Dienstag, 31. Oktober 2017

Luther und den Heiligen sei Dank

Das ist ja ein Gefühl. wie Weihnachten. Und das auf der Schwelle vom Oktober zum November. Nicht nur in den Supermärkten machte sich gestern Hektik breit. Da wurde eingekauft, als gäbe es kein morgen mehr.

Wie gesagt: Ein Gefühl, wie Weihnachten, weil wir zwei Feiertag überleben müssen, ohne einzukaufen und von einem geschäftigen Termin zur nächsten Erledigung zu eilen. Mein Gott, wie sollen wir das überleben? „Nur keine unchristliche Hast“, pflegte meine Großmutter in solchen Momenten zu sagen. Und tatsächlich haben die beiden Feiertage, die uns besinnungslosen und konsum-gestressten Workaholics geschenkt worden sind, man glaubt es kaum, etwas mit dem Christentum zu tun. Nicht um Weihnachten und Ostern geht es da. Gab es denn noch was anderes? Pfingsten ist doch auch schon vorbei. Ach, ja: Der 500. Reformationstag und Allerheiligen stehen auf dem Kalender. 

Ökumenischer geht es nicht. Luther und den katholischen Heiligen sei Dank. Und nun stehen wir hier, wie einst Luther in Worms und können nicht anders, als uns in aller Freiheit eines Christenmenschen mal mit uns selbst zu beschäftigen und dabei herauszufinden, was uns wirklich gut tut.

Dieser Text erschien am 31. Oktober 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung

Montag, 30. Oktober 2017

Ausgeschlafen!?

In der Nacht vom Samstag auf Sonntag konnten wir unsere Uhr um eine Stunde zurückdrehen und so eine Stunde zurückgewinnen, die uns bei der Sommerzeit-Umstellung im März weg genommen wurde. Und was haben wir mit dieser Stunde gemacht. Wahrscheinlich haben wir sie verschlafen. Dabei müssten wir es doch besser wissen, seit uns Theo Mackeben 1938 in unser Liederbuch hineindichtete: „Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da. Die Nacht ist da, dass was geschieht!“

Dabei kann man nicht sagen, dass nichts in der Nacht geschähe, wenn man sie alleine oder zuzweit verschläft. Nicht umsonst verschlafen wir,  statistisch betrachtet ein Drittel unseres Lebens. Täten wir es nicht, hätten wir auch an den restlichen zwei Dritteln unseres Lebens nicht mehr viel Freude. Mangels Schlaf gingen wir als seelisches und körperliches Wrack zu grunde.

Und wenn man von Politikern und Managern hört, die sich rühmen, sie könnten ganze Nächte durch verhandeln und mit vier Stunden Nachtschlaf auskommen, wundert einen nichts mehr, wenn man unsere zuweilen geradezu hysterischen Zeitläufte und die kurzatmigen Entscheidungen  von Staats- und Wirtschaftslenkern morgens mit der Zeitung auf den Frühstückstisch geknallt bekommt.

Wenn Sie also, wie ich die ausgeliehene Stunde Samstagnacht verschlafen haben, seien Sie froh. Denn wer schläft sündigt nicht und schöpft neue Kraft für ausgeschlafene Ideen und Taten. Insofern würde man auch dem einen oder anderen Entscheidungsträger die eine odere Zeitumstellung, verbundenen mit einer zusätzlichen Stunde Schlaf wünschen, damit es für uns alle kein böses Erwachen gibt.

Dieser Text erschien am 30. Oktober 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung

Sonntag, 29. Oktober 2017

Eine ganz besondere Währung

Mir steckt ein evangelischer Pfarrer einen Geldschein zu. Das überraschte mich. Normalerweise wollen Pfarrer und ihre Helfer Geld bekommen. Der Klingelbeutel und die Kirchensteuer lassen grüßen. Aber wenn es einem guten Zweck und dem Seelenheil dienst. Doch halt. War da nicht vor 500 Jahren ein Mönch namens Martin Luther, der dem römischen Dombaumeister , Papst Julius II. klarzumachen versuchte, dass das Seelenheil  nicht käuflich sei.

Und während der Katholik noch darüber nachdenkt, wofür er den unerwarteten evangelischen Geldsegen verwenden könnte, sieht er auf der unerwarteten Banknote die rote Silhouette des Reformators und daneben eine dicke Null. Luther, eine Null? Und diese Botschaft aus der Hand eines evangelischen Pfarrer. Gott steh uns bei. Doch gleich über der roten Null stand der erhellende und erlösende Satz: „Gottes Gnade gibt es umsonst!“ Ob ich mit dieser Währung auch meinen Einzelhändler und meinen Vermieter erweichen kann? Doch während ich an der Kasse so vor mich hin sinniere und den mir noch fehlenden Cent suche, reicht ihn mir ein großzügiger Zeitgenosse von hinten an. Ich  danke und begreife den unbezahlbaren Wert der Herzenswärme.

Dieser Text erschien am 27. Oktober 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung

Samstag, 28. Oktober 2017

Integrationsrat zeichnet den Verein für Bewegungsförderung und Gesundheitssport aus

Oberbürgermeister Ulrich Scholten (links), Alfred Beyer vom VBGS
und die Vorsitzende des Integrationsrates, Emine Arslan.
Foto. Walter Schernstein
Alfred Beyer und sein Verein für Bewegungsförderung und Gesundheitssport (VBGS) werden in diesem Jahr mit dem Preis des Integrationsrates ausgezeichnet, Der Preis ist mit 400 Euro dotiert. »Das Geld können wir gut für Spiel und Sportgeräte gebrauchen«, freut sich Beyer.
Die Auszeichnung wird am 7. November im Haus der Stadtgeschichte vorgenommen. »Mit diesem Preis ehren wir besondere Verdienste für ein gedeihliches Miteinander und gegenseitige Integration«, betont die Vorsitzende des 24-köpfigen Integrationsrates, Emine Arslan. Diese Verdienste sieht sie auf Seiten des 1989 gegründeten VBGS und seines rührigen Vorsitzenden Alfred Beyer. Dort können viele Kinder aus Zuwandererfamilien und Familien der deutschen Ursprungsgellschaft gemeinsam Sport betreiben und sich so gegenseitig kennen- und schätzen lernen.


Anfängliche Berührungsängste überwunden

»Bei den Elternhäusern gab es anfangs Berührungsängste. Doch bei den Kindern spielen Handicap oder Herkunft keine Rolle«, berichtet Beyer aus seiner Sport-Praxis. An drei Tagen in der Woche bietet der Verein in der Schule an der Rembergstraße und in der Waldorfschule an der Blumendeller Straße Schwimmkurse und Bewegungsspiele an. Die Kurse und Spiele sind für Kinder und Jugendliche mit und ohne Handicap gedacht und leisten so eine doppelte Integrationsarbeit.

»Inzwischen sagen uns immer mehr Eltern: Wir lassen unsere Kinder gerne bei euch schwimmen und Sport betreiben, weil sie sich so spielerisch mit der Tatsache auseinandersetzen und anfreunden können, dass unsere Gesellschaft bunt- und das Anderssein in ihr normal ist«, freut sich Beyer über die Entwicklung der letzten Jahre. Inzwischen haben 50 Prozent der 180 VBGS-Mitglieder einen Zuwanderungshintergrund.


Ehrenamtliche werden gesucht und benötigt

Gemeinsam ist dem Vorsitzenden des VBGS und der Vorsitzenden des Integrationsrates aufgefallen, dass immer weniger Menschen bereit sind, sich ehrenamtlich zu engagieren, weil sie familiär und beruflich genug voll gefordert sind. Wer den VBGS oder den Integrationsrat mit seinen Fähigkeiten ehrenamtlich unterstützen möchte, erreicht Alfred Beyer unter der Rufnummer 0177-4456789 und Emine Arslan unter der Rufnummer: 0152/51476329. 

Dieser Text erschien am 25. Oktober im Lokalkompass & und in der Mülheimer Woche

Freitag, 27. Oktober 2017

Neues Hildegardishaus entsteht: Die Contilia setzt aus finanziellen und technischen Gründen auf einen Neubau statt auf einen Umbau

Das neue Fildegardishaus in einer Computeranimation der Contilia-Gruppe
Broich An der Kirchstraße haben die Bauarbeiten für das neue Hildegardishaus begonnen. Bauherr, Betreiber und Investor ist die Pflege- und Betreuungs GmbH der Contilia Gruppe. Ihr Geschäftsführer Thomas Behler geht davon aus, dass die Bauarbeiten im vierten Quartal 2018 abgeschlossen werden können.

Auf vier barrierefreien Etagen entstehen vier Wohngruppen mit 56 Einzelzimmern. Das Investitionsvolumen beziffert Behler mit sechs Millionen Euro. „Ein Neubau kommt uns am Ende nicht teurer und erleichtert eine moderne und barrierefreie Gestaltung des Hauses“, begründet der Geschäftsführer die Entscheidung gegen den ursprünglich geplanten Umbau des alten Hildegardishauses. So wird der Haupteingang des neuen Hildegardishauses an der Kirchstraße über eine Rampe ebenerdig erreichbar sein. Vor dem Haupteingang des alten Hildegardishauses musste man drei Stufen überwinden.

Thomas Behler schätzt, dass 60 Mitarbeiter im neuen Hildegardishaus tätig sein werden.

Im abgerissenen Hildegardishaus der katholischen Pfarrgemeinde St. Mariä Himmelfahrt, das zuletzt als Flühtlingsunterkunft genutzt worden war, wohnten bis 2014 44 Senioren. Sie zogen damals ins neue Contilia-Altenheim am Schloss Broich um. Damals hatte Contilia, die das Hildegardishaus seit 2009 betreibt, das Investitionsvolumen für den Neunbau am Schloss Broich und den damals noch geplanten Umbau an der Kirchestraße mit 10,2 Millionen Euro veranschlagt.

