei.

Rico ist der heimliche Star

Denn die 57-jährige Heißenerin ist als Mitarbeiterin der Stadtbibliothek für die Literaturpädagogik zuständig. Das bedeutet, sie vermittelt Kindern den Spaß an der Sprache und am Lesen. Das macht die gelernte Erzieherin und an der Akademie Remscheid ausgebildete Literaturpädagogin schon seit 37 Jahren.
Und sie macht es immer noch mit Freude. Das sieht man ihr an, wenn sie auf einem gemütlichen Teppich oder in einem Stuhlkreis Kindern vorliest und dabei Abbildungen aus dem jeweiligen Bilderbuch an die Wand wirft. Doch auch ohne DVDs, CDs oder klassische Bildtafeln schafft es die Literaturpädagogin in den Köpfen ihrer Zuhörer ein Kino in Gang zu setzen.
Ihre geschulte Vorlesetechnik, die mit Stimmrhythmus und Gesten arbeitet, macht es möglich. „Ich finde es immer wieder faszinierend, wie sich auch multimedial aufwachsende Kinder heute allein durch die Sprache und die Kunst des Erzählens in eine fremde Welt mitnehmen lassen,“ sagt Haas. Um ihre akzentuierte und deutliche Aussprache zu trainieren, liest sie ihre Kinderbuchtexte daheim oder in ihrem Büro auch schon mal mit einem Korken im Mund. „Dann ist man stimmlich fit und weiß, worauf es ankommt“, sagt Hass.
Auch wenn sich die Literaturpädagogin, die 1979 über eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme zur Stadtbibliothek kam, inzwischen mit multimedial vernetzten Büchern und Spielen auseinandersetzen muss, haben auch Kinderbuchklassiker, zum Beispiel Astrid Lindgrens „Pippi Langstrumpf“, Erich Kästners „Emil und die Detektive“ oder Michael Endes „Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer“, nichts von ihrer Anziehungskraft verloren.
Eines der Bücher, die Birgit Hass besonders gerne vorliest, trägt den Titel „Rico, Oskar und die Kieferschatten“! Man ahnt es, ihr kleiner Lesehund hat seinen Namen vom gleichnamigen Vierbeiner aus einer Geschichte, die von einem hochbegabten und einem unterdurchschnittlich begabten Kind erzählt.
Wie ist Birgit Hass auf den Hund gekommen? „Ich bin zuhause immer mit Hunden aufgewachsen und mag Hunde. Erst später wurde ich durch meinen Beruf darauf aufmerksam, dass in den USA Hunde schon seit einigen Jahren erfolgreich in der Leseförderung eingesetzt werden“, erzählt sie.
Wenn Hass in Kindertagesstätten, Schulen, Stadtteilbüchereien oder auch im Medienhaus vorliest oder vorlesen lässt, stellt sie fest, dass ihr kleiner fröhlicher Vierbeiner für Vertrauen und Entspannung sorgt, „weil er den Charme eines Freundes und keine Vorurteile hat.“ Immer wieder stellt Hass fest, dass sich auch verschlossene und schüchterne Kinder in Ricos Gegenwart öffnen und Selbstvertrauen bekommen, wenn sie Rico vorlesen und ihm auch die Bilder einer Geschichte zeigen.
Bei der Leseförderung arbeitet Haas nicht nur mit Gruppen und Kindern. Auch die ehrenamtlich arbeitenden Lesepaten des Centrums für bürgerschaftliches Engagement (CBE) oder Kinder, etwa aus Zuwanderer- und Flüchtlingsfamilien, die einen besonderen Leseförderbedarf haben, kommen regelmäßig zu ihr ins Medienhaus am Synagogenplatz. Hier und in den Stadtteilbibliotheken bietet die Literaturpädagogin auch regelmäßig Bibliotheksführungen für Kinder an.

Carla Karotte erklärt alles zum Buch

Dann kommt nicht Rico, sondern ihre Handpuppe, Carla Karotte, zum Einsatz, mit der Haas zum Beispiel erklärt, wie man sich mit seiner Büchereikarte was in der Stadtbibliothek ausleihen kann oder dass Pommes und Limo in der Stadtbücherei gar nicht gut ankommen.
Jenseits ihrer literaturpädagogischen Kernarbeit muss Hass auch regelmäßig an ihrem Schreibtisch im Medienhaus Platz nehmen, um zum Beispiel Anfragen zu beantworten oder Veranstaltungskonzepte und Anträge zu schreiben, etwa für die Aktionstage, die sie regelmäßig zusammen mit den Stadtteilbibliotheksleitungen, ebenso anbietet, wie einen Junior-Leseclub, der während der Sommerferien stattfindet.
Zu den beruflichen Höhepunkten ihres Jahres gehören, daran lässt Hass keinen Zweifel, die Dienstreisen, die sie im März und Oktober zu den Büchermessen in Leipzig und Frankfurt führen. „Hier komme ich mit Autoren ins Gespräch und kann mir einen Überblick der Neuerscheinungen verschaffen. Das ist wirklich eine schöne Sache“, schwärmt die Literaturpädagogin. Und wenn sie mal nicht dienstlich unterwegs sein muss, zieht es Birgit Hass und ihren Mann in ihren Garten an der Folkenbornstraße oder in ihre Ferienwohnung nach Winterberg. Und Rico darf dann natürlich auch nicht fehlen.

Dieser Text erschien am 24. Juni in der Neuen Ruhr Zeitung

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