Montag, 5. Februar 2018

Der Identitätsentwickler: Christoph Wallrafen

Christoph Wallrafen
Der Wirtschaftswissenschaftler Christoph berät Unternehmer und Manager. Doch als Unternehemensberater möchte sich der 48-jährige Familienvater nicht bezeichnen. Er sieht sich als Identitätsentwickler. Jetzt ging der Absolvent einer Bonner Klosterschule für einen Abend ins Kloster Stiepel um dort über christliche Unternehmeridentität und Unternehmeridentität zu sprechen. Warum das? Was haben Kirche und Unternehmen gemeinsam, wenn es um Identität geht? "Viel!" sagt der in Düsseldorf lebende und arbeitende Identitätsentwickler.

Auch die katholische Kirche sieht der katholische Ökonom mit Messdienervergangenheit als ein Unternehmen, ein Unternehmen im Dienste der Menschen und ihres Seelenheils. "Wenn Unternehmer, Manager und ihre Unternehmen in eine Krise geraten und neue Impulse brauchen, um wieder Fahrt aufzunehmen, hat das oft mit einer Identitätskrise zu tun, weil sich die Unternehmensführung den Wurzeln und dem Gründergeist ihres Unternehmens entfremdet haben", weiß Wallrafen.

"Warum brauchen die Menschen unser Produkt? Und woran liegt es, dass unser Produkt bei den Kunden nicht oder nicht mehr so ankommt, wie wir es uns wünschen. Welche Innovation und welche innere Veränderung brauchen wir, um unsere Dienstleistung, um unser Produkt für unsere Kunden wieder wertvoll zu machen und sie so mit unserer Botschaft wieder zu erreichen?" In Gesprächen und Workshops mit seinen Auftraggebern aus der Wirtschaft sucht Wallrafen nach Antworten auf diese Fragen, die nicht selten zu Existenzfragen werden. Durchbruch oder Insolvenz. Neue Arbeitsplätze oder Entlassungen?  "Erfolgreiche Unternehmer und Manager wissen, dass der ökonomische Gewinn erst am Ende einer Entwicklung steht, die erst mit Überzeugung, Herzblut und Begeisterung in Gang gesetzt werden muss. Wenn Manager und Mitarbeiter aus welchen Gründen auch immer nicht mehr hinter ihrer Dienstleistung stehen, werden sie auch ihre Kunden nicht mehr davon überzeugen können", sagt Wirtschaftscoach, der übrigens auch Jugendliche auf ihrem Weg ins Berufsleben begleitet, dass dann aber ehrenamtlich und nur für eine gute soziale Tat der jungen Leute, die vor dem Coaching vereinbart wird.

Das Beispiel des gesellschaftspolitisch und sozial engagierten dm-Markt-Gründers Götz Werner, der unter anderem für ein bedingungsloses Grundeinkommen eintritt, um Menschen außerhalb des ersten Arbeitsmarktes nicht abzustempeln, sondern zu aktivieren, ist für Wallrafen ein Beweis dafür, dass Unternehmer nur dann erfolgreich sein können, wenn sie ihrer Kernidee treu bleiben und ihre Identität in der Realität nicht aus kurzfristigen Profitinteressen aufgeben, weil sie, wie Götz Werner erkannt haben, "dass Mitarbeiter nicht Mittel zum Zweck, sondern selbst der Zweck des Unternehmens sind." Als negatives Gegenbeispiel führt Wallrafen den nicht nur wirtschaftlich gescheiterten Drogerie-Ketten-Besitzer Anton Schlecker ins Feld. Das Beispiel Schlecker zeigt für Wallrafen, dass Unternehmen, die nur profitorientiert sind, ohne ihre Mitarbeiter und Kunden mitzunehmen, auf Dauer wirtschaftlich nicht erfolgreich sein können.

Und was bedeutet das für die katholische Kirche? Was würde der rheinische Katholik Christoph Wallrafen Papst Franziskus oder den deutschen Bischöfen raten, wenn sie ihn als Coach für die Kirche engagieren würden? "Die katholische Kirche steck in einer monströsen Identitätskrise. Und ich glaube, dass Papst Franziskus das weiß und deshalb versucht, die Kirche aus dieser Krise herauszusteuern", sagt Wallrafen. In den Hierarchien und Dogmen der römisch-katholischen Kirche erkennt er die Frohe Botschaft des Jesus von Nazareth vom liebenden Gott, der sich wie ein Vater mit den Menschen auf Augenhöhe begibt und ihnen sagt: "Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst!" nicht wieder.

Stattdessen erinnert ihn die schrumpfende, aber immer noch mächtige und reiche Kirche mit ihrer "theologischen Besserwisserei und ihren Finanz- und Strukturdiskussionen auf fatale Weise an die Statthalter des Römischen Reiches und an die Pharisäer, die Jeus bekämpft habe. Dabei verkennt er als aktives Mitglied seiner Düsseldorfer Pfarrgemeinde Himmelgeist nicht, dass es viele ehrenamtlich aktive Katholiken und Priester gibt, "die sehr authentisch die christliche Kernbotschaft der Liebe leben." Doch das ändert für ihn nichts daran, dass der Purpur der Bischöfe und Kardinäle nicht an Jesus von Nazareth, sondern an den Purpur der römischen Senatoren erinnert. Und das Schicksal des römischen Imperiums ist bekannt.

Wird es der katholischen Kirche auch so ergehen? Trotz akuten Krise ist Wallrafen optimistisch, "dass wir eine Erneuerung der Kirche erleben werden, wenn sie sich wieder auf ihren Kern, die Liebe, besinnt und so ihre Souveränität und Überzeugungskraft wieder erlangt." In der Krise sieht der Identitätsentwickler eine Chance, "wenn wir begreifen, dass die Kirche uns allen gehört und wir alle als einzigartige Geschöpfe Gottes auch einen göttlichen Funken in uns tragen, der uns frei macht von der Angst und uns zu einer heiteren Gelassenheit, auch im Angesicht aller Schwierigkeiten bringen kann."

Damit der Funke auch überspringt, muss sich die katholische Kirche nach Wallrafens Einschätzung von überkommenen Formen "der Liturgieklempnerei verabschieden und zeitgemäße Formate entwickeln, die Menschen dort erreichen, wo sie mit ihrer weiterhin vorhandenen Sehnsucht nach Spiritualität, Sinn und Orientierung stehen und warten. Gottesdienste, davon ist der katholische Christ, Wirtschaftswissenschafter, Identitätsentwickler und Familienmensch Christoph Wallrafen, müssen nicht hinter Kirchenmauern zelebriert werden, sie können auch im prallen Leben und mit einem christlich inspirierten Tagwerk oder mit einem achtsamen Waldspaziergang gefeiert werden.

Dieser Text erschien am 1. Februar 2018 in der Tagespost

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