Seit 2016 betreibt die Contilia auch das Engelbertusstift an der Seilerstraße. Außerdem besorgte die Gruppe im Auftrag der Vereinigen August-Thyssen-Stiftungen die Verwaltung und das Management des Franziskushauses. Auch das Sankt-Marien-Hospital gehört zur Contilia-Gruppe.
1954 eröffnet

Die damalige Pfarrgemeinde Herz Jesu eröffnete das dreigeschossige Hildesgardishaus 1954. Anfangs fanden 20 Senioren dort ein Zuhause, das von Franziskamerinnen betreut wurde. Die Baukosten des Hauses wurden damals mit 180 000 Mark angegeben. Der Betrieb des Altenheims, das später zunächst 30 und dann 40 Bewohnern ein betreutes Heim verschaffte, wurde zu je einem Drittel von der Stadt, der katholischen Pfarrgemeinde Herz Jesu und dem Land NRW finanziert. Über zwei Jahrzehnte führten die Franziskanerinnen das Haus, ehe sie aus Altersgründen und mangels Ordensnachwuchs ihre Stellung räumen mussten. Die Pfarrgemeinde Herz Jesu wurde mit der katholischen Gemeindeumstrukturierung 2006 Teil-Gemeinde der Pfarrei St. Mariä Himmelfahrt. Sie trat damit ihre Eigentumsrechte am jetzt abgerissenen Hildegardishaus und dessen Grundstück an die neue Groß-Pfarrei Mariä Himmelfahrt ab, Die ließ das Hildegardishaus bis zum Betreiberwechsel 2009 von der Altenhilfe- und Betriebsgesellschaft St. Engelbert führen.

Die Contilia-Gruppe


2014 schlossen sich die Contilia GmbH und die katholischen Kliniken der Ruhrhalbinsel zur Contilia-Gruppe zusammen.  Die Gruppe beschäftigt 4500 Mitarbeiter in den Bereichen Gesundheit und Pflege. Sie betreibt sechs Krankenhäuser mit 1400 Betten, zu denen auch das 1887 gegründete St. Marien-Hospital gehört.  Darüber hinaus gehören elf Senioreneinrichtungen, stationäre wie ambulante Rehabilitationseinrichtungen und ambulante Pflegedienste zur Gruppe.

Dieser Text erschien am 27. Oktober in NRZ/WAZ


Donnerstag, 26. Oktober 2017

Das neue Prinzenpaar steht fest: Jürgen Wisniewski und Janine Müller aus der Karnevalsgesellschaft Blau Weiß trainieren schon für ihre Proklamation am 11.11. in der Stadthalle

Noch sehen Janine Müller und Jürgen Wisniewski aus, wie du und ich. Doch das ändert sich am 11.11. Denn dann schwingen sie als Stadtprinzessin und Stadtprinz das närrische Zepter.
Mit ihren Paginnen  Jennifer Kolkmann und Karina Pütz wollen sie unter dem Sessionsmotto: „Rund um die (R)uhr regiert die mölmsche Freude nur.“ für gute Laune sorgen.

Das Tollitätenteam der Session 17/18 kommt aus der KG Blau Beweiß. Jürgen Wisznewski und Janine Müller kennen sich seit vielen Jahren als Mitglieder des legendären Kostüm-Tisches 8. An diesem Tisch sitzt bei jeder Prunksitzung der KG-Blau Weiß im Altenhof ein im Mannschaftslook verkleideter Freundeskreis, zu dem auch ihr Hofmarschall Ulrich Pütz, SPD-Landtagsabgeordnete Hannelore Kraft und der Präsident der Roten Funken, Heino Passmann, gehören. Am letzten Karnevalssamstag sorgten sie dort als Schlumpf-Familie für Spaß an der Freude.

„Wir sind gesellige Menschen und feiern gerne“, sagen Wisznewski und Müller über sich selbst.

Zusammen mit ihren Hofmarschall und ihren Paginnen bereiten  sich die kommenden Tollitäten seit Aschermittwoch auf ihre närrischen Pflichten vor. Da wird an der Proklamation und an einem Bühnenprogramm gebastelt. Doch verraten wollen Janine Müller und Jürgen Wisniewski noch nichts. „Es soll ja eine Überraschung für die Jecken werden, die am 11. November um 19.30 Uhr zu unserer Proklamation in den Festsaal der Stadthalle kommen“, betonen der Elektro-Ingenieur und die Mitarbeiterin eines Maler- und Anstreicher-Familienbetriebs. Und sie fügen hinzu: „Es wird sich für alle lohnen.“

Auch wenn sich der Noch-49-Jährige und die 42-Jährige „darauf freuen, den Karneval jetzt mal aus einer ganz anderen Perspektive kennenzulernen“, geben sie zu, dass sich in den letzten Tagen bei ihnen schon etwas Lampenfieber breit macht.

„Wir haben beide Ehepartner, die selbst gerne Karneval mit der KG Blau Weiß feiern und uns in der Session den Rücken freihalten werden, aber keine Lust haben, auf der  Bühne zu stehen“, erzählt Jürgen Wisniewski.

Auch Hofmarschall Ulrich Pütz, zuletzt Leiter des Rosenmontagszuges, wird dem Stadtprinzenpaar den Rücken freihalten und den Weg freimachen. „Bisher haben wir 150 Termine in unserem Kalender. Aber es können noch mehr werden“ sagt Pütz.
Janine Müller hat bereits als Mädchen in der Tanzgarde einer Oberhausener Karnevalsgesellschaft erste Bühnenerfahrungen gesammelt. Und Jürgen Wisniewski ist nicht nur in der Karnevalsgesellschaft Blau Weiß, sondern auch im Fußballverein TSV Broich 85 zuhause.

Der neue Präsident des Hauptausschusses Groß-Mülheimer Karneval, Markus Uferkamp, freut sich, dass auch in dieser Session VW Wolf als Sponsor für das Prinzenmobil gewinnen konnte.
„Wir sind organisatorisch gut aufgestellt“, sagt Ex-Prinz Uferkamp über die 1500 Aktive zählende Gemeinschaft der Mülheimer Karnevalisten, die sich in 13 Gesellschaften organisiert.

„Obwohl sich die 2001 gegründete KG Düse aufgelöst hat, konnten wir inzwischen mit der KG  Ander, als eine neue Gesellschaft aufnehmen, die unter anderem mit einer integrativen Tanzgruppe und einem Musikzug auftreten wird“, berichtet der Geschäftsführer des Hauptausschusses, Hans Klingels, den Stand der närrischen Dinge. Die neue Gesellschaft hat, laut Klingels, aktuell 36 Mitglieder und wird vom Wagenbauer Jörg Schwebig angeführt.

Dieser Text erschien am 21. Oktober 2017 in der NRZ und in der WAZ

Mittwoch, 25. Oktober 2017

Vor und hinter den Kulissen

Gehören Sie auch zu den Menschen, die ihren Lebensunterhalt im Schweiße des eigenen Angesichtes und unter Verdrehung ihrer grauen Zellen verdienen.

Ich glaube, wir haben einen Fehler gemacht. Wir hätten bei Zeiten zum Film oder in die Werbung gehen sollen. Dort sind die Menschen immer gut gelaunt und lassen sich auch von so profanen Dingen, wie    Arbeit nicht von den schönen Dingen des Lebens abhalten.  Sie fahren mit ihrem neuen Auto über leere Straßen. Sie schlemmen, naschen und trinken, ohne dass sich ihr Vorzeige-Körper dadurch verformen würde. Sie genießen das süße Leben, bestens gekleidet und immer makellos frisiert an den schönsten Orten der Welt. Und auch ihre Familienangehörigen strahlen um die Wette und sind immer gut drauf.


Und wir? Wir ärgern uns in den Niederungen des Alltagslebens über seine menschlichen und materiellen Widrigkeiten. Und dabei sehen wir oft ganz schön alt aus und gucken dumm aus der alles andere als porentief reinen Wäsche. Was haben wir falsch gemacht? Nichts! Es sei den, wir verwechseln Schein und Sein und vergessen: Wenn der Film endet, wird abgeblendet. Der Rest ist Schweigen und Dunkelheit.

Dieser Text erschien in der Neuen Ruhr Zeitung vom 25. Oktober 2017

Dienstag, 24. Oktober 2017

Von den Ostruhranlagen zum Ruhrquartier: Ein Zeitsprung

Eine Postkartenansicht aus dem Stadtarchiv
Mülheim an der Ruhr (www.stadtarchiv-mh.de)
Wo heute mit Blick auf die Ruhr im neuen Ruhrquartier gegessen, getrunken, gewohnt und gearbeitet wird, flanierten die alten Mülheimer um 1916 durch die  Ostruhranlagen, die 2008 den Baggern und Neubauten an der neuen Ruhrpromenade weichen mussten. Eine historische Postkarte aus dem Stadtarchiv gibt den Blick auf damals gerade erst fertig gestellte Rathaus frei.
Zu Kaisers Zeiten grüßten in den Ostruhranlagen noch Kaiser Wilhelm I., Reichskanzler Otto von Bismarck und Königin Luise von einer Büste sie Spaziergänger.

Dass man ab 1879 auf die Idee kam, an der Ruhr parkähnliche Grünanlagen zu schaffen, haben wir der Weitsicht des damaligen Bürgermeisters Karl von Bock- und Pollach zu verdanken, der eben diese Idee mit dem von ihm angeführten Verschönerungsverein durchsetzte.

Das ausgerechnet dort, wo bis in die 1870er Jahre hinein Kohlenschiffe entladen wurden, Grünanlagen entstanden, war ein Zeichen  des Strukturwandels. Denn mit dem Aufstieg der Eisenbahn in den 1860er Jahren begann der Niedergang der Kohlenschifffahrt auf der Ruhr.
Die Mülheimer machten aus ihrer Not eine Tugend und schufen sich am Ruhrufer einen Freiraum für ihre Freizeitgestaltung und Naherholung. Denn an Urlaubsreisen in ferne Länder konnte Otto Normalbürger zu Kaisers Zeiten nicht denken.

„Der Zweck der Ruhranlagen ist ihrer Lage nach im am engsten bebauten Stadtteil und so ungefähr in der Mitte der Stadt ist zweifellos möglichst vielen Menschen Erholung durch Spaziergänge im Grünen zu verschaffen“, schrieb denn auch 1914 die Mülheimer Zeitung.

