Donnerstag, 16. November 2017

Der Mann mit der Spitzen Feder: Auch wenn der Karikaturist Thomas Plaßmann kein Jeck ist, freut er sich über die Spitze Feder der Mülheimer Karnevalisten

Thomas Plaßmann bei der Arbeit.
Thomas Plaßmann bekommt nicht nur die Spitze Feder. Der Karikaturist der Neuen Ruhr Zeitung arbeitet auch mit ihr. Mit einer klassischen Feder und Tusche zeichnet er auf Papier und sorgt mit seinen Karikaturen für Aha-Effekte am Frühstückstisch. „Als Karikaturist muss man zuspitzen, Dinge auf den Punkt bringen, frei nach dem wahren Wort: ‘Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte’“, unterstreicht der 57-Jährige.

Manchmal hat er, der sich schon immer dafür interessiert hat, „wie wir unser gesellschaftliches Leben positiv gestalten können“, ein schlechtes Gewissen. „Denn ich profitiere als Karikaturist von den Missständen dieser Welt und von fragwürdigen politischen Charakteren“, weiß Plaßmann. So ist ein Donald Trump, den er politisch gar nicht mag, für ihn als Karikaturisten ein Glücksfall. „Der US-Präsident bietet mit seinen plakativen Gesten und mit seinen oft haarsträubenden Äußerungen viele Angriffsflächen.“ Das gilt auch für Trumps weltpolitischen Gegenspieler, Nordkoreas Diktator Kim Jong Un. „Manchmal weiß man als Karikaturist nicht mehr, wie man die Realität noch toppen soll“, gibt Plaßmann zu. 

Doch er arbeitet sich nicht nur an Politikern ab, sondern nimmt mit seiner Feder auch soziale Themen wie Rente, Armut oder Pflege unter die Lupe. „Politik ist kein Schauspiel von und für die da oben, sondern bestimmt ganz konkret unsere Lebensverhältnisse“, beschreibt Plaßmann, was ihn beim Zeichnen antreibt.  Täglich entstehen so im Zimmer unter dem Dach seines Hauses die aktuellen Karikaturen zum Geschehen in der Welt und vor der Haustür. Der studierte Historiker und gelernte Schreiner, der schon als Schüler gerne seine Lehrer zeichnete, entschied sich vor 30 Jahren dazu, als freiberuflicher Karikaturist zu leben und zu arbeiten. Nun schon seit vielen Jahren für die NRZ und andere Tageszeitungen und Publikationen. „Nicht nur Zeitungsredaktionen haben erkannt, dass man mit der Bildsprache der Karikatur viele Themen besser kommunizieren kann, als wenn man dies nur mit dem geschriebenen Wort täte“, erklärt Plaßmann. Er selbst versteht sich als Journalist und Künstler.

Bevor er zur Tuschefeder greift, informiert er sich via Zeitung, Radio und Internet über die aktuelle Nachrichtenlage. „Das Zeichnen ist der geringste Teil meiner Arbeit. Entscheidend ist für mich, erst mal herauszufinden, was das Thema des Tages sein könnte und wie ich es kommentierend ins Bild setzten könnte“, beschreibt Plaßmann seine kreative, oft aber auch geistig mühevolle und anstrengende Arbeit. Im digitalen Zeitalter könnte er seine Karikaturen auch mit Hilfe eines Computerprogramms erstellen. Doch das will er nicht. „Ich will mir den künstlerisch handwerkliche Teil meiner Arbeit bewahren und zeichne lieber nach alter Väter Sitte“, sagt er.  Auch wenn er heute von seiner künstlerischen und journalistischen Arbeit “gut leben kann“, erinnert er sich auch noch an die Zeit des großen Klinkenputzens. 

„Das muss man tun, wenn der Vater kein Verleger und der Schwiegervater kein Chefredakteur ist“, scherzt Plaßmann. Mit Sorge sieht er, dass immer mehr Kollegen nur noch schlecht oder gar nicht mehr von ihrer Arbeit leben können. „Dabei zeigen die aktuellen Erfahrungen mit den sogenannten Fake-News in den sozialen Medien, dass wir heute mehr denn je einen guten und kritischen Journalismus brauchen, zu dem auch die Karikatur gehört. Aber dieser gute Journalismus kann nur dann existieren, wenn er auch bezahlt wird und Journalisten und Karikaturisten von ihrer Arbeit leben können“, sagt Plaßmann. 

Obwohl der in der Nachbarstadt Essen lebende Plaßmann „kein geborener Jeck ist“, freut er sich sehr darüber, „dass die Mülheimer Karnevalisten mit der Verleihung der Spitzen Feder nicht nur meiner Arbeit, sondern auch der für unsere Demokratie so wichtigen Arbeit meiner zeichnenden Kolleginnen und Kollegen Respekt und Anerkennung zollen.“  

Bleibt die Frage, ob man als Karikaturist, der mit dem künstlerischen Stilmittel der Satire arbeitet, frei nach Kurt Tucholsky, alles darf. „Es war für uns Zeichner wohl das einschneidendste Erlebnis ,als unsere Kollegen von Charlie Hebdo im Januar 2015 von islamistischen Terroristen ermordet wurden, weil sie den Propheten Mohammed karikiert hatten. Für einen Moment erstarb uns allen die Feder in der Hand“, erinnert sich Plaßmann. Doch sie wurde schnell wieder ergriffen und geführt. „Es wäre der falsche Weg, sich wegzuducken und darauf hin nur noch Blumenwiesen und röhrende Hirsche zu zeichnen. Karikaturen müssen die Probleme benennen und auf den Punkt bringen. Das erregt natürlich Anstoß, Widerspruch und ärgert mitunter natürlich auch. Aber das ist ja auch Ihre Aufgabe, um aufzurütteln, und zum Nachdenken anzuregen.“, sagt Plaßmann. Und so karikiert der praktizierende Christ auch seine eigene Kirche, wenn er das für notwendig hält. Dieser öffentlichen Kritik, so meint er, müssten sich, bei allem Respekt vor religiösen Gefühlen, nicht nur die christlichen Kirchen, sondern alle Religionsgemeinschaften stellen.  “Die spitze Feder”, so unterstreicht Plaßmann,”ist nicht nur Symbol, sondern unverzichtbares Werkzeug unserer Demokratie und unserer geistigen und kulturellen Freiheit.“

Dieser Text erschien am 14. November 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung

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