Mittwoch, 18. April 2018

Konfessionelle Unterschiede: Wen interessiert das heute noch? Ein ökumenisches Gespräch im Haus der Stadtgeschichte

Im Gespräch: Stadtdechant Michael Janßen (links) Superintendent
Gerald Hillebrand und der Journalist Detlef Schönen.
„Was hätte wohl Luther dazu gesagt?“ fragte sich Moderator Detlef Schönen, als er merkte, dass sich Stadtdechant Michael Janßen und Superintendent Gerald Hillebrand duzten, während sich die Repräsentanten der katholischen und evangelischen Stadtkirche ihre Gedanken darüber machten, „ob uns Luther und die Reformation heute noch jucken.“ Dass der Katholik Janßen, die protestantische Predigtkultur lobte und der Protestant Hillebrand die katholische Liturgie würdigte, überraschte nicht wirklich. Es war keine Diskussion, sondern ein Gespräch über den Stand der Kirchenspaltung, zu dem das Stadtarchiv ins Haus der Stadtgeschichte eingeladen hatte. Denn dort kann man noch bis zum 25. April die Ausstellung „Wortreich“ besuchen, die die Geschichte der Reformation in Mülheim erzählt.
Das gut 90-minütige Gespräch zwischen Stadtdechant und Superintendent warf für die Zuhörer am Ende vor allem eine Frage auf: Warum gibt es 500 Jahre nach Luthers 95 Reformationsthesen eigentlich noch eine katholische und eine evangelische und keine gemeinsame christliche Kirche?
Warum laufen Ihnen denn die Menschen weg, wenn sie so viel gemeinsam dafür tun, deren Sehnsucht nach Gemeinschaft, Lebenssinn und Orientierung zu stillen?“ fragte sich Moderator Schönen. Superintendent Hildebrand versuchte eine selbstkritische Antwort. „Die beiden großen christlichen Kirchen haben einen zu großen Überbau und werden deshalb von vielen Menschen als eher abschreckende und lebensferne Religionsbehörden wahrgenommen, während viele Freikirchen vor allem deshalb mehr Zulauf erleben, weil Menschen dort intensive Nähe und Spontanität finden.“

Erstaunlich offen zeigte sich Stadtdechant Janßen für die gemeinsame Nutzung von Kirchen und Gemeindehäusern. „Ich sehe da keinerlei Grenzen und Probleme“, sagte er und verwies auf das Beispiel des ökumenisch genutzten Altenberger Doms. „Ziehen Maria und der Weihrauch dann auch mit um?“ fragte Hillebrand etwas spöttisch nach und machte damit deutlich, dass es an der evangelischen Gemeindebasis auch in Zeiten kleiner werdender Kirchenkassen und größer werdender Ökumene immer noch konfessionelle Befindlichkeiten gebe. „So lieb wie jetzt hatten sie uns noch nie!“ gab Hillebrand den Kommentar einer Mitarbeiterin zum Besten. Gemeint war damit die Tatsache, dass die Ökumene derzeit auch aus finanziellen Gründen vorangetrieben wird. Lehrt Not nicht nur Beten, sondern auch Ökumene? Dem wollten Janßen und Hillebrand nicht widersprechen. Gleichzeitig verschwiegen sie auch weiterhin vorhandene theologische Unterschiede, etwa im geistlichen Amtsverständnis oder in der Frage von Eucharistie und Abendmahl nicht. Doch angesichts der im Luther-Jahr erlebten ökumenischen Gastfreundschaften, etwa bei Gottesdiensten und Prozessionen, sehen Stadtdechant und Superintendent auch in der Theologie keine unüberwindliche Kluft zwischen evangelischen und katholischen Christen. „Katholiken haben heute kein Problem mehr mit dem Kirchenreformer Luther und Protestanten haben heute auch kein Problem mit Papst Franziskus“, machte Stadtdechant Janßen deutlich. Und sein evangelischer Amtsbruder Hillebrand sieht die Unterschiede zwischen den Konfessionen nicht mehr als theologische Existenzfragen, sondern als „liebgewordene Gewohnheiten.“ Angesichts einer starken und heterogenen islamischen Gemeinschaft und der zunehmenden Zahl von Konfessionslosen macht Gerald Hillebrand darauf aufmerksam, „dass die gesellschaftlichen Fronten heute nicht mehr zwischen der evangelischen und der katholischen Kirche verlaufen.“ Für Janßen und Hillebrand bleiben die christlichen Kirchen auch in einer zunehmend pluralistischen und säkularen Gesellschaft als soziale und ethische Akteure gefragt. Beispiele aus Lateinamerika zeigen Michael Janßen, dass die christlichen Gemeinden auch ohne hauptamtliche Geistliche und ohne große Kirchengebäude Wirkung entfalten können, „wenn sie neben Versammlungsorten auch überzeugte und begeisterte Menschen haben, die andere Menschen von der Frohen Botschaft Jesu begeistern und überzeugen und so das Wort Gottes weitergeben können.“ Für den Journalisten Detlef Schönen ist die Ökumene 2018 auf einem guten Weg, „weil beide Seiten, anders, als zu Luthers Zeiten einen Draht zueinander haben und sich gegenseitig füreinander interessieren.“ Was der ökumenische Gesprächsabend im Haus der Stadtgeschichte leider nicht ansprach, war die Tatsache, dass beide Amtskirchen, aller an der Gemeindebasis bereits selbstverständlich gelebten Ökumene zum Trotz, ein starkes Beharrungsvermögen haben, wenn es um Ämter, Institutionen und Kirchensteuereinnahmen geht.

Dieser Text erschien am 16. März 2018 im Neuen Ruhrwort

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