Dieser Text erschien am 23. Oktober 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung

Montag, 23. Oktober 2017

Erinnerung an Heinz Oskar Vetter: Der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Hans-Böckler-Stiftung ehrten den ehemaligen DGB-Bundesvorsitzenden und Europaabgeordneten mit einer Veranstaltung in der Stadthalle

Elmar Brok
Am Samstag wäre der langjährige DGB-Chef und Europaabgeordnete Heinz-Oskar Vetter 100 Jahr alt geworden. Mit einer Gedenkveranstaltung in der Stadthalle machten der Deutsche Gewerkschaftsbund und seine Hans-Böckler-Stiftung (HBS) deutlich, dass das Erbe des 1990 in seiner Wahl-Heimat Mülheim gestorbenen Gewerkschafters und Europapolitikers auch heute inspirierend und wegweisend wirken kann.

Michael Guggemos, Sprecher der HBS-Geschäftsführung erinnerte daran, dass es der DGB-Chef Heinz Oskar Vetter, war, der ins seiner Amtszeit (1969 bis 1982) die Gründung der Hans-Böckler-Stiftung durchsetzte, um die Gewerkschaftsarbeit vor allem im Bereich der betrieblichen Mitbestimmung wissenschaftlich zu begleiten und Begabte mit Stipendien zu fördern.
„Vetter war davon überzeugt und arbeitete dafür, dass Unternehmen nicht nur der Gewinnmaximierung dienen, sondern auch einen gesellschaftlichen Zweck erfüllen, in dem sie einen Beitrag zur einer guten und gerechten Gesellschaft leisten müssen“, sagte Guggemoos. In Vetters Geist, so Guggemos, arbeite die Hans-Böckler-Stiftung derzeit zusammen mit Wissenschaftlern der Universitäten St. Gallen und St. Georgen an Modellen für eine demokratischere und sozial gerechtere Wirtschaftspolitik in Zeiten der Globalisierung,

Der Christdemokrat Elmar Brok, der seit 1980 dem Europäischen Parlement angehört und den 1979 ins Europäische Parlament gewählten Sozialdemokraten Heinz Oskar Vetter (bis 1989) als Parlamentskollegen kennengerlernt hat, erinnerte daran, dass sich Vetter bereits damals um das Thema Migration gekümmert und 1987 vorschlug, einen europäischen Marshall-Plan zu initiieren, um eine massenhafte Armuts-Flucht nach Europa zu verhindern.

„Seine Forderung“, so Brok, „ist heute aktueller denn je. Wir brauchen einen europäischen Marshallplan für Afrika. Sonst werden wir eine drohende Völkerwanderung nicht bewältigen können.“ Außerdem plädierte der Chef der christdemokratischen Arbeitnehmerschaft in Europa für gleiche Löhne und Sozialstandards in der Europäischen Union, „damit sich die Menschen in der EU zuhause fühlen.“ Mit Sorge sieht Brok, „dass heute bereits 50 Prozent der ostdeutschen Unternehmen aus der Tarifvertragsbindung ausgestiegen sind.“

Reiner Hoffmann, der als DGB-Chef seit 2014 Vetters mittelbarer Nachfolger ist, erinnerte an dessen Verdienste beim Auf- und Ausbau der parteiunabhängigen Einheitsgewerkschaften und bei der 1976 durchgesetzten Ausdehnung der betrieblichen Mitbestimmung auf alle Kapitalgesellschaften.
Hoffmann erinnerte daran: „Vetter wusste, dass die Richtungsgewerkschaften der Weimarer Republik zu schwach waren, um 1933 ihre Zerschlagung durch die Nationalsozialisten zu verhindern. Deshalb hütete er die Einheitsgewerkschaften, wie seinen Augapfel und verhinderte, dass die christlich-sozialen Kräfte im DGB nicht übergangen und marginalisert wurden.“
Doch mit Blick auf seine Jugend im Nationalsozialismus und den Untergang der gewerkschaftseigenen Neuen Heimat in seinen letzten Jahren als DGB-Chef machte Hoffmann auch deutlich, dass Vetters Biografie Schatten und Brüche hatte.
„Auch wenn Vetter als DGB-Chef die kriminellen Machenschaften bei der Neuen Heimat konsequent aufklären ließ und dafür sorgte, dass die Mutschuldigen zur Rechenschaft gezogen wurden, warf der Skandal um die Neue Heimat einen langen Schatten auf Vetters Amtszeit als DGB-Vorsitzender“, unterstrich Reiner Hoffmann.

Dieser Text erschien am 23. Oktober 2017 in der NRZ und in der WAZ

Sonntag, 22. Oktober 2017

Ein Mann für jede Tonart: Otto Spindler ist Musiker mit Leib und Seele, ob als Jazztrompeter auf der Club-Bühne, im Tanzlokal oder als Wachtmeister mit Pickelhabe an der Drehorgel

Otto Spindler in Aktion
Zweimal im Monat, meistens montags und mittwochs steht Otto Spindler mit seiner Drehorgel auf der Schloßstraße oder am Kurt-Schumacher-Platz.

„Ich habe mich für diese Tage entschieden, weil ich dann den Markthändlern nicht in die Quere komme“, erzählt der 79-Jährige. Mit seiner Drehorgel und seiner Trompete tourt er regelmäßig durch die Städte an Rhein und Ruhr, um seine Rente aufzubessern. „Bräuchte ich das Geld nicht, würde ich trotzdem hier stehen und spielen. Denn ich bin Musiker und das macht mir hier einfach Freude“, sagt Spindler.

Wenn der Reisende in Sachen Musik mit seiner in Dinkelsbühl gebauten 26-Pfeifen-Drehorgel oder an seiner Trompete los legt, kommt nicht nur bei ihm Freude auf. Menschen aller Generationen bleiben stehen und lassen einen Euro oder 50 Cent in die kleine Schale fallen, die Spindler neben  einem Plüschaffen auf seiner Drehorgel stehen hat.
Ein kleines Mädchen lässt er bei „Alle Vögel sind schon da!“ einige Takte mitkurbeln. 300 Lieder hat Spindler im  Repertoire. Da ist für jeden Geschmack und jede Jahreszeit etwas dabei. Das kleine Mädchen strahlt über das ganze Gesicht und auch Spindler hat sichtlich seinen Spaß.
Ein Ehepaar mittleren Alters bleibt stehen und hört sich „Das gab’s nur einmal. Das kommt nicht wieder.“ an. „Das hat einfach was Anheimelndes an sich und erinnert einen an die gute alte Zeit“, sagt der Mann. Nicht nur Lieder, wie: „Davon geht die Welt nicht unter. Sie wird ja noch gebraucht“, stimmen eine nostalgische Note an. Auch Zindlers Outfit, die kaiserblaue Uniform eines kaiserlich-königlichen Polizeibeamten (samt Pickelhaube) entführen seine Zuhörer und Zuschauer für einen Augenblick aus ihrer geschäftigen Umtriebigkeit in eine vermeintlich gute alte Zeit, in der alles etwas ruhiger vonstatten ging.

Wenn Spindler zu seiner Trompete greift, merkt man: Der Mann kann auch swingen. Kein Wunder. Seit 55 Jahren jazzt er, der in Berlin geboren wurde, in Hamburg aufwuchs, dort mit Uwe Seeler in einer Jugendmannschaft des HSVs kickte und in den 60er Jahren der Liebe wegen nach Düsseldorf kam, durch die Region. „Entweder trete ich mit meiner Drehorgel und meiner Uniform auf, die ich in einem Kostümverleih in Korschenbroich erworben habe oder ich spiele mit meiner Band Jazz mit Schmackes in Clubs und bei anderen Gelegenheiten“, erzählt Spindler.
Vor der großen Disco-Welle war der gelernte Industriekaufmann in den 60er und frühen 70er Jahren mit einem großen Tanzorchester unterwegs. „Damals hatten wir sogar Monatsverträge  mit den entsprechenden Cafes, Restaurants und Hotels“, erinnert sich Spindler an seine gute alte Musiker-Zeit, in der er seinen ungeliebten kaufmännischen Job bei einem großen Ölkonzern hinter sich gelassen hatte.

Auch wenn das seinen Rentenansprüchen nicht gut getan hat, bereut er diese Lebenswende nicht. Heute hangelt sich der glücklich verheiratete Mann an der Orgel und mit der Trompete von einem Auftritt zum nächsten. Ein Erfolgserlebnis ist es für ihn, wenn er, wie an diesem sonnigen Oktobertag in der Mülheimer City nicht nur manchen Euro einspielen kann, sondern auch von Leuten angesprochen wird, die ihn für eine Weihnachtsfeier, einen Geburtstag oder eine Hochzeit buchen wollen. Da swingt das Herz des alten Jazz-Musikers.

„Wenn ich heute im Lotto gewinnen würde, würde ich trotzdem als Straßen- und Bandmusiker weitermachen. Denn mit Musik kann man Menschen glücklich machen und das macht mich selbst glücklich, weil ich bei Musizieren nur von gut gelaunten Menschen umgeben bin“, betont Spindler.

Würde er denn auch als musizierender Lotto-Millionär um eine milde Gabe des wohlwollenden Publikums bitten?

„Na, klar. Dann würde ich eben eine Spendendose für die Diakonie oder das Deutsche Rote Kreuz aufstellen“, sagt der freundliche Herr in der preußischen Polizeiuniform und erinnert seinen Zuhörer daran: „Es dauert noch ein paar Jahre. Und dann sind wir die gute alte Zeit!“

Dieser Text erschien am 21. Oktober 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung

Freitag, 20. Oktober 2017

Das Cafe Ziegler: Ein Jugendzentrum in der Schule

Cafe Ziegler. Das hört sich nach einer Mensa an. Doch die hat das Karl-Ziegler-Gymnasium bereits. Immerhin ist die nach dem Mülheimer Chemie-Nobelpreisträger des Jahres 1963 benannte Schule seit acht Jahren Ganztagsschule und arbeitet in diesem Bereich mit der Caritas zusammen.
Doch jetzt gibt es gleich neben der Mensa an der Schulstraße das Cafe Ziegler. Die von der Sozialpädagogin Lisa Gliem und ihrem Kollegen Thorsten Lersch betreute Einrichtung will im Rahmen der Schule jetzt auch offene Kinder- und Jugendarbeit leisten. „Das bedeutet mehr Arbeit, die wir aber gerne leisten, um unsere Schule zu einem Lern- und Lebensort zu machen“, sind sich Schulleiter Martin Teuber und Ganztagskoordinator Jens Schuhknecht einig.

Eine Befragung der Schüler hat bereits erste Projekte im Cafe Ziegler entstehen lassen: Da wird Theater gespielt, getanzt, Ausflüge geplant, gebastelt oder gemeinsam gespielt und gekickert. Das Cafe Ziegler wird montags bis freitags (ab 11.30 Uhr für alle Karl-Ziegler-Schüler und von 13.30 Uhr bis 19 oder 20 Uhr für alle interessierten Kinder und Jugendliche geöffnet sein.

Ergänzung statt Konkurrenz

„Wir haben klare Regeln, wollen den Besuchern keine Vorgaben machen, sondern auf ihre eigenen Bedürfnisse und Ideen eingehen“, betonen Lisa Gliem und Thorsten Lersch. Ist das neue Cafe Ziegler eine Konkurrenz für das Jugendzentrum Stadtmitte an der Georgstraße? „Man wird sehen, wie sich das entwickelt“, sagt Richard Grohsmann vom Jugendzentrum Stadtmitte. Gerne erinnert er sich aber an gemeinsame Projekte mit der Karl-Ziegler-Schule, wie etwa einen Ausflug in den Duisburger Landschaftspark Nord. Daran könne und solle man anknüpfen. Karl-Ziegler-Lehrer Jens Schuhknecht will nicht von Konkurrenz sprechen, sondern sieht das Cafe Ziegler als ein ergänzendes Freizeitangebot für Kinder und Jugendliche, die bisher den Weg in kein Jugendzentrum gefunden haben.

„Man muss verstärkt in diese Richtung denken, weil man davon ausgehen kann, dass alle weiterführenden Schulen auf Dauer Ganztagsschulen werden“, sind sich der Schuldezernent Ulrich Ernst und Mülheims Bundestagsabgeordneter Arno Klare einig. Klare verweist in diesem Zusammenhang auf das wegweisende Beispiel englischer Schulen, die sich schon lange zu einem umfassenden Lern- und Lebensraum für Kinder und Jugendliche entwickelt hätten. Schülersprecher Sebastian Kawelke hofft, "dass das Cafe Ziegler das Schulleben entspannter, kreativer und angenehmer machen wird."

Finanzierung zunächst nur für 3 Jahre

Bei aller Freude über die Eröffnung des Cafe Ziegler bleibt allerdings ein kleiner 
Wehrmutstropfen. Denn das aus Mitteln des Landes, der Caritas und der Mülheimer Entsorgungsgesellschaft finanzierte finanzierte Jugendzentrum im Gymnasium an der Schulstraße, ist zunächst nur ein Modellprojekt, das Ende 2019 auslaufen wird. Doch Ulrich Ernst und der leitende Schul- und Sozialarbeiter der Caritas, Georg Jöres, zeigten sich bei der Eröffnung zuversichtlich, dass das Cafe Ziegler so erfolgreich sein werde, dass es auch nach 2019 eine Zukunft haben werde.

Entscheidend für eine dauerhafte Finanzierung dürften die Ergebnisse der Jugendforscher von der Universität Dortmund sein, die die Arbeit des offenen Jugendzentrums bis 2019 wissenschaftlich begleiten und auswerten.


Dieser Text erschien am 15. Oktober 2017 im Lokalkompass & in der Mülheimer Woche 

Mittwoch, 18. Oktober 2017

Kuschelkurs im Vorbeigehen

Eine elegante Dame geht mit ihrem kleinen Hund über die  Schloßstraße. Sie lässt das Wollkneul auf vier Beinen an der langen Leine laufen. Ihr Liebling nutzt die Gunst der Stunde und zieht sein Frauchen in die Richtung eines Mannes mit Bierflasche und Sportkappe, Typ Schwiegermutter-Schreck. Frauchen zieht die Leine an. Doch es ist schon zu spät. Ihr Liebling hat das Ziel seiner Begierde erreicht und lässt sich von dem Mann mit der Bierflasche kraulen, was das Zeug hält. Der Zweibeiner, der schon bessere Tage gesehen hat und der Vierbeiner, der sich einfach pudelwohl fühlt, haben sichtlich Freude an den Streicheleinheiten im Vorbeigehen.
Nur das Frauchen schaut noch etwas skeptisch, ob des plötzlichen Schmusekurses ihres Pfiffis.

Erst nachdem dieser sein Kuschelquantum intus hat, verabschiedet er sich von seiner Zufallsbekanntschaft und Frauchen kann weiter gehen. Eigentlich ist es doch hundsgemein, dass wir Zweibeiner uns von der langen Leine unserer Vorurteile immer wieder vom Wesentlichen abhalten lassen.

Dieser Text erschien am 18. Oktober 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung

Dienstag, 17. Oktober 2017

Erich Kästner hatte wohl doch recht

Wo bleibt das Positive? Das fragte sich schon Erich   Kästner und antwortete mit der Gegenfrage: „Weiß der Teufel, wo das bleibt?“ Warum so negativ? Es  ist alles eine Frage der Perspektive. Ich hätte es als schlechte Nachricht lesen können, dass die Abfallgebühren leicht steigen. Aber ich kann mich auch darüber freuen, dass die Abfallgebühren nur leicht und nicht massiv ansteigen. Und wenn sich jetzt auch noch die FDP mit ihrer Forderung durchsetzen sollte, den Solidaritätszuschlag Ost auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen, kommt am Ende durch die Verrechnung mit der so erzielten Steuerentlastung vielleicht sogar noch eine schwarze Null heraus.

Aber ich befürchte, dass meine Nachbarn, die trotz mehrfacher Aufklärungsversuche, mit der Mülltrennung und Müllvermeidung auf Kriegsfuß stehen, in diesem Punkt nicht solidarisch genug sein werden, damit die Querfinanzierung Abfallgebühren statt Solidaritätszuschlag am Ende aufgehen wird. Weil dem Kämmerer bei seiner Haushaltsplanung das Wasser bis zum Hals steht, werden wir wohl auch bei den Abwassergebühren am Ende noch einen Solidaritätszuschlag berappen müssen, auch wenn wir den Solidaritätszuschlag Ost los werden sollten. Ich befürchte, Erich Kästner hatte wohl doch recht.

Dieser Text erschien am 17. Oktober 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung

Montag, 16. Oktober 2017

Die Heinrich-Thöne-Volkshochschule an der Bergstraße: Ein Zeitsprung

Die VHS kurz nach ihrer Eröffnung im Jahr 1979
Foto: Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr
Die Volkshochschule an der Bergstraße steht nicht zum ersten Mal im Mittelpunkt politischer Kontroversen, seit sie aus brandschutztechnischen Gründen geschlossen ist.
Das historische Bild zeigt sie im September 1979. Damals lag ihre Eröffnung am 24. August 1979 gerade mal einen Monat zurück. Schon damals war ihr Bau und seine Kosten von 14,5 Millionen Mark (das wären heute etwa 7,25 Millionen Euro) ebenso umstritten, wie sein Name.

Die SPD hatte mit ihrer damaligen absoluten Mehrheit den Bau der VHS und ihre Benennung nach dem langjährigen sozialdemokratischen Oberbürgermeister Heinrich-Thöne gegen den Widerstand von CDU und FDP durchgesetzt.

Die VHS bestand 1979 genau 60 Jahre. Ihre Kurse fanden bis dahin in Schulräumen und dann auch im restaurierten Schloss Broich statt. Mit ihrer modernen, terrassenförmigen Architektur war die neue Volkshochschule, die damals von Norbert Greger geleitet wurde, ein Kontrapunkt zum alten Schloss Broich, dessen Ursprung bis ins 9. Jahrhundert zurückreicht.

Die Befürworter der neuen VHS, allen voran der damalige Oberbürgermeister Dieter aus dem Siepen und der damalige NRW-Kultusminister Jürgen Girgensohn, sahen den ambitionierten VHS-Bau an der Bergstraße, als Beitrag für eine breite Weiterbildungsbewegung und als einen Beitrag zur Hebung der Lebensqualität.

Tatsächlich sollte die VHS, die im Wintersemester 1979/80 700 Kurse für 1700 Teilnehmer anbieten konnte nicht nur zu einem Haus der Erwachsenenbildung, sondern mir ihrem Forum auch zu einem beliebten Veranstaltungsort und Treffpunkt werden. 

Dieser Text erschien am 16. Oktober 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung

Sonntag, 15. Oktober 2017

Der Handfeste: Markthändler Martin Henninghaus (36) ist ein hart arbeitender Familienmensch, der seinen Arbeitsplatz in der Innenstadt aber trotz mancher Zumutungen auch künftig auf keinen Fall missen möchte.

Martin Henninghaus an seinem Marktstand
Für Martin Henninghaus beginnt der Tag früh. Um 3.30 Uhr klingelt der Wecker. Und dann muss es auch schon schnell gehen. Sein erstes Frühstück besteht aus einem Glas Milch und einem Plätzchen. „Mein zweites Frühstück, Brötchen mit Aufschnitt, nehme ich schon an unserem Stand ein“, berichtet der 36-jährige Familienvater und Markthändler. Bevor er zusammen mit Mutter Maria, Vater Theo und Verkäuferin Marlies seinen Obst- und Gemüsestand um 6 Uhr vor dem Medienhaus am Synagogenplatz aufbauen kann, muss er mit seinem 7,5-Tonner erst mal zum Großmarkt und anschließend zu einigen Landwirten aus der Region.

„Vor sechs Jahren haben wir den eigenen Anbau aufgegeben und unsere Felder verpachtet, weil sich das in unserer Größenordnung und zusammen mit unserem Marktstand nicht mehr gerechnet hat“, erzählt Henninghaus.

Schon mit 14 hat er zusammen mit seinem Bruder Theo den Eltern auf dem Markt geholfen. Damals schlug Familie Henninghaus ihren Stand noch auf  dem Rathausmarkt auf.

Drastischer Wandel

„Als meine Großeltern 1948 auf dem Rathausmarkt ihren Stand für Obst, Gemüse, Kartoffeln, Blumen und Eier erstmals aufschlugen, standen sie dort 40 bis 50 Kollegen. Als ich mit 14 Jahren erstmals meinem Vater half, gab es dort noch 20 bis 30 Händler. Heute stehen wir mit neun Kollegen an der Schloßstraße und auf dem Synagogenplatz. Früher gab es einfach noch mehr nicht berufstätige Hausfrauen, die morgens auf dem Markt einkauften, um mittags ihre Familie zu bekochen“, schildert Martin Henninghaus die Entwicklung des Marktes, während er einer Stammkundin Bananen, Orangen und Äpfel in die Einkaufstasche packt.

„Wir leben von unseren Stammkunden und kämpfen mit Frische, Freundlichkeit Qualität um unsere Zukunft“, sagt Henninghaus. „Lern was anderes. Der Markt hat keine Zukunft“, hat ihm sein Vater schon vor 20 Jahren gesagt. Doch Totgesagte leben länger. Henninghaus hat eine Gärtnerlehre gemacht und zwischenzeitlich im Zentrallager eines großen Einzelhändlers gearbeitet. „Doch da ist man nur ein Herr Xy. Hier kennt man seine Kunden und arbeitet im Familienverband für sich selbst“, erklärt Henninghaus, warum er beruflich am Ende doch in die familiären Fußstapfen getreten ist. Auch sein zehnjähriger Sohn Markus hilft jetzt schon mal mit und ist an Papas Arbeit rege interessiert. Doch ob Markus Henninghaus eines Tages den Familienbetrieb, der immer noch von Großvater Theo geführt wird, eines Tages in die vierte Generation führen wird, mag sein Vater Martin beim besten Willen nicht vorherzusagen.

Der Markthändler hat einen harten Arbeitstag, vor allem, wenn das Wetter  mit Regen, Sturm und Schnee einen Strich durch die Rechnung macht. „Doch die Kunden erwarten, dass man da ist“, weiß Henninghaus. Er kennt seine zum Teil langjährigen Stammkunden mit Namen und oft auch mit ihrer Geschichte. An seinem Stand wird nicht nur über Obst, Gemüse und Preise, sondern auch über Fußball, Krankheiten und schöne Familienereignisse gesprochen.

Wenn Familie Henninghaus um 13.30 Uhr ihren Marktstand abbaut, geht es nach Hause. Dann wird der LKW geleert. Was noch frisch und unverkauft geblieben ist, kommt ins Kühlhaus und bekommt am nächsten Tag eine zweite Chance. „Freitags und samstags sind unsere besten Tage und wenn dann noch die Sonne scheint, lacht das Herz“, sagt Henninghaus.

Wie könnte die Stadt helfen?

Und was könnte die Stadt tun, damit sein Herz und das seiner Markt-Kollegen noch öfter lacht? „Die Stadt hat den Marktbetrieb 2016 an die Deutsche Marktgilde vergeben, die zunächst auch einige neue Händler für den Markt gewonnen hatte. Die sind inzwischen aber wieder abgesprungen.  Für uns Markthändler wäre die Eigenregie des Wochenmarktes an der Schloßstraße auf jeden Fall besser und preisgünstiger“, betont Henninghaus. Aufgrund der Laufkundschaft an der oberen Schloßstraße kommt für Henninghaus und seine Kollegen eine Rückkehr zum Rathausmarkt nicht mehr in Frage, „weil die Ecke da unten tot ist.“ Als Unterstützung für den Wochenmarkt empfände es Henninghaus auch, wenn der Weihnachtstreff den Wochenmarkt nicht mehr verdrängen, sondern an der unteren Schloßstraße ein dauerhaftes Quartier finden würde.

Und wo ist der bodenständige und handfeste Markthändler jenseits der Marktzeiten in der City unterwegs?
„Einmal pro Woche trainiere ich ehrenamtlich eine Bambini-Fußballmanschaft. Außerdem bin ich aktiver Schützenbruder und treffe mich einmal in der Woche mit einem generationsübergreifenden Kreis von Skatbrüdern“, erzählt Martin Henninghaus.

Gleich nach Feierabend schaltet er täglich sein Handy aus und geht eine Stunde lang mit seiner Labrador-Hündin Mandy im Wald spazieren. „Das tut gut und macht den Kopf frei“, sagt der Markthändler. Längere Urlaubsreisen kann sich der Händler nicht leisten. Stattdessen unternimmt er mit seiner Frau Melanie und seinen Kindern Kindern Markus, Michelle und Milinda ein bis zwei Kurzreisen pro Jahr. Und auch wenn das Schützenfest gefeiert wird, nimmt sich der Markthändler eine kurze Auszeit, „in der ich mal auf ganz andere Gedanken kommen kann.“

Dieser Text erschien am 14. Oktober 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung

Samstag, 14. Oktober 2017

Die lange Leidensgeschichte der Homosexuellen 123 Jahre war Homosexualität strafbar: Jürgen Müller beleuchtete jetzt die Verfolgung während der NS-Zeit

Dr. Jürgen Müller
Foto: privat
Seit dem 1. Oktober können homosexuelle Paare auch Ehepaare werden. Kaum zu glauben, dass Homosexualität 123 Jahre lang (bis 1994) unter dem „Unzuchts“-Paragfen 175 im Strafgesetzbuch kriminalisiert wurde. Im Haus der Stadtgeschichte beleuchtete Jürgen Müller von der NS-Dokumentationsstelle in Köln jetzt die Verfolgung, die schwule Männer auch in Mülheim während des Dritten Reiches erlitten.

Die Nazis verschärften den Paragrafen 175 im Jahr 1935 dahingehend, dass nicht nur „beischlafähnliche“ Homosexualität“, sondern auch schon „ein wollüstiger Kuß zwischen Männern“ mit mehrmonatigen Gefängnisstrafen geahndet wurde. Viele Männer verloren ihre Existenz, wie etwa Müllers Beispiel eines Juristen zeigte, dem seine Antwaltszulassung entzogen wurde und der aus der Not heraus fortan als Portier arbeiten musste. Die von Müller recherchierte Aktenlage des in Düsseldorf ansässigen Homosexuellen-Referates der Geheimen Staatspolizei, zeigt, dass sich viele homosexuelle Männer in den großen Nachbarstädten Essen und Duisburg trafen. Bevorzugte Treffpunkte waren die Hauptbahnhöfe, öffntliche Toiletten, Parks, Badeanstalten und einschlägige Lokale. Wer unter dem Verdacht der Homosexualität von der Gestapo verhaftet wurde, musste damit rechnen, gefoltert zu werden.

Noch schlimmer erging es männlichen Prostituierten. Wurden sie von der Gestapo zweimal wegen homosexueller Prostitution verhaftet, wurden sie sofort in ein Konzentrationslager eingeliefert oder sogar zum Tode verurteilt. Jürgen Müller hat interessanterweise herausgefunden, dass lesbische Frauen, anders alls schwule Männer, von den Nazis nicht verfolgt wurden.
Seine Erklärung dafür lautet: „Das lag daran, dass die Nazis Frauen keine eigenständige Sexualität zubilligten und auch lesbische Frauen weiterhin Kinder gebären konnten.“ Lesbische Frauen wurden allerdings öffentlich als „asozial“ gebrandmarkt und konnten ihre Liebe nur heimlich leben.

Dieser Text erschien am 14. Oktober 2017 in NRZ/WAZ

Freitag, 13. Oktober 2017

75 Jahre nach ihrem Abitur erinnern sich Raymund Krause (93) und sein Schulfreund Willi Beißel (94) erinnern sich an ihre Kindheit und Jugend unter dem Hakenkreuz

Auch 75 Jahre nach ihrem Abitur treffen sich Raymund Krause (links)
und Willi Beißel noch regelmäßig im Stadtcafé Sander am Kohlenkamp.
Auch 75 Jahre nach ihrem Abitur treffen sich die Schulfreunde Raymund Krause und Willi Beißel regelmäßig im Stadtcafé Sander. „Es ist eine andere Stadt“, sagen sie über das Mülheim ihrer frühen und ihrer späten Tage.

Beide sind Lehrersöhne. Raymunds Vater unterrichtete an den Volksschulen an der Eduard- und an der Mellinghofer Straße. „Ich habe als Junge an der Mellinghofer Straße Fußball gespielt. Autos kamen nur selten vorbei“, erinnert sich der pensionierte Richter Raymund Krause. Heute sind alle seine ehemaligen Spielplätze bebaut. In ihrer Freizeit nahmen Willi und Raymund wie selbstverständlich an den Geländespielen, an den Ausflügen und an den Heimabenden des Jungvolks und der Hitler-Jugend teil. Politik war für sie kein Thema. Jungen und Mädchen wurden getrennt unterrichtet und konnten sich so nur auf ihrem gemeinsamen Schulweg näher kommen.

„Mein Vater war Rektor an der Saarner Klostermarktschule, ehe er nach Selbeck strafversetzt wurde. Denn er wollte nicht in die NSDAP eintreten“, erzählt der pensioniert Bauingenieur und Statiker Willi Beißel. Nicht in die NSDAP eintreten wollte auch ihr Schulleiter am Staatlichen Gymnasium, Joseph Brüggemann. Er ließ seine Schüler zwischen den Zeilen wissen, dass Hitler und seine Partei nicht das Maß aller Dinge seien. Doch es gab auch einen Lehrer, der in SA-Uniform unterrichtete. Und an der Wand ihres Klassenzimmers hing ein Hitler-Portrait. Seit 1937 hieß das Staatliche Gymnasium Langemarkschule, benannt nach einem Schlachtfeld des Ersten Weltkrieges.

Nach dem Abitur wurden die beiden Schulfreunde 1942 zur Wehrmacht eingezogen. Krause kam zur Luftwaffe, Beißel zu den Panzergrenadieren. Nach dem am 20. Juli 1944 gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler wurde der Offiziersanwärter Willi Beißel als Zuschauer zu den Volksgerichtsprozessen gegen den Männer des 20. Juli abkommandiert. Einer dieser Männer war der Generalstabsoffizier Günther Smend. Er hatte zehn Jahre vor Beißel und Krause am Staatlichen Gymnasium sein Abitur bestanden. „Die ganze Situation war mir sehr unangenehm. Mir taten diese armen und aufrechten Männer leid, die vom Richter Roland Freisler niedergeschrien wurden. Aber wir durften kein Mitleid zeigen. Im Gegenteil: Unsere Vorgesetzten hielten und dazu an: ‘Sieg heil’ in den Gerichtssaal hineinzurufen“, erinnert sich Beißel an diesen düsteren Moment seines Lebens.

Wenn Beißel und Krause an das Mülheim ihrer Kindheit und Jugend zurückdenken, dann sehen sie vor ihrem  geistigen Auge eine klein und eng wirkende Stadtmitte mit vielen kleinen Geschäften, Kinos und Cafés. „Die Schloßstraße gab es während der 1930er Jahre in ihrer heutigen Form noch gar nicht. Sie wurde in Richtung Eppinghofer Straße durch einen querstehenden Häuserriegel abgesperrt. Eine besonders beliebte Bummelmeile befand sich damals zwischen dem Kohlenkamp und der Bachstraße“, erinnert sich Krause. Wenn er zusammen mit seinem Vater in die Stadt ging und für 35 Pfennig in einer Eisdiele am Kohlenkamp ein großes Eis essen durfte, war das für ihn ein Feiertag

Raymund Krause ist der Ansicht, „dass wir die Veränderungen im Leben unserer Stadt so nehmen müssen, wie sie sind. Er glaubt, dass sich das Stadtzentrum mit dem Stadtquartier Schloßstraße und dem Ruhrquartier künftig immer mehr zur Ruhr hin verlagern wird.

Dieser Text erschien am 13. Oktober 2017 in NRZ/WAZ

Donnerstag, 12. Oktober 2017

Ein Lichtstrahl im Herbst-Grau

Eine Mutter hat ihren kleinen  Sohn auf dem Schoß und fährt mit ihm in ihrem Elektrorollstuhl über die holprige Leineweberstraße.

Kein Problem für den E-Rolli, der einen starken Motor und gut profilierte Räder hat. Die Mutter gibt Gas und beide haben sichtlich Spaß daran, flott voranzukommen und die notgedrungen sich langsam fortbewegenden Fußgänger hinter sich zu lassen.
Die Anblick wirkt auf den beiläufigen Betrachter im allgemeinen Herbst-Grau, wie ein warmer und die Seele streichelnder Sonnenstrahl.

Das macht Mut für den eigenen Lebensweg und seine Stolpersteine, Menschen zu sehen, die dem Leben ins Gesicht lachen, weil sie sich nicht davon aufhalten lassen, über das zu grübeln, was sie nicht haben, sondern sich über das freuen, was sie aneinander haben.

Gut, wenn man weiß, dass man im Leben immer nur so schnell voran uns an sein Ziel kommt, wie der Mensch, der an uns glaubt und uns Schubkraft gibt und wenn wir es am Ende selbst sein müssen.

Dieser Text erschien am 12. Oktober 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung

Mittwoch, 11. Oktober 2017

Das Haus Engelbert: Ein geschützter Wohnraum für Generationen: Ein Zeitsprung an der Kölner Straße

Das Haus Engelbert an der Kölner Straße
Ein Fotos aus dem Stadtarchiv
Wo wir heute an der Kölner Straße das Haus Engelbert sehen, stand von 1772 bis 1911 ein Gasthaus. Damals trug die Kölner Straße (noch bis zu ihrem Ausbau im Jahre 1938) den Namen Düsseldorfer Chaussee.

Nachdem das Gasthaus 1911 abgebrannt war, verkauften seine Eigentümer das Grundstück an die 1844 von Theodor Fliedner gegründete Duisburger Diakonenanstalt, die wir heute als Theodor-Fliedner-Stiftung kennen. Heute finden im Haus Engelbert suchtkranke Menschen ein geschützten Wohnraum.

Das historische Foto aus dem Stadtarchiv zeigt das Haus Engelbert im Zeitraum zwischen 1911 und 1959. Damals diente das Haus an der Kölner Straße als Kinder- und Jugendwohnheim, ehe es 1959 in ein Altenwohnheim umgewandelt und 1999 seiner heutigen Bestimmung zugeführt wurde.

Heute markiert das Haus Engelbert an der stark befahrenen Kölner Straße den Eingang zum 1987 errichteten Fliednerdorf. Dort leben 600 Menschen mit und ohne Behinderung.

Nur wenige Schritte vom Haus Engelbert entfernt, hat die Theodor-Fliedner-Stiftung ihren Hauptverwaltungssitz.  Nach der deutschen Wiedervereinigung gründete die Theodor-Fliedner-Stiftung 1991 und 1996 Tochtergesellschaften in Brandenburg und Sachsen. Bundesweit beschäftigt die Stiftung heute 2000 Mitarbeiter.

Ihrem Leitsatz: „Individualität, Normalität und Teilhabe“ folgend, arbeitet sie in bundesweit 30 Einrichtungen mit und für Menschen, die zum Beispiel aufgrund einer psychischen Erkrankung, einer geistigen Behinderung oder aufgrund ihres Alters einen besonderen Hilfebedarf haben.

Dieser Text erschien am 11. Oktober 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung

Dienstag, 10. Oktober 2017

Ein schöner Tag: Den bescherte der Frauenchor Oemberg seinen Zuhörern mit seinem Jubiläumskonzert in der Elisabethkirche

Der von Hans Albert Hausmann geleitete Frauenchor Oemberg
bei seinem Jubiläumskonzert in der Saarner Elisabeth-Kirche
Der Frauenchor Oemberg feierte am Samstag mit einem abwechslungsreichen und kurzweiligen Konzert in der Elisabeth-Kirche am Nachbarsweg seinen 50. Geburtstag.
Die Chorschwestern, einige sind bereits seit 1967 dabei, boten ihrem Pubilkum in der vollbesetzten Kirche ein abwechslungsreiches Programm mit weltlichen und geistlichen Klassikern.

Das musikalische Spektrum reichte von „Ich hätt’ getanzt heut nacht“ über „O, happy day“ bis hin zu Dietrich Bonhoefers vertontem Gedicht: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag.“

Ein echter Gewinn für das gut zweistündige Konzert in einer leider viel zu kalten Kirche war die musikalische Unterstützung, die die Jubilarinnen durch die Sängerfreunde Oemberg und durch das Neue Essener Quintett in Brass erfuhren. Das kleine, aber klangstarke Blasorchester bereicherte das Programm unter anderem mit Elton Johns „Can you feel the love tonight“ und Kenneth Alfords „Colonel Bogey“. Und last, but not least besangen die Sängefreunde vom Oemberg nicht nur das „Frohe Wandern“ und das „Mädchen vom Lande“, sondern auch mit einem täuschend echten Krähen den „Hahn von Onkel Chiacometto“ Besonders bewegend wurde das nicht ohne Zugaben und die musikalische Begleitung von Chorleiter Hans Albert Hausmann (Gitarre) und Agnes Weyers (Klavier) über die Bühne gehende Jubiläumskonzert, als die beiden Chöre zusammen mit ihren Zuhörern das Lied „Ein schöner Tag“ anstimmten, ehe sie sich mit dem „Zauber der Musik“ vom Publikum verabschiedeten.

Die Vorsitzende des Frauenchores Oemerg, Claudia Strohte, nutzte ihr Grußwort, um nicht nur ihren Chorschwestern, sondern auch den zahlreichen Unterstützern des Chores zu danken. Gründungsmitglied Edith Engels ließ noch einmal 50 Jahre Frauenchor Oemberg Revue passieren und dankte vor allem den bisherigen Chorleitern für ihre Arbeit, die den Chor in seiner Entwicklung vorangebracht habe.

Dieser Text erschien am 9. Oktober 2017 im Lokalkompass der Mülheimer Woche

Montag, 9. Oktober 2017

Der kluge Mann baut vor

Den Oktober habe ich immer mit dem Erntedankfest in Verbindung gebracht. Doch seit ich die ersten Spekulatius aus dem Supermarkt meines Vertrauens gekostet habe, ist mir schon fast vorweihnachtlich zu Mute.

Auch das Dekorationsgeschäft gleich bei mir ums Eck stimmt mich schon mit unechten Tannenzweigen, kleinen Christbäumen oder goldenen und silbernen Kugeln aufs Frohe Fest ein.
Da wundert es mich gar nicht mehr, dass mir jetzt einen Werbeprospekt in den Briefkasten flatterte, der mich zu einem „Weihnachtsmarkt“ im Oktober einlädt. 

Als ich jetzt meiner Schwester von meinen vorweihnachtlichen Erscheinungen im Oktober berichtete, fragte sie mich doch glatt: „Habe ich dir eigentlich schon gesagt, was ich mir zu Weihnachten wünsche?“ Hatte sie nicht und ich notierte brav.

Nur kein Ärger mit den Frauen, vor allem wenn es sich um die engsten weiblichen Verwandten handelt. Wie stünde ich dann da? Wie sähe das denn aus, wenn ich im Eifer des Gefechts zwar Spekulatius, Spritzgebäck, Dominosteine und Christstollen angesammelt, aber vergessen hätte, meinem engelsgleichen Schwesterherz rechtzeitig ein Weihnachtsgeschenk zu besorgen?
Dann stünde ich doch als Bruder am Heiligen Abend, wie ein Weihnachtsmann da, der sie nicht alle auf dem Christbaum hat. Die 3 heiligen Könige hatten es noch leicht. Die konnten sich schließlich noch bis zum 6. Januar Zeit lassen.

Dieser Text erschien am 9. Oktober 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung

Sonntag, 8. Oktober 2017

Die Optimistin: City-Managerin Gesa Delija

Gesa Delija in ihrem Büro in der Wertstadt zwischen
Kohlenkamp und Löhberg
Gesa Delija  hat ihren Arbeitsplatz in einem ehemaligen Ladenlokal zwischen Kohlenkamp und Löhberg. Das passt. Denn die 46-jährige Diplom-Geografin, die früher unter anderem als PR-Referentin gearbeitet hat, kümmert sich als Citymanagerin um die Geschäfts-Geografie der Innenstadt und macht damit auch PR für die City.

„Die Innenstadt hat ein gutes Fundament und deshalb auch eine gute Zukunft“, glaubt die Mutter einer 16-jährigen Tochter. Ihr Tag beginnt mit der Planung des Innenstadtforums, bei dem sie sich mit Einzelhändlern und Hauseigentümern über den aktuellen Stand und die Perspektiven der Innenstadt austauscht. Bei einem Restaurant in der Innenstadt ordert sie das Catering. Mit einem Mitarbeiter des städtischen Medienzentrums bespricht sie die Präsentationstechnik für ihren Vortrag im Medienhaus.
Wenn man Delija an ihrem Notebook sieht, in das sie eine Zahl nach der nächsten eingibt, könnte man glauben, sie sei Statistikerin. Tatsächlich hat sie seit ihrem Amtsantritt im März bei ihren Streifzügen durch die City eine Einzelhandelsfläche nach der anderen erfasst und weiß deshalb jetzt: „Wir haben in der Innenstadt 700 gewerbliche Nutzungsflächen und eine Leerstandsquote von 12,5 Prozent. Und wenn das neue Stadtquartier Schloßstraße 2019 eröffnet wird, werden es etwa 1000 sein“, referiert sie die Ausgangssituation für ihre Arbeit.
Auf dem Weg in die Zukunft

Auf dem riesigen computeranimierten Plakat, das über ihrem Schreibtisch hängt, ist diese Zukunft schon schön anzusehen. Nicht so schön anzusehen, dass zeigt ihr ein Gespräch mit dem City-Hausmeister Johann Winterkamp, ist die Gegenwart, in der immer mehr Fenster leer stehender Ladenlokale von wilden Plakatierern zugekleistert werden. Das macht sich nicht gut bei Ortsterminen mit interessierten Investoren.

Für eine Innenstadt-Immobilie hat Delija einen Investor mit einer interessanten Geschäftsidee an der Hand. Jetzt versucht sie den zuständigen Hausverwalter davon zu überzeugen, dass der Eigentümer entweder massiv in sein Haus investieren muss, um es bau- und Edv-technisch auf den neuesten Stand zu bringen oder dem investitionsbereiten Geschäftsmann mit einem massiven Mietnachlass entgegen kommen muss.

Obwohl Delija und ihre Gesprächspartner, die sie meistens fußläufig erreicht, statt sie nur anzurufen, wissen, dass die Innenstadt ein schwieriges Pflaster ist, schafft es die kommunikative Frau in ihren zum Teil schwierigen Gesprächen so etwas, wie Optimismus und heitere Gelassenheit auszustrahlen.
„Ich habe inzwischen zu allen 350 Immobilieneigentümern der Innenstadt Kontakte geknüpft“, berichtet Delija. 

„Diese Hauseigentümer und ihre Bedürfnisse kann man nicht über einen Kam scheren, weil das Spektrum der Eigentümer vom alteingesessenen Privat-Eigentümer über eine Erbengemeinschaft bis zum Immobilienfonds reicht“, schildert sie die Herausforderung ihrer Beratungsarbeit. Was könnte die gute alte Schloßstraße und ihre Nebenstraßen, die in den 70er Jahren zu den Top-Einkaufs-Meilen des Landes gehörten, wieder attraktiver und lebendiger machen? „Die Distanzfaulheit war damals nicht so groß, wie heute“, sagt die City-Managerin, die selbst am Rand der  Innenstadt aufgewachsen ist und ihre goldenen Zeiten noch miterlebt hat. 

Nachholbedarf sieht Delija vor allem in den Bereichen Kultur, Sport und Freizeit: „Hier hat die Stadtmitte ihr Potenzial in Sachen Aufenthaltsqualität noch lange nicht ausgereizt“, ist sie überzeugt.
Wo möglich, wirbt sie bei Einzelhändlern für einen Umbau alter Ladenlokale, die unter anderem mit ihren Eingangsstufen nicht so barrierearm sind, wie sie in Zeiten des demografischen Wandels sein sollten. Außerdem plädiert sie für eine Kombination aus Online-Vertrieb und stationärem Einzelhandel, um letzteren zu erhalten.

Dieser Text erschien am 7. Oktober 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung

Samstag, 7. Oktober 2017

Mara Wetzel wünscht sich mehr Dynamik für das Speldorfer Netzwerk der Generationen

„Gerade viele ältere Menschen leben sehr isoliert. Aber es ist schwierig, sie zu motivieren etwas Neues aufzubauen“, sagt Marlies Wetzel. Bis zur Pensionierung arbeitete die 66-jährige Speldorferin als Sozialarbeiterin. Sie betreute Menschen, die sich selbst nicht helfen können.
Als allein-stehend lebende Frau weiß Wetzel, wie wichtig es ist, aktiv auf andere Menschen zu-zugehen, um sich soziale Kontakte zu schaffen, um nicht zu vereinsamen. Deshalb engagiert sie sich seit 2013 im Speldorfer Netzwerk der Generationen. „Solche Netzwerke sind wichtig. Leider wird ihre Bedeutung oft nicht gesehen“, schildert sie den Ist-Zustand in ihrem Stadtteil. In Styrum, Eppinghofen, Saarn und Dümpten sieht sie „starke gewachsene Strukturen, die dazu führen, dass das Netzwerk viel aktiver genutzt wird.“
Sie selbst hat, mit ihren Netzwerk-Kollegen Inge Kipper und Werner Schröder einen ersten Schritt unternommen und mit Unterstützung der Stadt und des CBEs einen Wegweiser für Speldorfer geschrieben. „Man muss erst mal wissen, wo man was im Stadtteil findet und was wo angeboten wird“, betont Wetzel. So bietet der Speldorf-Wegweiser als kompakte Broschüre über Ärzte, Apotheken, Vereine, Pflegedienste, Schulen, Kitas, Spielplätze und anderes mehr.

Hilfe für eine Flüchtlingsfrau

Zurzeit ist Wetzel, die gerne reist und fotografiert, in einer Fotogruppe und in einer Spiele-Gruppe aktiv. Beide Netzwerk-Gruppen haben einen harten Kern von 6 bis 9 Leuten, die sich regelmäßig im Café Einhorn an der Duisburger Straße oder in der Stadtteilbücherei an der Frühlingsstraße treffen. Als gute Idee sieht Wetzel auch eine Telefonkette, die sich innerhalb des Netzwerkes gebildet hat und die im Rahmen eines Morgen-Rundrufes Menschen miteinander in Kontakt hält. So können sich alle Beteiligten im Notfall helfen und sich sicher fühlen. Wetzel selbst kümmert sich momentan um eine afrikanische Flüchtlingsfrau, die jetzt in Speldorf ihre erste eigene Wohnung bezogen hat. Sie geht mir ihr die Post durch oder begleitet sie bei Ämtergängen und zu Beratungsgesprächen bei der Agentur für Arbeit.

Mehr Familien wären schön

„Leider sind die meisten Teilnehmer des Netzwerkes schon im Rentenalter. Gerne würden wir auch mehr junge Familien einbeziehen, um für sie Angebote zu entwickeln. Aber dieser Personenkreis ist zu sehr mit Familie, Schule und Beruf beschäftigt, um sich für das Netzwerk der Generationen zu öffnen“, bedauert Wetzel.

Neben einer Verjüngung wünscht sie sich einen zentralen Treffpunkt und ein gemeinsames Quartiersprojekt, um dem Netzwerk neues Leben und neue Dynamik einzuhauchen.

Dieser Text erschien am 31. August 2017 im Lokalkompass und in der Mülheimer Woche

Freitag, 6. Oktober 2017

Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen: Kirche wirbt für Ausbildung

Weihbischof Franz Grave im Gespräch mit dem Westhoff-
Auszubildenden Kai Landgraf und dem Chef der örtlichen
Agentur, Jürgen Koch: Im Hintergrund: Firmenchef
Egon Buse
Der für Mülheim und Oberhausen zuständige Agentur-Chef Jürgen Koch sieht die Entwicklung auf dem örtlichen Arbeitsmarkt mit Sorge. „Während wir 193 mehr Bewerber als im Vorjahr haben, ist die Zahl der gemeldeten Lehrstellen um 56 zurückgegangen“, schildert er die Entwicklung.
Ende August waren noch 200 Ausbildungssuchende ohne Ausbildungsplatz. Gleichzeitig waren noch 200 Ausbildungsplätze unbesetzt. Laut Koch werden vor allem Auszubildende gesucht, die Verkäufer, Bäcker, Industriemechaniker oder Zerspanungsmechaniker werden wollen. Vor diesem Hintergrund nutzten Koch, der emeritierte Weihbischof Franz Grave, Stadtdechant Michael Janßen und Hermann-Josef Schepers von der Katholischen Arbeitnehmerbewegung KAB einen Besuch bei der Möbel-Spedition Westhoff, um an Arbeitgeber und Ausbildungsplatzsuchende zu appellieren, „in ihren Bemühungen noch eine Schippe draufzulegen.“
Für den seit Jahrzehnten sozialpolitisch engagierten Grave steht fest: „Beim Thema Ausbildung geht es nicht nur ums Geldverdienen, sondern darum, ob junge Menschen einen Platz im Leben und eine Zukunftsperspektive bekommen. Das gilt insbesondere auch für die jungen Menschen, die als Flüchtlinge zu uns gekommen sind.“
„Meine Arbeit macht mir Spaß und ich bin froh, dass ich nicht auf der Straße Hocke, sondern zusammen mit meinen Kollegen sinnvolle Arbeiten leisten kann und dafür von unseren Kunden auch Anerkennung bekomme“, sagt der 22-jährige Kai Landgraf. Nach seinem Hauptschulabschluss kam die angehende Facharbeiter für Möbel- und Küchenumzüge über ein Praktikum und eine Mitarbeit als Aushilfe zu seinem Ausbildungsplatz bei der Möbel-Spedition Westhoff, die nicht nur für Privatleute, sondern auch für große Unternehmen Umzüge organisiert. „Wer bei uns seine Ausbildung erfolgreich abschließt, wird von uns auch in eine Festanstellung übernommen. Denn wir suchen händeringend Fachkräfte“, sagt Westhoff-Geschäftsführer Egon Buse. Und sein Sohn Julian, der ihn als Prokuristen unterstützt, ergänzt: „Die Zeugnisnoten sind für uns nicht so entscheidend, wie die Persönlichkeit des Bewerbers, von dem wir den Eindruck gewinnen müssen, dass er auch menschlich in unser Team passt.“
Für den Stadtdechanten Janßen sind Ausbildung und Arbeit „ein Grundrecht“. Deshalb hat er sich in seiner Funktion als Mitglied des Kuratoriums der Vereinigen August-Thyssen-Stiftung auch dafür stark gemacht, dass das Franziskushaus, das Raphaelhaus und das St. Marien-Hospital zusätzliche Ausbildungsplätze für angehende Altenpfleger, Erzieher und Krankenpfleger bereitstellen. Und KAB-Mann Schepers weist auf die Aktivitäten seines Verbandes hin, der mit Einrichtungen, wie der Kurbel, dem Styrumer Treff und den Neuen Kontakten Menschen mit gebrochenen Biografien zurück ins Arbeitsleben holt.

Texte zu diesem Thema erschienen jetzt im Neuen Ruhrwort sowie in NRZ &WAZ 

Donnerstag, 5. Oktober 2017

Wie ein junger Ukrainer die Deutsche Einheit sieht: Eindrücke von den Herbstgesprächen der CDU

Oleksii Kysiliak und CDU-Chefin Astrid Timmermann-Fechter
Am Tag der Deutschen Einheit hat die CDU-Kreisvorsitzende Astrid Timmermann-Fechter ihre Landsleute dazu aufgerufen, sich die Freude über die unverhoffte Wiedervereinigung des Jahres 1990 zu bewahren. „Trotz aller Schwierigkeiten gibt es unbestreitbare wirtschaftliche Fortschritte in West- und Ostdeutschland. Und mit diesem Argument müssen wir allen Tendenzen zur Ent-Wiedervereinigung entgegentreten.“, forderte die ehemalige Bundestagsabgeordnete bei den Herbstgesprächen ihrer Partei.

Etwa 100 Gäste hörten in der Alten Post die interessante Außenbetrachtung der Deutschen Einheit durch den aus der Ukraine stammenden Politik-Studenten Oleksii Kysliak. Der studentische Mitarbeiter des Deutschen Bundestages, der seit drei Jahren an der Universität Frankfurt/Oder Politik- und Kulturwissenschaften studiert sieht die Deutsche Einheit, trotz all ihrer schwierigen Begleiterscheinungen, als Vorbild und Hoffnungsträgerin für sein eigenes durch Krieg und Konflikte gespaltenes Land. „Die Deutsche Einheit war ein Glücksfall. Aber sie war kein Zufall. Denn sie entsprang der menschlichen Sehnsucht nach Freiheit, Demokratie und nationaler Einheit“, sagte der 24-Jährige.

Seine deutschen Gastgeber und seine ukrainischen Landsleute forderte der ausgezeichnet deutsch sprechende Referent auf, „ihre Rechte wahrzunehmen, sich für ihre Gesellschaft zu engagieren und eine Eskalation der Gewalt zu verhindern.“ Am Beispiel seiner eigenen Erlebnisse mit dem öffentlichen Personennahverkehr und mit der parlamentarischen Debattenkultur im Deutschen Bundestag machte Kysliak deutlich, „dass auch Deutschland keine perfekte Gesellschaft, aber doch eine gut funktionierende Demokratie ist.“ Aus einer ukrainischen Perspektive bewertete Oleksii Kysliak vor allem die Solidarität, die der Osten Deutschlands nach der Wiedervereinigung durch die Menschen im Westen erfahren habe als vorbildlich. Der Mittzwanziger hat während seiner Studienjahre in Ostdeutschland den Eindruck gewonnen, „dass viele Deutsche völlig überzogene Erwartungen gegenüber ihrem Staat haben.“ Er appellierte an seine Zuhörer, „Demokratie und Freiheit nicht als Selbstverständlichkeit anzusehen“ und aus dieser Haltung heraus „Parteien, wie der AFD nicht zu folgen, die nur Ängste schüren, selbst aber keine Lösungen anbieten.“

Kysliak schloss seine bemerkenswerte und nachdenklich stimmende Rede zum Tag der Deutschen Einheit mit einem „Glückwunsch zu ihrem wunderbaren Feiertag“ und der Aufforderung: „Beschützen und bewahren Sie ihr wundervolles Land.“



Dieser Text erschien am 5. Oktober 2017 in  NRZ & WAZ

Dienstag, 3. Oktober 2017

Jamaika, bitte melden!

Auf der Einkaufsstraße sitzt ein  junger Mann mit Rasterlocken. Aus dem Lautsprecher seines CD-Radios erklingen Reggae-Rhythmen.

Vor ihm steht ein Schild mit der Aufschrift: "Ich habe Hunger." Der junge Mann schaut beschämt aufs Straßenpflaster. Ich habe noch die letzte Fernsehdiskussion über Schwarz-Grün-Gelb in den Ohren und denke: Nach dem blauen Auge, dass sich die demokratischen Parteien bei der letzen Bundestagswahl geholt haben, sollten Sie, in welcher politischen Farbmischung auch immer rasch und entschlossen ins Regierungsboot steigen und es starten, um den Tanker Deutschland in Bewegung zu bringen und dafür zu sorgen, dass weniger Menschen in unserem Land schwarz sehen müsse und Politiker für sie kein rotes Tuch mehr sind, sondern verantwortungsvolle Volksvertreter, die am Steuer unseres Staatsschiffes eine Politik der goldenen Mitte fahren, die am Ende auch Menschen mitnimmt und von der Straße holt, die in  unserer so gar nicht rosaroten Leistungsgesellschaft vom Weg abgekommen sind.

Dieser Text erschien am 3. Oktober 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung

Montag, 2. Oktober 2017

Welches Ei darf's denn sein?

Wie alle Menschen, die noch ein Leben ohne Handy, Smartphone und E-Mail kennen gelernt haben, mache ich mich über Menschen lustig, die vielleicht ohne ihre Frau oder ihren Mann,, aber nie ohne ihr Smartphone aus dem Haus gehen würden.

Kommunikation bedeutet für digitale Zeitgenossen vor allem das Versenden von Mail und What's App-Nachrichten. Sie schauen lieber auf ihr Display als in die Zeitung oder auf ihre Mitmenschen. 

Doch jetzt überzeugte mich ein Geschlechtsgenosse im Supermarkt, dass man(n) heute nicht ohne Smartphone aus dem Haus, geschweige denn einkaufen gehen kann. Der Mann stand verzweifelt vor einer Kühlung mit diversen Eiern. Welche sollten es sein? Eier von Freilandhühnern? Oder Eier aus der Bodenhaltung? Und welcher Bauernhof aus welcher Region durfte es sein, damit beim nächsten Frühstück wirklich alles Friede, Freude, Eierkuchen wäre?

Im Bewusstsein der jüngsten Lebensmittelskandale und angesichts der ehelichen Erkenntnis: "Bloß keinen Ärger mit der besseren Hälfte" schritt der Mann zur Tat und rief via Smartphone seine Frau an. Doch im ersten Anlauf wurden sich die Beiden nicht einig, welches Ei auf ihren Frühstückstisch oder in die Pfanne kommen solle. Doch der Mann hatte Gott sei Dank nicht nur ein Handy, das wäre ja schon wieder von gestern, sondern ein Smartphone. Mit dem konnte er alle Eierschachteln und die dort aufgedruckten Herkunfts- und Qualitäts-Informationen abfotografieren und per Mail an seinen heimischen Einkaufs-Leitstand senden. Erst als er von dort aus grünes Licht von seiner Ehefrau bekam, setzte er seinen Einkauf fort.

Ist die Digitalisierung doch das Ei des Kolumbus, wenn sie den Hausfrieden retten kann? Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie am besten Ihren Psychotherapeuten, ihren Markthändler oder einen Landwirt Ihres Vertrauens. Oder lassen Sie Ihre Frau einkaufen und schalten solange Ihr Smartphone aus.

Dieser Text erschien am 2. Oktober 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung 

Sonntag, 1. Oktober 2017

NRW-Schulministerin Gebauer bekennt sich zum Religionsunterricht

Die neue nordrhein-westfälische Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) hat sich zum Religionsunterricht bekannt. Dieser vermittle nicht nur Fachwissen, sondern sei ein "Teil der Werteerziehung", sagte sie am Freitag in Dortmund vor 750 evangelischen und katholischen Religionslehrern. Das Fach sei ein "identitäs- und sinnstiftendes Angebot" für die Schüler, so die liberale Politikerin.

"Religion bietet vielen Menschen Orientierung und Halt in unterschiedlichen Lebenssituationen" sagte Gebauer beim Westfälischen Lehrertag. "Und sie steht ein für Werte wie Gerechtigkeit, Menschlichkeit und Solidarität." Diese Werte seien maßgeblich für das Funktionieren der Gesellschaft.

Der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, betonte die Chancen, die sich durch die Kooperation der evangelischen und katholischen Kirche in Nordrhein-Westfalen beim Religionsunterricht bieten. "Christlich gebildet zu sein bedeutet, selbst in einer Religion zu Hause und damit religiös sprachfähig zu sein", so Huber. Auf dieser Basis könne es gelingen, sich für den Dialog mit anderen Religionen zu öffnen.

Huber warnte aber auch davor, dass der ökumenisch kooperative Religionsunterricht dazu benutzt werde, um Stundenplanprobleme zu lösen. Die katholischen Bistümer Aachen, Essen, Münster und Paderborn und die drei evangelischen Landeskirchen in NRW wollen ab dem Schuljahr 2018/19 gemeinsamen Religionsunterricht anbieten. Dabei gibt es einen verpflichtenden Wechsel zwischen katholischen und evangelischen Fachlehrern, damit die Schüler beide konfessionellen Perspektiven kennenlernen.

Der ehemalige Ratsvorsitzende verwies darauf, dass 25 bis 50 Prozent der Schüler im Religionsunterricht aus Elternhäusern ohne kirchliche Bindung kommen. Dies belege, "das es eine große und zum Teil sogar wachsende Zahl religiös suchender Menschen gibt".
Die westfälische Präses Annette Kurschus unterstrich, dass Religion eine Grundäußerung des menschlichen Lebens sei. "Deshalb tut auch der Staat gut daran, sie zu fördern, damit sie sich mit ihren Lösungsansätzen gewinnbringend und gestaltend in die Gesellschaft einbringen kann", sagte die Gastgeberin der Konferenz.

Der Leiter der religionspädagogischen Abteilung des Bistums Münster, Christian Schulte, begrüßte den ökumenisch-kooperativen Religionsunterricht. Dieser "wird nicht nur Wissen über Kirche und gelebten Glauben, sondern auch Dialog- und Urteilsfähigkeit herausbilden".

Dieser Text wurde am 29. September 2017 über die Katholische Nachrichtenagentur KNA verbreitet

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